Muros ist unser letzter Ankerplatz in Galizien, bevor wir weiter nach Süden segeln. Wieder einmal sitzt uns der Herbst im Nacken und wir beschließen, Kurs auf Portugal zu setzen und ein paar etwas längere Schläge der Sonne hinterher zu segeln. Aguiera in de Ria de Muros ist ein traumhafter Ankerplatz, je nach Ebbe und Flut liegen wir auf 2,5 – 6 Meter Wassertiefe nah am Strand und genießen die sonnigen Tage abseits größerer Ortschaften.
Wenige andere Segler und ein paar Einheimische zu Fuß oder auf dem Pferd sind die einzigen Menschen am Strand. Gegenüber von Aguiera liegt die Ortschaft Muros, ein netter, zu Coronazeiten etwas ausgestorben wirkender Ort, wo wir frische Lebensmittel aufstocken, bevor wir weiterziehen und das gute Wetterfenster entlang der nordportugiesischen Küste nutzen wollen. Unsere Freunde auf den anderen Booten beschließen, die kürzere Strecke nach Bayona zu fahren und die angesagten Wellen und das schlechte Wetter dort auszusitzen. Wir möchten bis dahin in Porto sein. Es sind etwas über 100 Meilen dorthin und wir beschließen, am nächsten Nachmittag abzulegen, so dass wir einen Tag später in der Früh ankommen.
Am Abend vor unserer Abfahrt kommt ein weiteres Segelboot in den Hafen von Muros und schnell macht die Neuigkeit die Runde, dass auch sie von Orcas angegriffen wurden. Was uns etwas beunruhigt ist, dass der Angriff bei Kap Finisterre nur wenige Meilen nördlich von uns stattgefunden hat und nicht in der Nähe von La Coruna wie die letzten Male. Die Crew berichtet, dass sie gleich die Segel geborgen und das Boot zum Stillstand gebracht haben, woraufhin die Wale sofort von der Yacht abgelassen haben. Es ist der 25. registrierte Angriff von Orcas auf Yachten, mittlerweile sind wir bei Nummer 26. Nach wie vor sind die Gründe den Forschern und Biologen ein Rätsel, es gibt verschiede Theorien: Dass die Wale gestresst sind, weil sie immer weniger Futter finden. Diese Theorie klingt schlüssig für uns, denn so viele Fischernetze und -bojen wie entlang der spanischen und portugiesischen Küste haben wir bislang selten gesehen und jeder Laie muss bei diesem Anblick erkennen, dass es hier draußen ein massives Problem durch Überfischung gibt. Die zweite Theorie besagt, dass die angreifenden Wale immer nur die Jungtiere sind, die spielen und spielerisch das Kämpfen üben.
Kurs Portugal
Wir legen trotzdem mit Kurs Porto ab und beschließen, bei einer Sichtung von Orcas sofort alle Instrumente abzuschalten, denn vielleicht ist es ja das Echolot, das die Tiere anlockt, die Segel zu bergen und uns „tot“ zu stellen. Einige Delfine begleiten uns und im Gegensatz zu ihren weiß-schwarzen Verwandten freuen wir uns über ihren Besuch. Am Abend zieht der Himmel etwas zu und dicke Wolken verbreiten eine düstere Stimmung. Am Horizont sehen wir den mächtigen Blas eines Wals, der allerdings viel zu hoch und kräftig ist, um von einem Orca zu stammen. Ein paar Minuten und ein paar hundert Meter näher am Boot bläst er wieder, dann noch zwei Mal, immer etwas näher bei uns. Um was für einen Wal es sich handelt können wir nur spekulieren, dafür ist es schon zu düster und das Tier doch noch etwas zu weit weg. Doch beim letzten Blas können wir den riesigen Körper des Wals sehen, der deutlich größer als unsere Ivalu ist. Wir segeln weiter in die Nacht. Die dicken Wolken im Norden bringen glücklicherweise nur etwas Regen und keinen Starkwind mit sich und über die Nacht hinweg schläft der Wind komplett ein.
Ein Zwei Stunden dümpeln wir in der Flaute, dann beschließen wir widerwillig, den Motor anzuwerfen und nach Süden zu tuckern. Entgegen der Wettervorhersagen regt sich auch die restliche Nacht kein Lüftchen und die Maschine läuft, bis wir am nächsten Morgen durch ein Labyrinth aus Fischerbojen und Netzen in den Hafen von Porto fahren. Erst am Nachmittag legt der Wind wieder zu, dann allerdings sehr kräftig und mit hohen Wellen, womit der Wetterbericht wieder recht hat und sich unser Wetterfenster schließt. Vom Ufer aus beobachten wir, wie die Wellen sich am Strand und der Hafenmole brechen und freuen uns, das Wetterfenster für den Schlag nach Süden genutzt zu haben.
Porto
Wir sind in Portugal. Hier in Leixoes, wie der Vorort von Porto heißt, ist erst einmal Wäsche waschen angesagt. Ein kleiner Stapel von Riki, ein paar T-Shirts von Martin, ein wenig Wäsche von Peter und zwei große Säcke voll Kirawäsche. Breikost bei Welle und der unbedingte Wille, selbst zu essen und nach allem zu greifen, was in erreichbarer Nähe ist, gibt ein wunderbar undefinierbares Camouflage- Muster in sämtlichen Farbkombinationen auf den Klamotten. Eine gefühlte Tonne Stoffwindeln machen den Gang zum Waschsalon komplett. Auch wenn es viel Arbeit ist, die Stoffwindeln zu waschen, nach drei Monaten auf dem Boot haben wir doch einiges Geld für herkömmliche Windel gespart und, was viel wichtiger ist, so gut wie keinen Müll produziert. Soweit von der Windel- und Wäschefront.
Am nächsten Tag ist Sightseeing angesagt. Mit dem Bus 507, der vom Hafen direkt in die Altstadt von Porto fährt, geht es in eine dreiviertel Stunde von Leixoes in die Stadt am Douro. Gezahlt darf nur in passenden Münzen, die auf ein Tablett gelegt und vom Fahrer sofort desinfiziert werden, bevor es durch charmlose und triste Vororte in die Stadt des Portweins geht. Wir sind alle keine großen Städte- Fans und ziehen eine ruhige Ankerbucht jeder Großstadt, die sich von der nächsten Großstadt oftmals nur durch ihren Namen ändert, vor. Porto allerdings ist anders und kaum zu vergleichen.
Der Name der Stadt bedeutet übersetzt Hafen, und seit jeher und bis heute ist Porto das Handels- und Wirtschaftszentrum Portugals. Die auch als Barockstadt bezeichnete Altstadt auf der Nordseite des Douro ist komplett erhalten und die engen Gassen mit den liebevoll verzierten Häuserfassaden ziehen sich terrassenförmig vom Fluss aus den Hügel hinauf. Straßenkünstler, Musiker, Pantomimen und zahlreiche Cafés sorgen für eine tolle Atmosphäre. Auf dem Fluss sind die früher für den Portwein-Transport benutzten Rabelo-Boote verankert und an jeder Ecke werden Verköstigungen und die verschiedensten Cocktailvariationen des süßen Dessertweins angeboten. Auch wir verlassen die Stadt nicht ohne zwei Flaschen Portwein im Gepäckfach von Kiras Buggy, von denen nur eine die Weiterreise entlang der Portugiesischen Küste antritt.
Der nächste Tag steht ganz im Zeichen des Shoppingwahns. Was mit einem ganz harmlosen Ausflug zum nahegelegenen Baumarkt beginnt endet damit, dass wir wie im Rausch für jedes Crewmitglied einkaufen: Kira bekommt endlich ihre Schaukel, die wir schon seit der Abreise suchen und sie liebt sie. Für Peter, naja eigentlich für die ganze Crew, gibt es ein Klappfahrrad, Riki bekommt einen neuen Bikini und Martin eine Harpune.
Und bevor jemand sagt, sich einerseits über die Überfischung beschweren und dann eine Harpune kaufen ist scheinheilig, hier noch ein ganz kurzer Absatz dazu: Wenn wir fischen, dann einen Fisch zum Eigenverbrauch. Wir produzieren keinen Beifang, keine Geisternetze der ähnliches. Und genauso ist es mit der Harpune. Seit meiner Weltumsegelung 2010 – 2013, die über weite Strecken im Zeichen von Plastikmüll, Überfischung und Co gestanden ist, haben wir keine einzige Dose Thunfisch gekauft, egal wie sehr wir ihn mögen.
Wir planen, am nächsten Morgen abzulegen und die 170 Meilen von Porto nach Lissabon zu segeln. Am Vorabend kommt die On y va in Porto an und macht am freien Platz neben uns fest, was auch der Grund dafür ist, warum nur eine der beiden Flaschen Portwein am Tag darauf mit uns ablegt. Die Wiedersehensfreude über das unvorhergesehene Treffen ist groß und da wir uns in Muros nicht wirklich verabschieden konnten, tun wir das hier in Leixoes. Wir wünschen Euch, Samuel, Sara, Elia und Levi, weiterhin einen tollen Segeltörn, wohin es euch auch verschlägt, und freuen uns, euch wieder zu sehen, wann und wo auch immer!
Weiter nach Süden
Am Tag darauf gegen 11 Uhr geht es dann los. Im Hafen noch setzen wir das Großsegel und bei super Wind rauschen wir mit knapp sieben Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit die portugiesische Küste entlang. In der Nacht lässt der Wind etwas nach, bleibt aber konstant und stark genug, um weiterhin gut voran zu kommen. Die Nachtwachen handhaben wir wie bisher, Peter von 19 bis 2 Uhr und Martin von 2 bis 9 Uhr morgens. Riki hat noch den Luxus, sich um Kira zu kümmern, die nicht nur tagsüber einen gesegneten Appetit hat. Oder haben wir den Luxus, währenddessen draußen sitzen zu dürfen? Am Ende der Nacht ist keiner wirklich ausgeschlafen, außer Kira, die mit Grimassen- und Lachanfällen die müde Crew unterhält. „Warum eigentlich Lissabon? Wollen wir bei dem super Wetter nicht gleich bis in Algarve durchziehen?“ Lissabon ist der Corona-Hotspot Portugals und im Gegensatz zu Spanien, wo das ganze Land als Risikogebiet eingestuft ist, ist es in einer Großstadt schwer, Menschenansammlungen zu meiden. „Ja, warum eigentlich nicht?“
Die Windvorhersage sieht tip-top aus und wir schaffen die zusätzlichen 130 Meilen rechtzeitig bevor die nächste Schlechtwetterfront durchzieht. An Backbord sehen wir die berühmte Hängebrücke über die Flussmündung des Tejo vorbeiziehen, als wir Kurs auf das Kap Sao Vicente, die Südwestspitze Portugals, absetzen und der Wind langsam von 15 auf 20 Knoten zunimmt. Peter steht in der Pantry und zaubert ein „Zehn Knoten Curry“, während der Wind weiter zunimmt und die Bootsgeschwindigkeit regelmäßig in den zweistelligen Knotenbereich klettert. Um 19 Uhr beginnt wieder einmal die Nachtschicht, wobei die erste Unterbrechung zum Segel reffen nicht lange auf sich warten lässt. Der Wind weht mit zwischen 25 und 30 Knoten direkt von hinten und die Wellen werden höher. Nur unter gerefftem Groß segeln wir weiter mit konstanten acht Knoten Geschwindigkeit. Um 2 Uhr morgens ist Wachwechsel, mittlerweile hat der Wind wieder etwas nachgelassen, und die nächsten Stunden werden bei permanent schwächer werdendem Wind sämtliche Variationen der Besegelung durchprobiert: Gerefftes Groß; Gerefftes Groß plus Fock; Groß plus Fock; Groß plus Fock plus Genua; Groß plus Genua.
Angekommen in der Algarve
Zum Sonnenaufgang sind wir direkt beim Kap Sao Vicente und der Wind ist weg. Die letzten wenigen Meilen tuckern wir entlang der beeindruckenden Steilküste bei flachem Wasser durch – wie könnte es anders sein – ein Labyrinth von Fischernetzen nach Lagos und dort in den im Fluss gelegenen Hafen. Hier bleiben wir zwei, drei Nächte, bis der für die nächsten Tage vorhergesagte Starkwind durch ist und wir uns dann ein paar schöne Ankerplätze suchen.
Es grüßen die Finkis von klein bis groß: Kira, Riki, Martin und Peter
Hallo Rikki und Martin,
ein toller Reisebericht. Wir haben in unserer Elternzeit auch Portugal und Galizien bereist. Allerdings per Auto 🙂
Hier sind unsere Erfahrungen und Bilder:
https://www.portugal-reiseinfo.de/porto/porto-reisefuehrer/