Bevor es mit Geschichten von Bord der aracanga weitergeht, haben wir noch einmal einen Gastartikel von unseren Freunden den “Streunern” Karin und André, die den meisten von Euch ja wohl bekannt sein dürften. Die Beiden haben ihr Boot einem Komplett-Refit unterzogen, und zwar nicht wie man das normalerweise so macht in irgendeiner Werft oder Marina mit schickem Travellift, Kneipe und Cocktailbar, sondern am Strand von Dakar. Der Artikel ist noch aus dem Januar und da der Streuner mittlerweile in der Karibik unter Palmen schwimmt, beweist, dass der Refit erfolgreich war. Viel Spaß beim Lesen.
Ein Refit am Strand von Dakar
Die Crew sitzt mittlerweile bei heftigem Wind in der Ankerbucht von Mindelo fest. Unser uralter Außenborder ist das Einzige, an dem die gewitzten Mechaniker im Senegal gescheitert sind… Um es kurz zu machen, der Streuner ist wieder blitzeblank und ein wunderschöner kleiner Oldtimer geworden, aber es war durchaus eine Geduldsprobe. Natürlich war es von Anfang an klar, das ein fast kompletter Refit am Strand von Dakar ein Abenteuer werden wird, das Fantasie und Kreativität in der Umsetzung der anstehenden Arbeiten fordern würde. Und Zeit…
Unser Freund Gee von der Lamin Lodge hat alle Kontakte hergestellt und André geholfen das Boot nach dem „Sommerlager“ in den Senegal zu bringen. Er spricht „Wolof“ die Landessprache und konnte somit zu Anfang das Dolmetschen übernehmen, denn ohne Französisch muss man auf Hand und Fuß Kommunikation ausweichen. Englisch ist nicht verbreitet, aber auch ohne ein Wort Französisch zu können hat es André irgendwie geschafft.
Es gibt in Dakar mehrere Möglichkeiten ein Boot an Land zubringen, aber keinen Kran, sondern es wird in jedem Fall ein Slipwagen ins Wasser gefahren, an dem das Boot vertäut und nach und nach an den Stand gezogen wird. Der Mast wird entweder von Hand gelegt und gestellt, oder es kommt ein Autokran. Neben dem CVD (Club de Voile de Dakar) bietet Mr. Marr einige Meter den Strand hinauf mit seiner kleinen Werft einen sehr kompetenten Service an. Er wird nicht umsonst von den Fischern „the one man army“ genannt und die Segler der Region vertrauen auf ihn. Wenn jemand im großen Wirrwarr von Dakar etwas organisieren kann, dann ist es Mr.Marr… Gerne erinnert sich André an die Fahrten mit ihm auf dem Rücksitz seines Rollers im Chaos der Großstadt, mal 20 Liter Farbe auf dem Schoß, mal zwei drei Meter lange Edelstahlrohre wie einen Fahnenmast in den Himmel balancierend…und Mr. Marr ist kein Sonntagsfahrer. In den insgesamt sechs Wochen, die der Streuner auf dem Trockenen lag, wurde mit seiner Hilfe und Organisation das Schiff komplett sandgestrahlt und neu aufgebaut. Aus welchen Gründen auch immer hat unser Lack in der Hitze Blasen geworfen, die Eine nach der Anderen aufgeplatzt ist und so eine Erneuerung aller Schichten unumgänglich wurde. So konnten auch einige rostige Stellen ausgebessert werden und es gibt uns ein gutes Gefühl, genau zu wissen, was unter der Farbe so los ist…
Die Materialien haben wir alle in Dakar gekauft. Farben ( in allen RAL-Tönen) und Grundierungen sowie Antifouling für Stahl und GFK sind leicht zu haben und wurden von französischen Seglern stets gelobt. Edelstahl ist um einiges günstiger und Schweißarbeiten in guter Qualität zu bekommen. Mr. Ibu, der ansässige Schreiner hat alle unsere Holzaufbauten, von Scheuerkante, über Winschblöcke bis zu einer neuen Badeplattform übernommen. Alles in Handarbeit, was man sich als Europäer gar nicht mehr vorstellen kann. Außerdem gibt es eine Segelmacherei und einige Mechaniker und kleinere Schlossereien auf und rund um das Gelände des CVD. Ersatzteile für die Elektronik sollten allerdings besser von zu Hause mitgebracht werden. Auch sind Arbeiten am Rigg schwierig, da es keine Möglichkeit zum Verpressen der Terminals gibt. Das stehende Gut erneuern wir gerade hier in Mindelo.
Für die Zeit der Arbeiten am Boot hat sich André ein Zimmer im CVD genommen, wo wir auch alle unsere Sachen unterbringen können, da natürlich alles aus und weggeräumt werden musste. Werkzeuge haben wir ohne Bedenken auf der Baustelle gelassen, auch gibt es auf dem Strandabschnitt der Werft und auf dem Gelände des CVD jeweils einen Wachmann mit mehr oder weniger gutem Schlaf ;-)… Sicherheitsprobleme hatten wir nie und es ist auch nicht die kleinste Schraube weggekommen. Rund um die Werft arbeiten Fischer und Handwerker, die alle ernsthaft ihrem Geschäft nachgehen und sich ab und an nach dem Fortschritt umgesehen, oder zu einem Tee nach Feierabend eingeladen haben.
Es muss einem grundsätzlich klar sein, dass die Mentalität und Einstellung zu Zeit und Effizienz im Senegal eine Andere als hierzulande ist. Vorstellung und Wirklichkeit kollidieren so manches Mal immens. Feste Zeitpläne sind reine Dekoration und wenn man es nicht schafft, zu einem gewissen Grad innerlich loszulassen und gut gelaunt jeden Tag aufs neue seine Anliegen durchzusetzen, wird man nicht viel Freude haben. Wir müssen ganz klar sagen, dass wir uns solch umfassende Arbeiten an wohl kaum einem anderen Ort der Welt hätten leisten können. Die Notwendigkeit, aber auch unsere Lust unkonventionelle Wege zu gehen, waren ausschlaggebend bei der Entscheidung. Einfach war es nicht, aber wer Zeit mitbringt und außergewöhnliche Anekdoten für die Seemannskneipe sammeln möchte, kann in Dakar günstige und solide Arbeit erwarten. Auch die Umgebung verlangt einiges ab, denn ein Paradies ist der Strand von Dakar in dieser Ecke wirklich nicht. Trotz des schönen Namens „Bel Air“ und einigen Minister-Villen hinter hohen Mauern ist das harte Leben an jeder Ecke zu sehen. Die Verschmutzung des Strands und des Wassers ist nach europäischem Empfinden fast nicht zu beschreiben, und Baden alles andere als empfehlenswert, es ist schlicht und einfach ein afrikanischer Arbeitsstrand ohne jegliche Infrastruktur, dreckig und stinkend. Aber wenn Mr. Marr gegen 16:00 seine Musikanlage anwirft und den Strand mit afrikanischen Rhythmen beschallt, fühlt man sich an der Werkbank unter der zerzausten Palme schon ganz weit weg in der Karibik, wo es bald hingehen soll…
Es grüßen die Streuner