Nach der Clearance holen wir den Anker auf und fahren die fünf Seemeilen zur Lamin Lodge, wo unsere aracanga an einer Boje hängt und auf uns wartet. “Good to see you back!”, Lamin, ein befreundeter Fischer, kommt uns in seiner Piroge entgegen und erkennt uns sofort wieder. Vor knapp zwei Jahren, im Februar 2019, sind wir erstmalig hier angekommen. Unser dreiwöchiger Heimaturlaub, den wir im Mai 2019 machen wollten, ist deutlich länger ausgefallen, da zunächst Riki mit einem toxischen Innenohr ins Krankenhaus musste, daraufhin die frohe Nachricht vom Nachwuchs kam und dann Corona eine Rückkehr zum Boot unmöglich machte. Also beschlossen wir, gemeinsam mit meinem Papa Peter und der Kleinen ein weiteres Mal nach Gambia zu segeln, diesmal auf Peters Ivalu. Die drei Kapitel „Mit der aracanga von Deutschland nach Gambia“, „Heimaturlaub“ und „Mit der Ivalu von Deutschland nach Gambia“ sind abgeschlossen und jetzt endlich beginnt das vierte Kapitel unserer Reise: „Zurück auf der aracanga“
Bevor wir jedoch umziehen und uns auf unserem Boot häußlich einrichten, sind ein großes „Hallo“ mit unseren Freunden, dann Weihnachten und Sylvester und nebenbei gefühlte hundert andere Projekte angesagt.
Das Lamin Harbour Community Center
Während unserer Abwesenheit, seit dem letzten Besuch ist auf den Tag genau ein Jahr vergangen, hat sich viel getan hier. Das Land ist zwar Fallmäßig kaum von Covid betroffen, die Folgen der Pandemie jedoch sind an jeder Ecke zu spüren: Mehr Armut, mehr Mangelernährung, (noch) weniger Jobs, weniger Gesundheitsvorsorge, weniger Malariaprophylaxe, …
Zwei Freunde von uns, Martin aus England und Maarten aus den Niederlanden (dieser Ort hier scheint die Martins der Welt magisch anzuziehen), haben die Zeit während der Pandemie hier in Bereto Tenda, wie der Platz an der Lamin Lodge heißt, auf ihren Booten verbracht. Gemeinsam mit den vielen Menschen, die hier am Landungsplatz der Fischer und Ausflugspirogen normalerweise ihr tägliches Brot verdienen, haben sie eine Art kleine heile Welt inmitten vieler Probleme erhalten und unterstützt und somit die Community zusammengehalten. In erster Linie gibt es hier jeden Tag Mittagessen, was ein Anreiz für viele ist, trotz mangelnder Einkünfte trotzdem die nötige Arbeit wie z.B. das Instandhalten der Pirogen, wahrzunehmen. Das wenige Geld, das eingenommen wird, geht anteilig in die Mittagsküche, hinzu kommen ein paar Spenden und somit ist es möglich, jeden Tag für etwa 20 Personen zu kochen. Auch wir essen fast täglich mit der Community und spenden dafür regelmäßig einen Sack Reis, Gemüse, Fisch und sonstige Zutaten. Des Weiteren hat sich im Rahmen des Lamin Harbour Community Center, wie der werdende verein offiziell heißt, eine sehr aktive Musikszene hier gebildet, mit Trommelsessions und wöchentlichen Reggae-Partys, die ebenso ein klein wenig Geld in die Gemeinschaftskasse spülen.
Es ist schön, wieder zurück zu sein, und es fühlt sich für uns ein klein bisschen wie heimkommen an. Es ist schön, die kleinen und großen positiven Veränderung des Ortes zu sehen und seit unserer Ankunft sind wir voll eingebunden. Die Idee ist es, die ruhige Coronazeit zu nutzen und den Platz so weiterzuentwickeln, dass dieser danach für Einheimische und Besucher noch attraktiver ist und auch weiterhin Arbeit und Einkünfte für sehr viele familien bieten kann. Eines der großen Probleme ist der anfallende Müll und wir sind aktuell dabei, gemeinsam einen Verbrennungsplatz dafür zu bauen, denn in ganz Gambia gibt es keine Müllentsorgung. Das Geld dafür, etwa 400 Euro, zahlen wir aus eigener Tasche, gearbeitet wird gemeinsam: Ziegel herstellen, Fundament ausheben und betonieren, mauern. In ein paar Tagen soll der Platz fertig sein. Damit allein ist es jedoch nicht getan, Toiletten, Wasser, Strom, Hochwasserschutz, die Liste ist lang und die Motivation groß.
Genaue Infos und viele Bilder über den Verein und das Projekt gibt es hier: laminharbour.weebly.com
Und wer das Ganze gerne unterstützen möchte darf das gerne über unsere Kaffeekasse mit dem Betreff „Community Center“ machen. Das Geld geht vertrauenswürdig an das Lamin Harbour Community Center, deren Eintragung als offizieller Verein die Tage abgeschlossen sein sollte. Wir haben aktuell noch einen defekten 40PS Außenbordmotor, den wir als Spende geschenkt bekommen und mit hierhergebracht haben. Er wird gerade repariert und dann verkauft, der Erlös geht an das Community Center.
Weihnachten und Sylvester
Hier ist es wohl angebracht, allerseits einen guten Start ins Jahr 2021 und vor Allem eine allmähliche Rückkehr zur Normalität zu wünschen.
Wie bereits geschrieben, fallmäßig ist Covid hier kaum ein Thema und wir hoffen, dass es so bleibt. Abgesehen von den Kollateralschäden ist in Gambia ein relativ normaler Alltag möglich, was uns ein schönes Weihnachtsfest und eine unvergessliche Sylvesterparty ermöglicht.
Weihnachten wird hier aufgrund der hauptsächlich muslimischen Bevölkerung kaum gefeiert, lediglich die christliche Minderheit veranstaltet ein kleines oder größeres Fest und lädt dazu sämtliche Nachbarn egal welcher Glaubensrichtung ein. Wir finden das einen schönen Brauch und beschließen, vormittags Weihnachten im kleinen Rahmen an Bord zu feiern und dann ein großes Fest am Abend zu machen. Ivalu, Shanty, Irmi, wir sind drei Besucherboote, dazu Martin und Maarten, wir legen zusammen und laden alle unsere Freunde ein, die hier aktiv sind. Auf dem Markt kaufen wir ein Schaf, was es hier nur zu besonderen Anlässen gibt. In Gemeinschaftsarbeit wird es geschlachtet und über den ganzen Tag hinweg auseinandergenommen, gekocht, gegrillt und zubereitet, für alle Beteiliogten ist das bereits ein großer und bedeutender Teil des Festes. Von Dad, dem Betreiber des hiesigen Restaurants, lassen wir das restliche Essen zubereiten: Fisch, Hühnchen und Reis, Salat und Gemüse. Er freut sich, seit März ist es der erste Tag, an dem er einen nennenswerten Umsatz machen kann. Dann werden Trommeln und Gitarren ausgepackt, Kerzen und Öllampen angezündet und ein unvergessliches afrikanisches Weihnachtsfest nimmt seinen Gang.
Das nächste Fest, Neujahr, ist von langer Hand geplant und wahrscheinlich der Höhepunkt sämtlicher Aktivitäten, Reggaepartys und Feiern hier in Bereto Tenda. Es ist eine gelungene Mischung aus traditionellem Programm und Party mit unzähligen Besuchern aus den nahegelegenen Städten und Dörfern. Die Schätzungen gehen von 2.000 bis 5.000 Leuten über den Abend hinweg. Riki, Kira und ich sitzen in der ersten Reihe, während die traditionellen Fabelwesen der hiesigen Kultur ihre Macheten aneinanderschlagen und teils furchterregenden Tänze aufführen. Kira hält sich mit einer Hand an einem Ast fest, während sie kräftig ihren Popo zum Takt der rhythmischen Trommelmusik wackelt und mit großen Augen die Zimbas und Kankurans beobachtet. „Kira is a bandito. She is afraid of the airballoon, but not oft he Zimba“, lacht unsere Freundin Yamundaw über die Kleine.
Die aracanga
Es gibt so viel zu berichten hier, da geht unsere kleine aracanga fast unter. Hm, das klingt etwas zweideutig, denn sie schwimmt wie eine Eins und kein Tropfen Wasser ist in der Bilge zu finden. Die Rückkehr nach Bereto Tenda heißt für uns natürlich auch, zu unserem kleinen, roten Boot zurück zu kommen. An dieser Stelle geht ein riesiges Dankeschön an unseren Freund Gee, der sich über die ganze Zeit hinweg bestens um die Kleine gekümmert hat.
Als wir nach der mit der Ivalu um die letzte Ecke zur Lamin Lodge biegen, steht sie vor uns. Genau ein Jahr zuvor haben wir sie nach unserem letzten Besuch hier zurückgelassen und abgesehen vom etwas durch Sonne und Salzwasser ausgeblichenen Rumpf sieht sie super aus. Wir drehen einen Kreis um die aracanga, ankern etwa 100 Meter daneben und für den ersten Abend begnügen wir uns damit, ein Ankerbier zu trinken und die unbeschreibliche Stimmung, wieder hier zu sein, auf uns wirken zu lassen.
Am nächsten Morgen jedoch hält uns nichts mehr. Vor dem Frühstück paddeln wir rüber, schließen den Niedergang auf und freuen uns, wieder auf unserem eigenen Boot zu sein. Gleichzeitig mischt sich aber der Abschiedsschmerz ein, denn wir hatten eine wunderbare gemeinsame Zeit auf der Ivalu. Es ist das klassische weinende und lachende Auge. Natürlich machen wir das persönlich, aber es ist sicher nicht verkehrt, es auch hier zu schreiben: DANKE, lieber Peter, für die tollen, unvergesslichen und vor allem unkomplizierten gemeinsamen fünf Monate!
An Bord der aracanga beginnen wir, unser Boot wieder bewohnbar zu machen. Nichts Großes, aber viele, viele Kleinigkeiten sind zu tun, bevor wir etwa zwei Wochen später dann wirklich umziehen: Zunächst einmal schlagen wir die Segel an, um Platz an und unter Deck zu haben, sowie eine große Persenning für Schatten, und räumen auch sonst alles wieder an Ort und Stelle. Dann werden die Polster frisch überzogen, die wir vor unserer Abreise unserem Freund Wally gegeben haben, damit er ihnen ein neues Design verpassen kann. Statt weiß-schwarz gestreift sind sie jetzt afrikanisch gemustert, wobei die Streifen nach wie vor gut zu sehen sind. Die Starterbatterie müssen wir austauschen und nach einigen missglückten Versuchen bekommen wir auch die Maschine wieder zum Laufen. Ein Relingsnetz für die Kleine darf nicht fehlen. Anschließend heißt es an Deck und unter Deck putzen und schrubben. Eine positive Überraschung ist das Unterwasserschiff, hier geht ein Riesenkompliment an Coppercoat: Nach zwei Jahren seit dem Anstrich und einem Jahr ohne Bewegung haben wir abgesehen von etwas Sedimentenschleim, was hier im Gambia-River jedoch kaum verwunderlich ist, keinen Bewuchs am Unterwasserschiff. Lediglich dort, wo vor zwei Jahren die Stempen des Lagerbocks waren und wir nicht so gut auftragen konnten, wachsen ein paar Austern. Und zu guter Letzt ziehen wir um: Klamotten, Lebensmittel, Badartikel, Reiseapotheke, Bücher, Ersatzteile, Computer, Nähmaschine, Wassermacher, Spielzeug, Kuscheltiere, dazu 200 Liter Wasser, … gefühlt liegt die Ivalu jetzt ein paar Zentimeter höher und die aracanga ein paar mehr Zentimeter tiefer. Noch sind viele Kleinigkeiten zu tun und die Hundekoje liegt noch voller Ersatzteile, aber wir haben uns gut eingelebt und freuen uns, wieder an Bord unseren eigenen Bootes zu sein.
Von Bord der aracanga grüßen ganz lieb
Riki, Martin und Kira
Hallo ihr Drei!
Ich verfolge eure Seite in unregelmäßigen Abständen und erfreue mich immer an euren schönen und unaufgeregten Bildern! Alles Gute und liebe Grüsse aus dem tiefwinterlichen Freistadt!
Liebe Riki und lieber Martin mit Nachwuchs,
eben habe ich Euren neuesten Blogeintrag zur Ankunft in Lamin Lodge gelesen. Tatsächlich bietet Ihr eine der sehr wenigen Segelseiten, deren Autoren sich auf die Menschen vor Ort auf eine sehr empathische und sehr handfeste Art einlassen. So stelle ich mir Reisen vor. Und es wäre gut für das gegenseitige Verständnis und den Frieden in der Welt, wenn es mehr Reisende Eurer Art geben würde.
Dass Ihr den Menschen in Gambia so nahe rückt und über das Leben vor Ort schreibt ist einfach wunderbar. Und dass Kira immer dabei sein kann mit Euch tut ihr sicher gut.
Danke für Eure einfühlsamen Texte, Eure Sympathie für die Menschen in Afrika und die schönen Bilder. Ich werde weiterhin ungeduldig auf jeden neuen Blogeintrag warten.
Ein abenteuerliches neues Jahr, gute Reise und Liebe und Frieden und Gesundheit in Eurem kleinen Zuhause und um Euch herum wünscht
Dem Kommentar stimme ich in jedem Detail zu! Schön, dass ihr andere an eurer Weltoffenheit teilhaben lasst und diese auch an eure Tochter weitergebt.
Hallo Ihr drei,
ich wollte Euren Beitrag über E- Mail bzw. whats App an eine Organisation weiterleiten, die Euer Projekt eventuell untersützt. Ich finde jedoch nichts zum teilen.
Ahoi Lore
Ahoi Lore,
vielen lieben Dank! Am einfachsten ist es wahrscheinlich, wenn du einfach den Link zu diesem Blogeintrag https://ahoi.blog/zuruck-auf-der-aracanga und den Link zum Community Center https://laminharbour.weebly.com/ weiterleitest. Liebe Grüße von uns dreien!