Puerto Montt
Puerto Montt ist unser erster Stopp in Chile. Nach 22 Tagen auf dem Ozean tut es gut, wieder die ersten Schritte auf festem Boden zu machen, vor allem, da Patagonien seit so langer Zeit ein Traumziel von uns ist. Und wir werden nicht enttäuscht, die Menschen sind super sympathisch und hilfsbereit, die Landschaft ist spektakulär und es liegt, im Gegensatz zu so vielen anderen Ländern, die wir in den letzten Jahren bereist haben, kein Müll herum. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl.

Puerto Montt und der sogenannte „Kleine Süden“ Chiles, wie die Gegend hier genannt wird, wurde stark durch deutsche Aussiedler geprägt. Um ehrlich zu sein sind deutsche Aussiedler nicht, wonach wir auf Reisen suchen, gerade da wir nicht nur einmal die Erfahrung gemacht haben, dass diese oftmals eher fragwürdige politische oder gesellschaftliche Ansichten haben. Wenn man sich jedoch die Geschichte des „Kleinen Südens“ Chiles anschaut, befasst man sich automatisch auch mit der Geschichte der deutschen Einwanderer. Die Besiedelung durch Deutsche geht relativ weit zurück, wen man hier trifft, sind nicht die deutschen Aussiedler, sondern die Nachfahren der Nachfahren der Nachfahren der Auswanderer. Chile wurde 1818 unabhängig von Spanien, und um zu verhindern, dass andere europäische Mächte sich das spärlich besiedelte chilenische Gebiet im Süden unter den Nagel reißen, wurde 1848 ein Einwanderungsprogramm beschlossen. Gezielt gesucht wurden 150 bis 200 deutsche, katholische Bauern- und Handwerksfamilien, dazu Lehrer, Pfarrer und ein Arzt. Die Einwanderer sollten die chilenische Staatsbürgerschaft annehmen, bekamen die Überfahrt gezahlt, dazu etwa 20 Hektar Land sowie Steuerfreiheit für zwölf Jahre zugesichert. In den nächsten Jahren kamen etwa 600 Deutsche nach Chile, sie entsprachen fast alle dem Profil des gut ausgebildeten und hart arbeitenden Bauern und Handwerker, nur waren die wenigsten von ihnen katholisch. Der deutsche Einfluss ist bis heute sichtbar, ob in Ortsnamen, in der Architektur oder in der Sprache.
Letzte Vorbereitungen für den Süden

Unsere erste Anlaufstelle in Patagonien ist der Yachtclub Reloncavi. Nach der langen Überfahrt und vor allem nach den Problemen der letzten Meilen gönnen wir uns ein paar Tage in der Marina. Es sind kaum andere Fahrtensegler da, umso größer ist die Überraschung, gleich nach unserer Ankunft auf bekannte Gesichter zu stoßen. Mit Peter und Wendy, die mit ihrem Boot Pinecone unterwegs sind, haben wir uns vor knapp zwei Jahren in Kuba angefreundet, uns dann aber wieder aus den Augen verloren. Und jetzt liegen wir, genau wie in Cienfuegos, wieder im gleichen Hafen. Sie geben uns gleich ein paar gute Tipps, was wir wo bekommen, um unsere ARACANGA wieder auf Vordermann zu bringen und um die letzten Kleinigkeiten für unsere Zeit im tiefen Süden vorzubereiten. Am wichtigsten ist zunächst einmal, dass wir die explodierte Batterie und die restlichen defekten Batterien ausbauen und gegen neue ersetzen. Auch unser Inverter (der Spannungswandler von 12V DC auf 230V AC) hat bei der Explosion den Geist aufgegeben und muss ausgetauscht werden. Nur einen Vormittag später sind neue Batterien und auch gleich ein neuer Inverter gekauft, was unsere zurzeit ohnehin etwas angeschlagene Bordkasse weiter leiden lässt. Aber es hilft nichts, ohne Batterien brauchen wir nicht weitersegeln. Einen positiven Nebeneffekt hat das Ganze: Endlich sieht unser Batteriefach ordentlich aus, wir nutzen die Gelegenheit, um sämtliche Kabel schön zu verlegen, einen neuen Hauptschalter einzubauen und endlich den Batteriemonitor, den wir seit Ewigkeiten mit uns herumfahren, anzuschließen. Fertig, alles funktioniert wieder.

Die Kids freuen sich währenddessen über die vielen Kartonverpackungen der Batterien und sind fleißig dabei, daraus Lokomotiven zu basteln. Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer lassen grüßen, die Bücher von Michael Ende stehen zurzeit ganz hoch im Kurs bei Kira und Naia. Und wie in der echten Geschichte Lummerland zu klein ist und König Alfons der Viertel vor Zwölfte beschließt, dass Lukas‘ Lokomotive Emma weichen muss, so wird es auch bei uns auf der ARACANGA etwas eng, so mit zwei Lokomotiven an Bord… eine Lösung ohne dass die Tränen fließen haben wir noch nicht gefunden. Neben Lokomotive fahren stehen auch die Fahrräder hoch im Kurs, Naia und Kira genießen das Marinaleben und in jeder freien Minute wird Fahrrad- bzw. Laufrad gefahren. Das Einzige, wofür die Fahrräder stehen gelassen werden, ist der Spielplatz an der Uferpromenade in der Stadt. Und dann ist da noch Kiras 5. Geburtstag, der natürlich gefeiert werden muss. Peter und Wendy kommen vorbei, Barry vom Nachbarboot und eine einheimische Familie, die ebenso ein Boot in der Marina haben. Tagelang haben wir versucht, eine günstige Kompaktkamera für Kira zu finden, was im Zeitalter von Smartphonefotografie jedoch unmöglich ist. Sie liebt es, zu fotografieren, und was gibt es an schöneren Erinnerungen an eine Reise, als Bilder? Was wir schließlich finden, ist eine Sofortbildkamera, und Kira liebt sie.

Neben den neuen Batterien und dem Inverter benötigen wir für die kommenden Monate in Patagonien vor allem Dieselkanister samt Inhalt, um unsere neue Heizung bei Bedarf laufen lassen zu können, Abroller für die langen Landleinen, die wir in Panama gekauft haben, zur Not auch Körbe oder Säcke, in denen wir die Leinen an Deck lagern können und ein kleines und leichtes Ruderboot, um die Leinen ausbringen zu können. Unser großes Dinghy ist zu schwer und zu unhandlich dafür. Ein solches günstiges Ruderboot finden wir im Nachbarort bei einer kleinen Werft. Die Abroller bauen wir aus einem gebrochenen Spibaum und ein paar Sperrholzresten, zwei Stück für je 100 Meter 25mm Leine, die wir dann an unserer Mastreling befestigen. Wir benötigen die Leinen hier unten im Süden aus zwei Gründen: zum einen da die am besten geschützten Ankerbuchten zum Teil so eng sind, dass wir nicht frei am Anker schwingen können und zum anderen kann der Wind so stark sein, dass man gerne in einem Spinnennetz aus Leinen und Anker im hintersten Winkel der Bucht liegt. Neben den 200 Metern Schwimmleine (die ist leichter auszubringen als eine schwere Leine, die absinkt) auf den Rollen haben wir noch 200 Meter Schwimmleine in Säcken und zusätzlich nochmals etwa 200-300 Meter andere Festmacherleinen. Damit, plus unsere zwei Anker mit 85 und 60 Metern Kette, sollte das Boot gut ausgerüstet sein.

Fehlt nur noch, dass auch wir uns selbst entsprechend gegen die Kälte ausrüsten. Und somit geht einer der ersten Landausflüge auf den Klamottenmarkt und ins Bekleidungsgeschäft. Einiges haben wir schon im Voraus besorgt, einiges haben wir ohnehin an Bord, aber zusätzlich brauchen die Kinder noch warme Schuhe und Handschuhe, warme Westen und ein paar zusätzliche warme Klamotten. Für uns gibt es ebenfalls ein paar weitere warme Klamotten, dazu Schaffelle und zusätzliche Bettdecken für alle Kojen. Außerdem kaufen wir noch einen dicken Neoprenanzug, um im Notfall z.B. nach dem Anker tauchen oder eine Leine aus der Schiffsschraube schneiden zu können und um das Unterwasserschiff bei Bedarf saubermachen zu können. Fehlen noch ein paar haltbare und frische Lebensmittel und dann kann es losgehen.
Einmal Argentinien und Retour…

Leider kann es doch noch nicht so schnell losgehen. Wir rechnen etwa drei Monate, um von Puerto Montt im Norden Patagoniens bis ganz in den Süden nach Puerto Williams und Ushuaia zu segeln, allerdings sind unsere Visa nur noch einen Monat gültig. Also heißt es ab nach Argentinien. Mit dem Mietwagen, was die günstigste Alternative ist, fahren wir durch die atemberaubenden Anden, eine Landschaft aus Flüssen und Wildbächen, Seen und Tümpeln, Felsen und Bergen. Die Grenze liegt auf knapp 1.400 Metern und im ersten Ort hinter der Grenze finden wir einen minikleinen Bungalow für die Nacht. Am nächsten Tag geht es Retour über die Grenze und mit neuem 90 Tage Visum im Pass zurück nach Puerto Montt.
Die letzte Einkaufstour vor der Abfahrt geht zum Obst- und Gemüsestand um die Ecke. Hier ist gerade Hochsommer und es gibt fast alles, was das Herz begehrt. Vor allem gibt es eines, was wir seit Jahren nicht gegessen haben: Beeren, und zwar jede Menge und sämtliche Sorten, von Erdbeeren über Himbeeren, Brombeeren bis hin zu Heidelbeeren.
Und los geht’s… ein erster Versuch

Dann heißt Unterwasserschiff reinigen (dem neuen Neoprenanzug sei Dank!) Und: Leinen Los! Wir dampfen in die Vorspring ein, sehr zum Staunen der Dockarbeiter, und tuckern langsam aus dem Kanal zwischen Puerto Montt und der Insel Tenglo hinaus in die Inselwelt Patagoniens. Wie immer, wenn es losgeht, fühlt es sich super an, nach großer Freiheit. Wir motoren bei absoluter Windstille etwa drei Stunden zur Insel Puluqui, wo wir auf fünf Meter Wassertiefe den Anker setzen. Der Tidenunterschied (der Unterschied von Ebbe zu Flut) beträgt hier etwa sechs Meter, was wir gerade bei der Ansteuerung von Ankerplätzen und beim Ankern selbst immer beachten müssen, denn wenige Stunden später werden aus den fünf Metern elf Meter Wassertiefe und entsprechend dieser Wassertiefe müssen wir bemessen, wie viel Ankerkette wir rauslassen. Das Erscheinungsbild der Landschaft ändert sich in dieser Zeit auch enorm, wo eben noch ein weiter Steinstrand war ist jetzt Wasser, wo jetzt ein paar Felsspitzen zu sehen sind, wird in wenigen Stunden eine felsige Steilwand in die Höhe ragen.

Es ist kühl am nächsten Morgen und der Motor tut sich etwas schwer mit dem Starten, springt dann aber doch an. Wir fahren, wieder unter Motor, weiter zur Insel Llancahue, wo wir in einem tiefen Fjord an einer Boje festmachen. Die Landschaft ist wunderschön, der dichte Wald ragt bis zum Wasser runter und überall hört man kleine Quellen und Wasserfälle plätschern. Seelöwen sind unsere ständigen Begleiter und immer wieder sehen wir eine Schule Delfine vorbeischwimmen. Der Höhepunkt des Tages sind aber andere Tiere: Zum ersten Mal auf dieser Reise sehen wir Pinguine, zunächst nur einzelne Tiere in weiterer Entfernung, aber auf einmal springt eine ganze Gruppe Pinguine direkt neben dem Boot aus dem Wasser und jagt davon. Es sind Magellanpinguine, die wir jedoch erst weiter im Süden erwartet hätten. Die Kinder sind ganz aus dem Häuschen und stehen jubelnd an der Reling, uns geht es nicht arg anders. In den nächsten Tagen sehen wir immer wieder Pinguine, teils im Wasser schwimmend und manchmal auch an Land.

Zwei Nächte bleiben wir an unserer Boje, dann möchten wir in einen anderen Fjord fahren, wo es große Wasserfälle gibt. Der Ankerplatz ist uns für das vorhergesagte Wetter jedoch nicht sicher genug, weswegen wir nur eine Runde durch den Fjord drehen und zurück zur Ostseite von Llancahue fahren, wo wir vor Buganker und zwei Heckleinen für zwei Nächte bleiben. Der Ankerplatz ist wunderbar, nur wenige Meter hinter dem Heck ragen ein paar Felsen aus dem Wasser, von den Kids passenderweise Lummerland getauft, wo unsere Landleinen fest sind. Naia und Kira spielen auf den Felsen, lassen Boote aus Blättern und Muscheln fahren und fühlen sich wie echte Lummerländer auf ihrem kleinen Fels.

Das nächste Ziel ist ein Fjord in der Nähe, an dem es heiße Quellen gibt, jedoch soll daraus nichts werden, denn schon wieder startet unser Motor nur sehr schwerfällig. Es ist zwar kühl in der Früh, aber weiter im Süden wird es deutlich kälter sein, weswegen wir beschließen, noch einmal nach Puerto Montt zu fahren, um uns des Problemes anzunehmen und es aus der Welt zu schaffen. Wir sind nicht sicher, ob das Problem die Starterbatterie, die wir in Guatemala erneuert hatten, der Anlasser oder irgendetwas anderes ist. Puerto Montt ist der einzige Ort in der Nähe, wo wir die entsprechenden Ersatzteile und eventuell Mechaniker finden. Also Motoren wir die 50 Meilen zurück, um noch einmal ein paar Tage am Steg im Yachtclub zu liegen und das hoffentlich letzte Problem zu beheben.
Herzliche Grüße senden die vier ARACANGAs Naia, Kira, Riki und Martin

Eine spannende Geschichte aus einer phantastischen Welt – inspiriert von unseren Erlebnissen
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Nochmal hier versuchen
Hallo und viele Grüße
Wir waren seit Jahren wieder auf Madeira im Hafen wo wir 2010 euer noch Farbfrisches Bild an der Hafenmauer entdeckt hatten. Wollten nur sagen das Bild ist natürlich verwittert aber noch nicht übergemalt und noch zu erkennen
Viele Grüße von den Buschis
Hallo zusammen,
kleiner Tipp: ich hatte genau das gleiche Phänomen mit „unwilligen“ Motorstarts. Habe auch zuerst Batterie oder Anlasser vermutet. Schlussendlich war der Masseamschluss am Motor völlig korrodiert. Das hat soviel Widerstand erzeugt, dass sich die Maschine fast nicht mehr starten liess. Das wäre dann ein verhältnismässig billige Reparatur.
Liebe Grüsse aus Buenos Aires
Jan (ehemals Rare Breed
Hi Jan, danke dir für den Tipp. Ich habe bereits als eine Maßnahme sämtliche Kontakte blank geschliffen, eventuell ziehe ich auch noch neue Kabel zwischen Batterie und Starter. Ich glaube, das schlechte Startverhalten war eine Verkettung mehrerer Kleinigkeiten wie schlechte Kontakte an den Kabelschuhen, schlechte Kontakte im Starter / Magnetschalter, …, was sich im Gesamten addiert hat. Ein einzelnes, eindeutiges Problem habe ich nicht gefunden. Den Starter habe ich generalüberholen lassen, neue Lager und neuen Magnetschalter einbauen lassen. Die Batterie habe ich prüfen lassen, die ist wie neu. Morgen baue ich den Starter wieder ein, dann haben sich die Probleme hoffentlich erledigt.
Grüße, Martin