Das Zuckerfest oder Korite wie es hier genannt wird, ist die Feier zum Ende des Fastenmonats Ramadan. Es wird viel zu viel gegessen, geschlemmt und genossen, es gibt massenweise Süßigkeiten, Limonade und Torten. Aber ist das wirklich so? In vielen Teilen der Welt wahrscheinlich schon, aber längst nicht überall. Gambia zählt nicht gerade zu den wohlhabenden Ländern der Welt, wenn man nach dem UN-Wohlstandsindex geht, dann steht Gambia auf Platz 174 von 189 indexierten Ländern (Stand 2017). Da ist bei den meisten Familien auch zum Zuckerfest kein riesiges Gelage mit zig Gängen und Nachspeisen drin, sondern es gibt eine große Schale Reis mit Gemüse und zur Feier des Tages etwas Rindfleisch dazu. Trotzdem ist der Tag ein wunderschönes Fest im Kreise der Familien und Freunde.
Das Zuckerfest
Ich feiere das Zuckerfest mit Gee und seiner Familie. Am Morgen geht es zusammen zum Fußballfeld, wo sich das ganze Dorf zum gemeinsamen Gebet versammelt und es kein Problem ist, dass ich am Rand stehe und zusehe und fotografiere. Die Kinder tragen ihre besten Klamotten und wer es sich leisten kann, der lässt sich vor dem Fest beim Schneider ein neues Outfit anfertigen. Alle sind traditionell gekleidet und ich habe von Gee für den Tag ein hellblaues, afrikanisches Gewand bekommen. Im Anschluss an das Gebet wird der Tag im Kreis der Familien verbracht. Gemeint ist allerdings nicht Vater, Mutter, Kind sondern die ganze Familie mit Onkel und Tanten, Neffen und Nichten und Omas und Opas, die nicht nur das Zuckerfest gemeinsam feiern, sondern auch den Rest des Jahres zusammen leben. Wir sitzen im Schatten, trinken gesüßten, grünen Tee und jeder freut sich auf die lang ersehnte Mahlzeit. Es gibt „Domoda“, Reis mit Erdnusssauce, Gemüse und Rindfleisch. Gegessen wird in der Hocke mit der rechten Hand aus einer großen Schüssel, die in der Mitte auf dem Boden steht.
Es gibt eine Schale für die Kinder, eine für die Männer und eine für die Frauen und es schmeckt, wie jedes Mal wenn ich bei Gees Familie eingeladen bis, wahnsinnig gut. Ich steuere zwei Kisten Limonade bei, worüber sich nicht nur die Kinder besonders freuen. Nach dem Essen kommen verschiedene Nachbarn und Freunde zu Besuch, es gibt mehr Tee und Gee packt stolz seine neue Kaffeemaschine und Milchschäumer aus, die er sich gewünscht hat, dass wir ihm aus Deutschland mitbringen. Die Kinder spielen Fußball und am späteren Nachmittag ziehen sie von Haus zu Haus und fragen nach „Salibu“ (Kleingeld oder Süßigkeiten). Am frühen Abend mache ich mich auf den Rückweg zur Lamin Lodge, wo die „aracanga“ auf mich wartet. Da ich jedoch gefühlt jeden Zweiten hier mittlerweile kenne oder besser gesagt jeder Zweite mich kennt, kann ich keine hundert Meter laufen, ohne mit einem „Happy Koriteh“ irgendwo zum Tee eingeladen zu werden. Somit dauert der Heimweg an diesem Tag etwas länger und ein paar Stunden später und einige „Salibus“ ärmer falle ich am Abend glücklich und erschöpft in die Koje.
Trikots und Fußbälle
Der Fastenmonat Ramadan und das Zuckerfest sind vorbei und so langsam stellt sich auf den Straßen wieder ein gewisser Alltag ein. Das Dorf wirkt nicht mehr wie ausgestorben, die Geschäfte haben alle geöffnet und da die Woche nach dem Fest schulfrei ist, wird an jeder Ecke Fußball gespielt. Wer das hier liest und selbst vor hat, nach Gambia zu segeln: Das schönste Gastgeschenk für die Kids sind Fußbälle, mit einem Ball kann man ein ganzes Viertel, ein Dorf oder eine Schule glücklich machen.
Von unserem Heimaturlaub haben wir nicht nur einige Bälle, sondern auch einen Satz Trikots (Vielen Dank an dieser Stelle an den FC Stoffen) und eine ganze Umzugskiste voller Fußballschuhe mitgebracht, außerdem mehrere Kisten Klamotten, Schuhe, Schulmaterialien etc. Einen Teil dieser Mitbringsel habe ich in den letzten zwei Wochen bereits verteilt, somit gingen zwei der Bälle an die Kids, die jeden Tag auf der Straße mit leeren Blechdosen kicken, einige Schuhe und T-Shirts an verschiedene Familien aus Lamin und Umgebung, die Medikamente an das Krankenhaus und die Trikots, Fußballschuhe und ein Ball an die Jugend des hiesigen Fußballclubs. Fünfzehn der Jungs durften die Trikots gleich mal probetragen und für ein Mannschaftsfoto posieren, was man auf dem Bild allerdings nicht sieht sind die etwa hundert anderen Kinder, die hinter der Kamera stehen, laut singen, klatschen und tanzen und sich riesig über den neuen Ball freuen.
Ein fettes Dankeschön geht an dieser Stelle an Alle, die uns bei unserer kleinen Aktion geholfen, gespendet und angepackt haben, und ganz besonders an Ben und die Crew von Omegon für die Logistik und den Versand mehrerer großer Kisten von Deutschland nach Gambia.
Eine Boje für die „aracanga“
Die Zeit vergeht wie im Flug und die letzten beiden Wochen hier in Lamin waren alles Andere als langweilig. Neben den vielen, schönen Tagen mit den Kindern und Familien im Dorf tut sich auch an Bord ein bisschen was. Die Morgen und Abende, wenn das Thermometer unter 35 Grad ist, nutze ich um die „aracanga“ fit für die Regenzeit zu machen.
Das Wichtigste dabei ist, dass das Boot sicher liegt, denn in den Sommermonaten können hier kräftige Stürme auftreten. Die letzten Wochen lag die „aracanga“ vor Anker, während wir allerdings ab Juli für ein paar Monate zurück in Deutschland sein werden, soll das Boot an einer Boje hängen. Einen Bojenstein aus zwei mit Beton gefüllten Stahlfässern mit etwa einer Tonne Gewicht macht Gee schnell ausfindig für uns, nur ist dieser viel zu nahe an einem anderen Boot und muss einige Meter verschoben werden. Also fahren wir die „aracanga“ bei Springniedrigwasser über den Bojenstein, befestigen diesen möglichst kurz mit zwei starken Leinen auf den beiden Mittelklampen und warten auf die Flut. Etwa drei Stunden später liegt unser Boot deutlich tiefer im Wasser und die beiden Fässer sind frei vom Grund. Wir platzieren sie auf etwa drei Meter Wassertiefe so, dass wir bei einem eventuellen Sommersturm im Windschatten der Mangroven liegen. Voilà, fertig ist die Boje und Boot und Crew sind glücklich über den neuen Liegeplatz für den Sommer.
Next Stopp: Bombale
Kommende Woche werde ich mit den restlichen Taschen voll mit Kinderkleidung und Schulmaterialien mit dem Bus in das Dorf Bombale fahren, das etwa 200 Kilometer flussaufwärts liegt. Dort sollte mittlerweile kräftig am Brunnen für die Schule gearbeitet werden. Die erste Hälfte des Geldes für den Brunnenbau ist bereits bei der Schule eingetroffen und wir haben mit dem Direktor der Schule abgemacht, dass wir den Rest des Geldes überweisen, sobald sämtliche vorbereitenden Sanierungsarbeiten abgeschlossen sind.
Danach werden von einer auf den Brunnenbau spezialisierten Firma eine elektrische Pumpe, Filter, ein 2.000 Liter Vorratsbehälter sowie Leitungen und Zapfhähne installiert, so dass die Schüler in naher Zukunft mit Trinkwasser versorgt werden können und genügend Wasser für einen Gemüsegarten zur Verfügung steht. Der Vorratsbehälter ist notwendig, da die Stromversorgung gerade in den ländlichen Gebieten sehr instabil ist. In einem älteren Artikel habe ich geschrieben, dass die Schule nicht ans Stromnetz angeschlossen ist, was auch stimmt. Die benachbarte Unterkunft der Lehrkräfte hängt allerdings bereits am Netz und der Strom für den Brunnen wird von dort entnommen werden. Daumen drücken, dass schon bald das Wasser aus den Zapfhähnen sprudeln wird.
Es grüßt aus Gambia die „aracanga“
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
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Die besten Klamotten werden wohl durch die Kinderkleidung Spende aufgewertet werden. Wenn man so etwas an Bedürftige weitergibt, ist es immer ein Spektakel zuzusehen, wie sie sich freuen – das ist oft wirksamer als Geld spenden.