Ölwechsel, Diesel und Wasser bunkern, ausklarieren. Unsere Zeit in St. Martin ist vorbei und wir sind nicht traurig darüber. Das nächstes Ziel heißt Dominikanische Republik. Es ist gleichzeitig das Ende unserer Zeit in den kleinen Antillen und der Auftakt in die spanisch sprechenden großen Antillen und Lateinamerika. Wir sind zwar bereits am Spanisch lernen, jedoch werden uns die kommenden Inseln und Länder deutlich mehr abverlangen als die englisch- und französisch sprechenden kleinen Antillen.
Willkommen an Bord, Kai
Für die Überfahrt sind wir zu fünft an Bord. In St. Martin stolpern wir über eine Anzeige „Boot in Richtung Dominikanische Republik oder Kuba gesucht“. Wir sind zwar nicht aktiv auf der Suche nach Crew, aber der Post klingt sympathisch und die Richtung stimmt auch. Also schreiben wir zurück und ein paar Tage später lernen wir Kai kennen, der mit Sack und Gitarre bei uns einzieht. Er ist vor etwa einem halben Jahr in seiner Heimat im Münsterland losgetrampt und mit Auto und Boot via Gibraltar und den Kanaren in der Karibik gelandet. Weiter soll die Reise via Mittelamerika nach Südamerika gehen. Mehr von und über unseren äußerst sympathischen Mitsegler gibt es auf seinem Blog www.pinchekai.com.
Übrigens, kurze Eigenwerbung ;-): Kai hat während der Überfahrt mein Buch “Elmo und das geraubte Blau” gelesen und mir freundlicherweise danach folgende Rezension zukommen lassen:
“Ich habe da Buch beim Segeln verschlungen, absolute Leseempfehlung für Jung & Alt. Elmo ist nicht nur eine spannende Geschichte voller wunderbarer Einfälle, Begegnungen und Fabelwesen, sondern spricht viele relevante Themen unserer Gesellschaft wie Klimawandel, Artensterben und Migration an. Das schafft Martin ohne Fingerzeig oder Anklage, er bildet Probleme einfach und anschaulich ab.”
Kai Echlmeyer
Wasser und Diesel bunkern
Der erste Stopp ist die Tankstelle, um unseren Diesel- und vor allem die Wassertanks zu füllen. Normalerweise sorgen Regenwasser und unser Wassermacher für volle Tanks, jedoch hat es seit längerem kaum geregnet und der Wassermacher ist zur Zeit defekt, die passenden Ersatzteile konnten wir noch nicht bekommen. Außerdem wissen wir nicht, wie die Versorgung und Qualität von Diesel in der Dominikanischen Republik und Cuba ist, daher machen wir vorsichtshalber mal alles voll. Die Tankstelle liegt im Kanal zur Lagune von St. Martin. Ungünstigerweise steht der Restschwell der letzten Tage genau in den Kanal und macht den Tankstopp zu einer grenzwertig ruckeligen Angelegenheit. Heftig reißt die ARACANGA an den Festmacherleinen, so dass wir des Öfteren befürchten, die Poller aus dem Steg oder die Klampen aus dem Boot zu reißen. Wir legen die wichtigen Leinen doppelt und zusätzliche Springleinen. Abgesehen von einer verbogenen Klüse legen wir eine gute Tonne schwerer unbeschadet wieder ab, drehen im engen Kanal das Boot um 180 Grad und los geht es: Kurs Dominikanische Republik.
Kurs Dominikanische Republik
Der Wetterbericht verspricht etwa 15 Knoten Wind aus östlichen Richtungen und wenig Welle – Traumbedingungen. Es ist 14.30 Uhr. Segel hoch, Maschine abgestellt und mit sechs bis acht Knoten auf der Logge segeln wir den ersten halben Tag mit Kurs Nord-West, bis wir die britischen Jungferninseln (BVIs) an Backbord haben. Wir haben uns gegen einen Stopp hier entschieden, da wir ähnliche Inseln, jedoch deutlich verlassener, in Kürze anderswo finden werden. Kai übernimmt die erste Nachtwache von 20.00 bis 02.00 Uhr, die zweite Nachthälfte bis 08.00 Uhr morgens übernehme dann ich. Riki hat die „Kinderwache“, die, solange Naia noch gestillt wird und auch sonst einen recht unruhigen Schlaf hat, nicht minder anstrengend ist.
Wir segeln nördlich der BVIs vorbei und gehen dann auf einen Kurs West mit Wind direkt von hinten. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit fällt bei dem Vorwind-Kurs und abnehmendem Wind um etwa eineinhalb auf fünfeinhalb Knoten. Für die Überfahrt von 380 Seemeilen (700 Kilometer) benötigen wir knapp über drei Tage. Erst in der Meerenge zwischen Puerto Rico und der Dominikanischen Republik, der Mona-Passage, sehen wir unser erstes Schiff seit der Abfahrt von St. Martin, das uns jedoch in einigen Meilen Abstand passiert. Mit der Ansteuerung der Dominikanischen Republik nimmt der Wind stetig ab, bis wir etwa 20 Meilen vor unserem Ziel Samana in der Flaute dümpeln. Um noch bei Tageslicht anzukommen müssen wir irgendwann widerwillig die Maschine starten, die zwar wie gewohnt sofort anspringt, jedoch kein Kühlwasser liefert. Also Motor gleich wieder aus und Fehlersuche: Das Kühlwasser wird von einer Impellerpumpe gefördert, in so einem Fall ist ein kaputter Impeller die wahrscheinlichste Fehlerquelle. Also Impellergehäuse auf und Impeller gewechselt, jeder Laie sieht, dass unser Impeller die besten Tage hinter sich hat.
Maschine wieder an, Kühlwasser kommt und mit 1500 Motorumdrehungen und fünfeinhalb Knoten Geschwindigkeit motoren wir in die große, nach Osten geöffnete Bucht von Samana. Zwischen Januar und März sammeln sich hier tausende von Buckelwalen, um im warmen Wasser ihren Nachwuchs zu gebären, zu säugen und für neuen Nachwuchs zu sorgen, bevor sie wieder in kühlere und nährstoffreichere Gewässer ziehen. Entsprechend gespannt stehen wir an Deck und suchen mit Ferngläsern und bloßen Augen die Wasseroberfläche und den Horizont ab, um vielleicht ein paar Wale auftauchen oder springen zu sehen.
„Und, schon was gesehen?“, frägt Riki.
„Nein“
„Da springt doch einer.“
Riki entdeckt mit dem ersten Blick gleich einen der Meeressäuger, wie er fast komplett aus dem Wasser kommt und sich auf die Seite fallen lässt. Kurz darauf noch einmal dasselbe Schauspiel. Der Wal ist zwar weit entfernt, jedoch trotzdem ziemlich beeindruckend. Leider bleibt es bei diesen beiden Sprüngen, auf dem restlichen Weg durch die Bucht bis zu unserem Ziel Santa Barbara de Samana bleiben uns die Wale leider verborgen. Gegen 16.00 Uhr fahren wir zwischen dem „Festland“ und dem mit der vorgelagerten Insel verbundenen Riff in die Bucht von Santa Barbara und lassen den Anker auf sechs Meter Wassertiefe fallen. Angekommen.
Kids an Bord
Es war die seit unserer Atlantiküberquerung bislang längste Überfahrt und für Naia die längste überhaupt. Unser Fazit: Segeln mit kleinen Kindern ist sehr gut möglich und bei guter Vorbereitung auch relativ unkompliziert. Genau wie wir Erwachsene fallen auch die Kids in eine Art Bordroutine und Duplo, Bücher und Hörspiele sowie für Kira buntes Papier, Schere, Stifte, Kleber und Stempel sind ein guter Zeitvertreib. Besonders bewährt haben sich Tonibox und Tiptoi-Bücher, mit denen sich Kira in ihre neue Chillecke unter der Sprayhood verkriecht und sich längere Zeit selbst beschäftigt. Am Abend, bevor es Zähneputzen und Koje heißt, werden noch Mond und Sterne gekuckt und wie die Großen ein bisschen „Nachtwache“ gehalten. „Keine anderen Boote da, Papa. Gute Nacht Mond, gute Nacht Sterne.“ Naia ist natürlich altersbedingt noch etwas anstrengender, da sie am liebsten genauso mobil wie Kira unterwegs wäre. Sie kann zwar mittlerweile alleine an jeden Punkt an Bord klettern, kommt den Niedergang hoch und runter und auch auf den hohen Aufbau über dem Salonrauf und wieder zurück nach unten, jedoch fehlt es hier und da noch an der nötigen Trittsicherheit. Bei Überfahrten ist der Bereich außerhalb des Cockpits für die Kinder tabu, lediglich bei flachem Wasser und wenig Wind darf Kira gemeinsam mit einem von uns nach vorne gehen. Für den Bord- und vor allem Überfahrtsalltag haben sich außerdem ein Kinderstuhl mit Tisch, den wir im Cockpit anbinden, eine mit Wasser gefüllte Spülschüssel als Badewanne im Cockpit, Teller mit Saugnapf, die auch bei Schräglage nicht vom Tisch rutschen oder einfach mal die große Duplokiste im Cockpit bewährt. Besonders angenehm speziell dieser Überfahrt war natürlich die Tatsache, dass wir drei Erwachsene an Bord waren und somit immer jemand zum spielen und blödeln verfügbar war. An dieser Stelle nochmals ein dickes Dankeschön an Dich, Kai, jederzeit wieder gerne.
Bienvenido. Willkommen in der Dominikanischen Republik
16.00 Uhr. Der Anker hält und wie schon so oft in den letzten drei Jahren ankert ein uns wohlbekanntes gelbes Boot mit dem Namen Irmi nebenan. Thomas kommt auch gleich rüber zu uns zum gemeinsamen und wohlverdienten Ankerbier. Eine durchgeschlafene Nacht später heißt es dann einklarieren, was sich vergleichsweise aufwendig, jedoch äußerst freundlich gestaltet. Zunächst melden wir uns bei der Armada an, Kopien der Schiffspapiere und Pässe gehen über den Schreibtisch und Bilder vom Boot werden hochoffiziell per Whatsapp an die sympathische Dame in Uniform geschickt. Dann werden wir zur Immigration geschickt, wo abermals Kopien gemacht und umständlich Daten in Computer getippt werden, die wir eigentlich ja schon vier Tage vorher online übermittelt haben. Es lebe die Bürokratie, hier in der Dominikanischen Republik ganz besonders. Es dauert zwar lange, die drei sympathischen Beamten jedoch machen die Zeit kurzweilig und lachen viel über Kiras Bewegungsdrang nach drei Tagen Überfahrt und Naias Gehversuche. Fünf Stempel in fünf Pässen und eine Quittung über 60 US$ später werden wir zur Port Authority für unser Cruising Permit und anschließend zum Zoll für weitere Papierkriege samt fünf Durchschlägen geschickt.
Bienvenido. Willkommen in der Dominikanischen Republik. Den Abend verbringen wir auf dem Spielplatz, wo Kira ihren Bewegungsdrang bis zur völligen Müdigkeit auslebt. Zurück zum Boot, Sundowner, Koje, Buenas noches.
Schon jetzt lieben wir die Dominikanische Republik und freuen uns auf die kommenden Wochen. Herzliche Grüße senden die ARACANGAs