Guna Yala

Turtle Cay

Leuchtturm an der Hafeneinfahrt der Turtle Cay Marina
Die Hafeneinfahrt der Turtle Cay Marina

Einen knappen Monat liegen wir in der Turtle Cay Marina etwa 30 Meilen östlich vom Panamakanal. Die Marina ist klein, ruhig und liegt mitten im Dschungel. Außer Affen, Blattschneideameisen und Faultieren, Urwald, Kokosnusspalmen und einem wunderbaren Strand gibt es hier nicht viel. Das stimmt nicht ganz, es gibt auch Jaguare und Ozelots, Tapire und Ameisenbären, Tukans und sogar Rote Aras (Aracangas ;-)), aber die bekommt man in der Regel nicht zu Gesicht. Dann gibt es noch eine Bar und eine Handvoll Bungalows auf der anderen Seite der Hafeneinfahrt, wo sich jedoch nur selten Besucher von Land her hin verirren.

Normalerweise meiden wir Häfen und bevorzugen es, am Anker zu liegen, wo man eine beständige Brise um die Nase hat und nicht eingepfercht zwischen andere Boote in der Hitze vegetiert. Hier jedoch ist es schön und wir genießen es, an einem Steg zu liegen. Es ist günstig und das Boot für die lange Reise nach Süden vorzubereiten ist am Steg einfacher als am Anker. Denn obwohl die Marina mitten im Dschungel liegt, kommt einmal die Woche ein Pick Up mit frischem Obst und Gemüse vorbei und wir haben die Möglichkeit, sonstige Lebensmittel und Ersatzteile zu bestellen und zu uns liefern zu lassen. Einmal die Woche kommt ein Jeep aus Panama City und liefert die Bestellungen ab. Eine neue Wasserpumpe, diverse kleine Ersatzteile und sogar die komplette Heizung, die wir in den vergangenen Wochen installiert haben, sind auf diesem Weg zu uns gekommen.

Besuch

Paul, Martin, Babsi, Riki und die Kids in Guna Yala
Die ganze Meute

Aber nicht nur Lebensmittel und Ersatzteile finden den Weg zu uns, viel besser noch ist, dass meine Schwester Babsi und ihre Familie für einen Monat zu uns an Bord kommen, um gemeinsam nach Guna Yala, dem autonomen Gebiet der indigenen Guna, zu segeln. Für einen Monat kümmern wir uns nicht um Vorbereitung und To-Do-Listen, Arbeiten und Reparaturen, sondern machen einen ausgiebigen, wunderbaren Urlaub zusammen mit Babsi, Paul und den drei Kids Samuel, Ronja und Elli. Wir bleiben noch drei Tage gemeinsam in Turtle Cay, genießen den Strand und das Meer, kurieren diverse Sonnenstiche, einen Tritt in eine giftige Raupe und eine Ohrenentzündung aus, der aus Deutschland mitgebrachte Husten ist zu hartnäckig und darf mit nach Guna Yala segeln.

Guna Yala

Palmbewachsenes Inselchen mit Strand in Guna Yala
Eine typische Insel in Guna Yala

Guna Yala ist besser bekannt unter dem Namen San Blas, wie die Europäer das Gebiet nennen. Die Einheimischen vom Stamm der Guna jedoch bevorzugen ihren traditionellen Namen Kuna Yala oder Guna Yala für den 180 Kilometer langen Küstenstreifen mit seinen 365 flachen, vorgelagerten Inselchen, für dessen Autonomie sie lange und blutig gegen die spanischen Besetzer gekämpft haben. Das Gebiet hat 32.000 Einwohner, ausschließlich Angehörige des Stammes der Guna und umfasst eine Fläche von etwa 2.300 km2. Etwa 50 der Inseln sind dauerhaft bewohnt. Vor der blutigen Eroberung Mittel- und Südamerikas lebten die Guna als verschiedene Stämme in den Bergen Zentralpanamas, waren dann jedoch gezwungen zu fliehen, um nicht wie viele andere Stämme von den durch die Gier nach Gold getriebenen Europärer abgeschlachtet und ausgerottet zu werden. Um das Jahr 1600 fliehen die Guna auf den Archipel San Blas, ein für die Spanier uninteressantes Gebiet, da es hier nichts zu holen und nicht einmal fruchtbare Böden gibt. Somit sichern sich die Guna ihr überleben. Der Kampf gegen die Unterdrückung der Spanier und deren Verbote traditionellen Schmucks, religiöser Zeremonien und kultureller Feste endet jedoch erst im Jahr 1925 durch eine Revolution und selbst danach dauert es noch viele Jahre bis zu einer echten Anerkennung.

Einbaumkanu am Strand
Die Inseln liegen nur wenige Zentimeter über Null, sie werden allen Prognosen nach bis Ende des Jahrhunderts überschwemmt sein

Die Probleme jedoch enden damit nicht, das heutige Guna Yala ist eine der vom Klimawandel und den damit einhergehenden steigenden Meeresspiegeln am stärksten bedrohte Region weltweit, da die Inseln teilweise deutlich weniger als einen halben Meter über null liegen. Die ersten traditionellen Dörfer wurden bereits evakuiert und in anonyme Siedlungen ans Festland umgesiedelt, wovon erst im Mai die Tagesschau wiederholt berichtet hat. Hier noch ein Artikel aus dem Stern aus dem Jahr 2022.

Drei Guna sind mit einem Einbaum unterwegs
Der Einbaum ist das Hauptfortbewegungsmittel der Guna

Trotz alldem oder gerade deswegen ist das Volk der Guna einer der am traditionellsten lebenden indigenen Stämme Amerikas. Gesprochen wird die traditionelle Sprache der Guna, das Hauptfortbewegungsmittel sind Einbäume und einem Nicht-Guna ist es nicht möglich, in Guna Yala zu siedeln, was selbst für Angehörige, die außerhalb ihres eigenen Stammes heiraten, gilt. Wir stellen uns die Frage, warum wir diese Politik gutheißen können, persönlich jedoch vom Gegenteil, nämlich von Diversität, Integration und Offenheit überzeugt sind. Der Unterschied ist, die Guna wurden Jahrhunderte lang blutig unterdrückt und die Erinnerung daran ist nach wie vor sehr präsent. Die einflussreiche, reiche und bestimmende Schicht quer durch Lateinamerika sind nach wie vor die Nachfahren der Spanier, die ärmsten und am wenigsten einflussreichen sind nach wie vor die indigenen Einwohner. Die Guna sind eine der wenigen indigenen Stämme, die es geschafft haben, ihre Kultur weitgehend zu erhalten und sich eine gewisse Autonomie erkämpft haben. Auch wenn die Siedlungspolitik sehr streng ist, wir als Besucher sind herzlich willkommen.

Kurs Chichime

Chichime, Guna Yala
Chichime

Ein paar Tage nach der Ankunft von Babsi, Paul und Familie setzen wir dann die Segel und machen uns auf den Weg nach Osten, knapp 30 Seemeilen bis Guna Yala. Es ist jedoch Mitte August und um diese Jahreszeit herrscht meist Flaute, weswegen wir die sechs Stunden bis zu unserem ersten Ankerplatz, dem Atoll Chichime, wieder einmal unter Maschine zurücklegen müssen. Das Großsegel lassen wir gesetzt, dieses dämpft die rollenden Schiffsbewegungen ein wenig und hält die Seekrankheit unserer Besuchercrew auf einem halbwegs erträglichen Level. In Chichime fällt der Anker auf zwölf Metern türkiser Wassertiefe zwischen zwei kleinen Inselchen, die so kitschig schön sind, dass man sich in irgendein Postkartenmotiv versetzt fühlt. Wir sind bei weitem nicht das einzige Boot hier, die Schönheit von Guna Yala und die einzigartige Kultur ihrer Bewohner haben sich längst unter den Seglern herumgesprochen. Seit wir das erste Mal vor dreizehn Jahren hier waren, hat sich die Anzahl der Boote vervielfacht. Trotzdem, wir fühlen uns wie im Paradies angekommen, springen ins Wasser, mischen einen Rum mit Cola und genießen diesen Ort.

In der Kochhütte wird das Essen zubereitet, Chichime, Guna Yala
Raul in der Kochhütte, Langusten und Schwein sind auf dem Grill

Babsi und Paul schmeißen unser Bluefin SUP ins Wasser und paddeln eine Runde, uns genügt es, erst einmal nur dazusitzen und das Panorama auf uns wirken zu lassen. Am nächsten Tag dann fahren wir alle zusammen mit dem Dinghy auf die Kleinere der beiden Inseln. Hier wohnen nur eine Handvoll Einheimischer und Raul, einer von ihnen, hat uns am Vorabend eingeladen, gemeinsam ein Schwein zu grillen und die Geburt seines Sohnes zu feiern. Wir können nicht sagen, ob es stimmt oder nicht, aber zu Babsi und mir meint er, wir kommen ihm bekannt vor. Und Babsi und ich waren es, die vor dreizehn Jahren bereits hier waren. Das Fest am Abend entpuppt sich als riesige Party mit einigen Einheimischen und vielen Seglern. Ob Raul all diese Leute bekannt vorgekommen sind? Es ist ein wunderbarer Abend, die Kids spielen am Strand und mit den Tieren, die hier mit den Guna leben, Katzenbabies, Hunden und Welpen und einem Ferkel, über das wir erfahren, dass es im Januar zum nächsten Fest geschlachtet werden soll.

Naia und ihre Guna-Freundin
Naia und ihre neue Freundin

Naia ist ganz verliebt in eine andere Zweijährige und möchte ihre Hand gar nicht mehr loslassen, das Gunamädchen ist nicht weniger fasziniert von Naia. So verbringen die beiden Mädels Hand in Hand eine viertel Stunde nebeneinander, beide zu schüchtern um sich zu bewegen, lediglich wird hin und wieder das Haar der Anderen gestreichelt und die exotische Farbe bewundert. Samuel würde am liebsten ein Katzenbaby mit an Bord nehmen, Ronja das Andere und Kira und Elli sind zufrieden, miteinander und mit den anderen Kindern Sandburgen zu bauen. Die Party geht bis spät am Abend, ein Teil der Kids schläft bereits, ein Teil der Eltern hat ein Bier zu viel getrunken und irgendwann ist es an der Zeit, zurück zur ARACANGA zu fahren. Während sämtliche Kids, schlafend oder nicht, zwar sandig, aber wohlbehalten an Bord und in die Kojen verfrachtet wird, macht sich ein Teil unserer Teller und Gabeln auf den Weg in die Tiefe. Heute ist es dunkel, morgen werden wir mit Brille und Flossen danach suchen. Weil es so schön ist, gibt es noch einen Absacker im Cockpit, dann heißt es gute Nacht.

Riki, Kira und Naia beim Schnorcheln
Hier sind sie!

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück sind sämtliche Kinder mit Maske und Schnorchel im Wasser, selbst Naia wagt die ersten Schnorchelversuche, und suchen das Geschirr. „Hier sind sie!“ Ein paar Meter hinter dem Boot sieht man zwei Teller auf dem Grund. Also Luft anhalten, den leichten Kater kurz ignorieren und ab auf Tiefe. In jedem der beiden Teller liegt noch ein zweiter, so dass unser Geschirr wieder komplett ist. Nur die Gabeln bleiben wohl etwas dezimiert.

Gefangene Langusten im Einbaumkanu
Die meisten der uns angebotenen Langusten sind leider viel zu klein, um sie zu fangen

Wir bleiben noch zwei weitere Tage auf Chichime, verbringen viel Zeit am Strand und schnorcheln entlang des Riffs, wo es leider kaum Fische, dafür jedoch wunderschöne Korallenformationen gibt. Diese Erfahrung machen wir traurigerweise überall in Guna Yala. So traditionell die Guna leben, leider gibt es hier, wie sonst an allen Orten der Karibik, keine Schonzeiten und Schonmaße für Fische, Conch (große Schneckenmuscheln, auf Deutsch große Fechterschnecke )und Langusten. Das führt dazu, dass immer kleinere Langusten gefangen werden, immer kleinere Schnecken gesammelt werden und den Tieren keine Zeit und Möglichkeit zur Erholung und zur Fortpflanzung gegeben wird. Ganz Guna Yala ist hoffnungslos überfischt. Im Rest der Karibik haben die Langusten und die Conch-Schnecken je ein halbes Jahr gegengleiche Schonzeiten.

Paul und Ronja, Chichime, Guna Yala
Paul, Ronja und das Ferkel – im Hintergrund Molas zum Verkauf

Am letzten Abend bevor wir von Chichime ablegen, um zur nächsten Inselgruppe zu segeln, sind wir noch einmal bei Raul und seiner Familie eingeladen. Es gibt die Reste vom Schwein und dazu Salat und Gemüse. Der Salat und das Gemüse werden auf dem Festland angebaut, da die Inseln zu unfruchtbar sind, hier wachsen lediglich Kokospalmen, die mit dem sandigen und salzigen Boden zurechtkommen. Ein Teil der männlichen Gunas fährt tagsüber an den zu Guna Yala gehörenden Festlandstreifen, um dort auf den Obst- und Gemüseplantagen zu arbeiten, während ein anderer Teil der Männer fischen geht. Die Guna leben in einem traditionellen Matriarchat, nach der Hochzeit zieht der Mann zur Frau und nimmt ihren Namen an. Auch die meisten der kulturellen Feiern sind den Frauen gewidmet.

Eine Guna Frau hält eine Mola hoch
Eine Guna-Frau mit einer traditionellen Mola

Die meisten der Frauen sind traditionell gekleidet, ein Teil dieser Bekleidung ist die Mola, ein mit kunstvoll genähten Applikationen versehenes Stück Stoff, das um den Bauch getragen wird. Der Verkauf von Molas ist auch eine wichtige Einkommensquelle, man kann diese nicht nur in Guna Yala, sondern überall in Panama kaufen. Molas sind nach den berühmten Panama-Hüten das beliebteste Mitbringsel aus Panama. Entwickelt haben sich die Molas allerdings nur durch die spanischen Unterdrücker, denn früher waren die Guna weitgehend unbekleidet. Das Nacktsein wurde von den Spaniern verboten, nach und nach wurden die traditionellen Muster der Tätowierungen auf Stoff übertragen.

Die Holandese Cays

Ein Mann in einem traditionellem Einbaum mit Palmwedel als Segel
Einbaum mit Segel, Holandes Cays

Am nächsten Tag segeln wir, ja, diesmal konnten wir wirklich etwas segeln, von Chichime zur Holandes-Inselgruppe. Es ist die vom Festland am weitesten entfernte Inselgruppe und hat somit das klarste Wasser. Die Holandes-Cays sind kaum besiedelt, hier gibt es keine permanenten Dörfer, sondern nur einzelne Hütten. Wir ankern zunächst für zwei Tage im Westen der Inselgruppe, segeln dann weiter in den Osten der Holandes und ankern dort nah am Strand einer einsamen Insel, etwas abseits des Ankerplatzes, wo eine Handvoll anderer Boote liegen. Für uns sind die einsamen Ankerplätze nach wie vor die schönsten. Mit dem Dinghy fahren wir zur Insel auf der anderen Seite, wo uns wieder einmal ein wunderbarer Strand mit Palmen erwartet. Strand, Wasser, Schaufel und Eimer sind genug, dass sich die Kids lange Zeit beschäftigen können. Wenn daneben noch eine Palme zum Hochklettern steht, ist der Spielplatz perfekt.

Die ARACANGA vor Anker
Vor Anker in Guna Yala

Wir bleiben wieder drei Tage, verbringen einen Großteil der Zeit im Wasser, schwimmen und planschen und fahren mit dem Dinghy raus zu einem vorgelagerten Riff zum Schnorcheln, wo wir wieder schöne Korallen und wenig Fische sehen. Ein anderes Riff ganz in der Nähe führt uns auf gespenstische Weise eine weitere Folge des Klimawandels und der steigenden Meerestemperaturen vor: Korallenbleiche. Das Wasser ist für die Korallen zu warm, das komplette Riff ist tot, alles ist grau und sämtliche Farben sind wie ausradiert. Zwar sehen wir das an fast jedem Riff, aber in dieser Intensität ist es erschreckend.

Rückweg

Straßenszene im Dorf, Guna Yala

Auf den Holandes stellen wir erschrocken fest, wie schnell die Tage hier in Guna verfliegen, und dass es schon langsam Zeit wird, wieder in Richtung Turtle Cay zu segeln. Wir planen noch einen Stopp in den nahegelegenen Lemon-Cays und einen weiteren Stopp an einem der Dörfer der Robeson-Cays. In den Lemon Cays jedoch fangen zuerst Riki und ich, danach Kira, Naia, Elli und Samuel an zu husten. Während Ronja ihren Husten so langsam auskuriert hat, haben wir uns angesteckt und fühlen uns von einem Tag auf den nächsten elend. Von dem her bleibt die Unternehmenslust gedämpft und wir vegetieren vor uns hin und streichen Robeson aus dem Programm. Stattdessen fahren wir den kurzen Weg nach Porvenier und besuchen die dortigen, nahegelegeneren Dörfer. Zwei Tage später dann segeln wir zurück zur Turtle Cay Marina, wo wir teils hustend, teils seekrank am Steg festmachen. Für Babsi, Paul, Samuel, Ronja und Elli geht es weiter auf dem Landweg, via des geschichtsträchtigen ehemaligen Piratennest Portobello nach Panama City, während wir und zwei Tage auskurieren, klar Schiff machen und dann nach Panama City folgen, um noch drei gemeinsame Tage dort zu verbringen.

Es schicken ganz herzliche Grüße aus Panama die vier ARACANGAs Naia, Kira, Riki und Martin

Ein Kommentar

  1. Look and sounds amazing.. cool ro read the updates, and the photo’s are great..

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