Starfish Beach
Bocas Town ist wenig reizvoll für uns, daher beschließen wir, uns etwas mehr vom Archipel anzusehen, sobald Kiras Sommercamp zu Ende ist. Unser erster Ausflug geht wenige Meilen nach Nordwesten zum Starfish Beach. Die Kids freuen sich darauf, wie der Name verspricht, viele Seesterne zu sehen.
Wir ankern nah am Strand auf sechs Metern Wassertiefe. Leider machen wir hier wieder einmal die Erfahrung, wie dumm wir Menschen sind und wie Profit stets über Naturschutz gestellt wird. Vom Strand, der auf sämtlichen Bildern weit und weiß anmutet, ist nicht viel übrig. Stattdessen brüllen große Außenborder und die Pangas, wie die einheimischen Motorboote genannt werden, rasen in nur wenigen Metern Entfernung parallel den Strand entlang, im Schlepp ein paar kreischende Kinder und Erwachsene in Reifen oder auf Schleppbananen. Und so wird Tag für Tag und Jahr für Jahr etwas mehr Strand von den Wellen der Pangas weggewaschen und Tag für Tag werden es etwas weniger Seesterne. Dafür gibt es umso mehr Fressbuden, Styroporteller, Einwegbecher, Müll und kleine Plastikseesterne „Made in China“ als Souvenir.
Es war sicher einmal wunderschön hier, wir jedoch sind enttäuscht, wie dieser Ort in wenigen Jahren so kaputt gemacht wurde. Ray, ein Freund von uns erzählt, dass vor zehn Jahren hier keine einzige Bude stand.
Wir setzen uns in unser Dinghy und fahren um die Ecke in Richtung Bocas del Drago, wo wir einen Strand vorfinden, wie wir uns ihn vorstellen: Schneeweiß, von Palmen gesäumt und klares Wasser. Den restlichen Tag verbringen wir mit baden, Palmen klettern, Kokosnüsse schlürfen und Boule spielen. Somit sind wir etwas versöhnt. Und irgendwie hat es ja auch sein Gutes, dass die meisten Menschen Herdentiere sind und sich nicht allzu weit von Pommesbuden, WiFi und kühlem Bier wegbewegen, somit bleiben wenigstens die Strände in der Umgebung natürlich und unvermüllt. Einen Tag später segeln wir zurück nach Bocas und noch ein paar Tage später machen wir uns auf, die andere Seite des Archipels zu erkunden.
Isla Solarte
Solare ist die Nachbarinsel von Isla Colon, wo sich Bocas Town befindet. Wir segeln zwischen Solare und der Insel San Cristobal, die sämtlich dicht von Mangroven bewachsen und Riffen umgeben sind, zu unserem Ankerplatz. Es ist ruhig und friedlich und außer den Gräuschen des Dschungels, dem beeindruckenden Gebrüll der Brüllaffen und einem leisen Plätschern an der Bordwand unserer ARACANGA ist nichts zu hören. Nur zwei weitere Boote liegen in der Nähe vor Anker und wie der Zufall es will ist eines davon eine Familie, die wir vor drei Jahren in Grenada getroffen haben. Die Welt ist klein. Wir grillen gemeinsam und am nächsten Tag segeln wir ein paar Meilen tiefer in den Archipel.
Dolphin Bay
Wie ein See liegt Dolphin Bay zwischen der Insel San Cristobal und einer Festlandhalbinsel. Ein paar schmale Kanäle, die sich durch ein Labyrinth an kleinen von Mangroven bewachsenen Inseln schlängeln, führen in die Bucht. Innerhalb der Lagune lebt eine Schule von etwa 80 Delfinen, was außergewöhnlich ist, denn normalerweise sind Delfine nicht standorttreu und legen weite Strecken auf dem offenen Meer zurück. Sobald wir durch einen der Mangrovenkanäle in die Lagune fahren, sehen wir die ersten Delfine, die sich jedoch nicht sonderlich für uns interessieren. Sie schauen sich uns Neuankömmlinge einmal kurz an und ziehen dann weiter. Meistens sieht man in der Ferne in der etwa drei auf eineinhalb Seemeilen großen Lagune ein paar der Tiere ihre Runden drehen.
Zunächst ankern wir vor der einzigen innerhalb der Lagune gelegenen Insel, die eine Familie mit zwei Kindern vor nicht allzu langer Zeit gekauft hat. Mit dem Dinghy fahren wir an Land und treffen Andrea und Ryan mit ihren Kids Keira und Shawn. Die Familie lebt genau wie wir auf einem Segelboot und hat sich hier in Dolphin Bay vor wenigen Monaten ihren Traum einer eigenen Insel wahr gemacht. Seitdem haben die Vier ihre Flipflops gegen hohe Gummistiefel eingetauscht und sind kräftig am werkeln: Bevor hier irgendetwas gebaut werden kann, muss zunächst einmal der Boden trockengelegt werden, denn die ganze Insel ist, an manchen Stellen mehr, an manchen Stellen weniger, sumpfig, da das Inselinnere vor nicht allzu langer Zeit illegal brandgerodet wurde und nun die Pflanzen fehlen, den Boden trocken zu halten. Es werden als fleißig Bäume gesetzt und auch ein paar Wege sind bereits angelegt, jedoch nicht etwas das, was man im europäischen Sinne als Wege verstehen würde, sondern eher schmale Pfade, in denen man etwas weniger tief einsinkt als nebenan. Auch eine Fläche, wo eine Hütte, ein Hühnerstall und ein Gemüsegarten am Entstehen sind, ist bereits trockengelegt.
Wenn Andrea und Ryan beim Grillen am Abend von ihren Plänen erzählen, einen Ort für Segler zu gestalten, mit Workshop, Bar und allem, was dazu gehört, können wir uns das richtig gut vorstellen. Nur ein Problem gilt es in den Griff zu bekommen: die Mücken und Chitras (kleine Insekten, deren Biss enorm juckt). Sobald man die Insel betritt, fallen die Tiere über einen her, das einzige was hilft sind weite, lange Klamotten und ein möglichst giftiges Insektenspray. Für die Kids ist die Insel jetzt schon ein Paradies, mit Mangroven und Palmen, um darin herum zu klettern, einem Kajak zum Paddeln und Riffen zum Schnorcheln und, wenn die Sonne untergegangen ist, einem magischen Meeresleuchten. Wenn wir abends mit dem Dinghy zurück an Bord kommen, müssen Kira und Naia noch von der Badeplattform aus kräftig mit den Füßen im magisch leuchtenden Wasser planschen. Plankton und eine bestimmte Art von hier lebenden Quallen sind für dieses Naturschauspiel verantwortlich. Bei Bewegung leuchten sie kurz auf und verursachen somit die Biolumineszenz.
Ein paar weitere Tage ankern wir noch im Süden von Dolpin Bay, besuchen dort Freunde von Ryan und Andrea, bei denen wir einen wunderbar entspannten Nachmittag auf deren Terasse mit Blick über die Bucht verbringen, dann geht es so langsam zurück in Richtung Bocas Town. Hier muss Riki noch ein paar Nähaufträge fertigstellen: Neue Außenpolster für eine große Motoryacht, einen großen Sonnenschutz für einen Katamaran, eine neue Scheibe für eine Sprayhood, neue Reisverschlüsse hier, Schattenspender dort, … wenn wir wollten, könnten wir auf Jahre hier in Bocas bleiben und gut gezahlte Näharbeiten verrichten. Aber Bocas Town ist nun wirklich nicht der Ort, an dem wir leben wollen und Bedarf an Näharbeiten gibt es überall, wo Segelboote sind. Also ziehen wir weiter
Adios Bocas
Von Bocas del Toro aus gibt es auf eine längere Strecke keine Ankermöglichkeiten. Unser Kumpel Alex, mit dem wir die vergangene Hurrikanzeit in Guatemala gemeinsam verbracht haben, ist in einem kleinen Hafen etwa 180 Seemeilen östlich von Bocas. Da wir viel Arbeit und Vorbereitung für unseren Trip nach Patagonien auf dem Zettel haben, beschließen wir, ebenso dort hin zu segeln und beide Boote gemeinsam vorzubereiten: Die Mabul für den Pazifik und unsere ARACANGA für Patagonien. Wind gibt es kaum um diese Jahreszeit, daher ist die Überfahrt sehr unspektakulär. Wir tuckern früh morgens in Bocas los und dank einer kräftigen Strömung kommen wir bereits an nächsten Vormittag in der Turtle Cay Marina an, einem kleinen Hafen mitten im Dschungel. Einmal die Woche kommt ein Pick-up voller Obst und Gemüse in die Marina und einmal die Woche ein Auto aus Panama City, das sämtliche Bestellungen bringt, von Lebensmittel über Ersatzteile bis hin zu unserer kompletten Heizung, die wir für die Fahrt in die Kälte noch einbauen müssen.
Vorbereitungen für die Kälte
Bei täglichen 35 Grad Außentemperatur denkt man normalerweise nicht an eine Heizung. Eine solche wirklich zu bestellen und einzubauen fühlt sich an, wie in der Sauna nach Handschuh und Mütze zu verlangen. Einige Monate bereits machen wir uns Gedanken über die beste Lösung, das Boot zu beheizen und wägen die verschiedenen Lösungen Dieselofen, Holzofen, Diesel-Luftluftheizung oder Diesel-Wasserheizung gegeneinander ab. Am Ende entscheiden wir uns für eine 14,5-Kilowatt-Warmwasserheizung von Autoterm, die mit Diesel betrieben wird und bestellen diese in Deutschland. In den USA haben wir leider kein vergleichbares Angebot gefunden. Die Heizung funktioniert genau wie eine Ölheizung im Haus: Wasser wird erhitzt und durch mehrere Kreisläufe an im Boot verteilte Radiatoren geleitet. Auch den Boiler für Warmwasser können wir mit ins System einbeziehen. Die Heizung ist bereits eingebaut, die Verteilung und die Radiatoren, wofür wir auf Radiatoren aus dem Automobilbau zurückgreifen, werden wir die Tage in Angriff nehmen.
Neben der Heizung ist das andere, größere Projekt für kältere Gebiete eine Türe für den Niedergang, die wir öffnen und schließen können, anstatt des bisherigen Steckschotts. Diese planen wir so, dass der Türrahmen in die Schiene des Steckschotts einfädelt und wir nichts bohren und schrauben müssen. Rahmen und Türe bauen wir aus wasserdichtem Sperrholz, weiß lackiert sieht das Ergebnis ganz passabel aus. Was uns bislang auch noch gefehlt hat (und wir in diesen Breiten auch kaum brauchen) ist ein sehr kleines und starkes Sturmsegel. Hier hat uns wieder einmal unser Partner ROLLY TASKER unter die Arme gegriffen und uns eine brandneue Sturmfock versprochen: 9 Quadratmeter groß, signalorange und aus dickem, stabilem Tuch. Vielen Dank ROLLY TASKER, wir freuen uns drauf und hoffen gleichzeitig, es möglichst wenig einsetzen zu müssen.
Nachdem die meisten Vorbereitungen getroffen sind, steht als nächstes Besuch und Urlaub auf dem Plan: Babsi (Meine Schwester), Paul und ihre drei Kids kommen für einen Monat auf die ARACANGA. Zusammen möchten wir nach Guna Yala segeln, einen Territorium, das die indigenen Guna verwalten und sich östlich von uns über 365 Inselchen bis zur Grenze Kolumbiens zieht. Wir freuen uns drauf.
Herzliche Grüße aus Turtle Cay senden wir vier ARACANGAs