Segeln im Englischen Kanal – von Rotterdam nach Cherbourg

Endlich wieder Segeln! Über den Europort, Europas größten Hafen, fahren wir aus Rotterdam in die Nordsee und segeln im Englischen Kanal in Richtung Cherbourg. Los geht’s! Wir melden uns über Funk auf Kanal 3 bei „Maas Entrance“ an, die den Schiffsverkehr im Mündungsgebiet der Maas, der die Zufahrt nach Rotterdam ist, überwachen.

Der Europort ist Europas größter Hafen
Vorbei am Europort geht es in Richtung Nordsee

„Maas Entrance, this is sailing vessel Ivalu“
„Ivalu, this is Maas Entrance“
„We are heading out and want to cross to South-West“
„Okay, stand by Channel 3 and wait for further instructions“
„Thank you. Stand by Channel 3“

Unser AIS – das ewige Leid

Dank unseres AIS kann Maas Entrance und alle anderen Schiffe unsere Position sehen und – wenn alles so funktionieren würde wie es sollte – weiterhin verfolgen. Genau zum Zeitpunkt des Funkspruchs ist jedoch unser AIS mal wieder ausgefallen und wir ohne Positionsmeldungen zu senden oder zu empfangen unterwegs. Mist, gerade im Europort und im Englischen Kanal ist das AIS besonders sinnvoll, da dort so viel Verkehr herrscht. Maas Entrance sieht uns jedoch auf dem Radar und gibt kurze Zeit später grünes Licht, die Schifffahrtsstraße zu queren. Der Wind weht sehr schwach aus Ost und reicht nicht aus, unser Segel zu füllen, weswegen wir noch ein paar Meilen unter Maschine tuckern und uns parallel dem AIS widmen, sämtliche Leitungen durchmessen und es an den Laptop zur Diagnose hängen. „No Voltage“ – „Keine Spannung“ ist die Antwort. Da die Leitungen jedoch Spannung bis zum Gerät liefern, ist der Fehler im AIS selbst und auch Raymarine kann uns am Telefon per Ferndiagnose leider nicht helfen. Also beschließen wir, unser altes AIS wieder anzuschließen, um wenigstens die Positionen der anderen Schiffe zu empfangen.

Segeln im Englischen Kanal

Ein Tanker im Dunst
Die Sicht ist mäßig – immer wieder tauchen Schiffe aus dem Dunst auf

Kurz darauf legt auch der Wind etwas zu und wir können bei dunstigem Wetter und mäßiger Sicht unter Segel entlang der holländischen Küste fahren. In der ersten Nachthälfte – Peter und Jochem haben die erste Wache – segeln wir zwischen der belgischen Küste und einem riesigen Offshore Windpark und rings um uns blinkt und leuchtet es wie bei einer Lasershow. Im Gleichtakt blitzen die roten Warnleuchten der Windräder auf. Die unzähligen Schiffe, die ihre Bahnen um uns ziehen, sind schwer zu erkennen und nicht jedes der Schiffe ist auf dem AIS zu sehen, weswegen wir besonders aufmerksam Wache gehen. An Backbord liegen die Hafenzufahrten von Antwerpen, Zeebrügge und Oostende, an Steuerbord die Ankerlieger und zwischen Ankerfeld, Verkehrstrennungsgebiet und Hafen herrscht ein reger Verkehr. Unter die vielen Frachter und Tanker mischen sich zwei große Saugbagger, die die Hafenzufahrten ausbaggern und einige Fischerboote, die wenn sie nicht gerade mit dem Ausbringen und Einholen ihrer Netze beschäftigt sind, auch sonst nicht viel Rücksicht auf andere Boote nehmen. Ein Wunder, dass sie überhaupt noch etwas aus dem Meer ziehen, bei dem ständigen Grundrauschen der Schiffsdiesel, der Verschmutzung von Luft und Wasser und der schieren Menge der Fischerboote.

Windfahne und Sonnenaufgang
Sonnenaufgang auf der Nordsee und kein Schiff in Sicht

Um 23 Uhr endet die Wache von Peter und Jochem und die nächsten drei Stunden sind Riki und ich (Martin) eingeteilt. Da Kira, unser kleinstes Crewmitglied, sich erst einmal an die Segelei und die damit einhergehenden Schiffsbewegungen gewöhnen muss, bleibt Riki bei ihr in der Koje. Die Wache geht von 23.00 bis 02.00 Uhr morgens und beim nächsten Wachwechsel liegt der Windpark achteraus und die zweite Nachthälfte – Peter und Jochem von 2.00 bis 5.00 Uhr und ich ab 05.00 Uhr – ist wesentlich entspannter. Der zweite Tag bringt schönen Wind von achtern und herrliches Segelwetter. Mit durchgehend sieben bis acht Knoten rauscht die Ivalu dahin bis zum Sonnenuntergang und von 19.00 bis 23.00 Uhr ist die erste Nachtwache für Peter und Jochem angesagt. Auf See verlängern wir die Nacht von 12 auf 14 Stunden, so dass jeder sieben Stunden Schlaf bekommt. Die Sonnenuntergangs- und Sonnenaufgangswache hat jeweils vier Stunden, die Wachen in der Nacht je drei Stunden. Eine halbe Stunde nach dem Beginn der Nachtwache legt sich das Boot weit nach Steuerbord über und die Reling wird ins Wasser gedrückt. Das Großsegel hängt im Bullenstander – die Leine die das unkontrollierte Umschlagen des Baumes verhindert – und die Genua steht back, hat also ebenfalls den Wind aus der falschen Richtung. Raus aus der Koje und ins Cockpit, wo ein verdutzter Jochem mit großen Augen am Ruder steht. „Was ist passiert?“ Eine Gewitterböe ist eingefallen und hat das Boot herumgedrückt. Also Schoten los, Vorsegel Weg und Großsegel auf die andere Seite. Dann setzen wir anstatt der großen Genua die Backstagen und die kleinere Fock und reffen das Groß. Der Wind hat mittlerweile zugenommen und unsere Rauschefahrt vor dem Wind wird zum mühsamen aufkreuzen gegen den Wind. Mittlerweile ist es 21.00 Uhr und zwei von vier Stunden Schlaf sind vorbei. In den nächsten Stunden dreht der Wind zurück und lässt wieder nach, so dass ich um Mitternacht das Groß ausreffen und die Genua wieder setzen kann. Leider lässt der Wind noch weiter nach und die Segelei wird mehr und mehr zur Dümpelei. Der Wind pendelt sich irgendwo zwischen 5 und 10 Knoten ein und der nächste Tag ist eher zäh.

Cherbourg in Sicht

Segeln im Englischen Kanal bei schönstem Wetter
Wunderbares Segelwetter

In der dritten Nacht können wir den Leuchtturm Barfleur und die Lichter von Cherbourg deutlich erkennen und als der Wind uns schließlich ganz verlässt und der Tidenstrom mit zwei Knoten gegen uns drückt, motoren wir die letzten Meilen in den Hafen. Nachtansteuerungen sind immer spannend. Jeder Leuchtturm und jede Tonne hat seine eigene Kennung, Barfleur zum Beispiel blitzt zwei Mal alle zehn Sekunden. Entlang der Nordküste folgen weitere Leuchtfeuer, bis schließlich die Ansteuerungstonnen vom Hafen Cherbourg in Sicht kommen. Der Hafen ist riesig und seit jeher ein bedeutender und umkämpfter Seehafen. Er hat innerhalb der massiven Festungsanlagen die größte künstliche Reede der Welt. Auf die Reede folgt wiederum ein großer Vorhafen mit dem Militärhafen und noch weiter innen ein Yachthafen mit 1.600 Liegeplätzen. Kurz vor Sonnenaufgang machen wir im Hafen fest. Ein paar Tage wollen wir bleiben, unser AIS wieder in gang bringen und dann weiter in Richtung Brest segeln. Das Wetter sieht im Moment allerdings nicht nach weitersegeln aus, ein Tief nach dem anderen zieht durch den englischen Kanal und beschert uns kräftige Westwinde. Also warten wir ab, bleiben ein paar Tage länger in Cherbourg, streichen den ein oder anderen Punkt von der To-Do-Liste und genießen die Zeit hier.

Kira auf ihrem Lieblingsplatz
Angekommen in Cherbourg. Kira an ihrem neuen Lieblingsplatz zwischen Leinen und Winschkurbeln

Das AIS bekommen wir übrigens gleich am nächsten Tag kostenlos ersetzt und der sehr sympathische und kompetente Herr im hiesigen Laden meint, dass das ein bekanntes Problem sei bei AIS-Geräten, die einen Splitter mit verbaut haben. „Ich habe noch drei Geräte verschiedener Hersteller mit dem gleichen Problem hier liegen“, sagt er und rät uns, eine separate Antenne für das AIS zu nutzen. Das neue Gerät ist eingebaut, die separate Antenne auf dem Geräteträger installiert und alles funktioniert wieder. Hoffentlich diesmal länger als die letzten beiden Geräte…

So, das reicht für heute. Über Cherbourg gibt es einen separaten Artikel die Tage.

Viele liebe Grüße von Bord!

Die Ivalucrew

3 Kommentare

  1. Wir grüßen Euch und freuen uns diese Grüße wie in alten Zeiten an die Ivalu zu senden. Mit dem neuen Gerät wünschen wir Euch mehr Glück. Aber Bootselektronik— irgend was ist immer.
    Viele liebe Grüße von den Buschis

  2. Toller Törn, würde ich mitfahren

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