Belize – Providencia: 900 Meilen am Wind

Die letzten Tage in Belize

Seit mehreren Monaten machen wir uns Gedanken, wie wir wohl am besten von Guatemala und Belize aus nach Osten segeln und beobachten das Wetter. Unser Ziel ist die kolumbianischen Insel Providencia. Es gibt zwei Optionen: Entweder wir warten lange genug und haben Glück, ein Wetterfenster mit Wind aus westlichen Richtungen zu bekommen, was jedoch sehr unwahrscheinlich ist, oder wir wählen die Augen-zu-und-durch-Taktik, bis östlich Nicaraguas zu kreuzen und ruppige Tage gegen Wind und Welle in Kauf zu nehmen. Seit unser Boot nach dem Refit in Guatemala wieder schwimmt, war weit und breit kein Wetterfenster mit westlichen Winden in Sicht. Zwar wird die Chance auf Westwind gegen Ende der Segelsaison (Juni) größer, allerdings steigt auch das Risiko, unterwegs vermehrt auf Gewitter und Squalls (schnell ziehendes, lokales Tiefdruckgebiet) zu treffen.

Unsere geplante Route von Belize nach Providencia
Unsere geplante Route

Nach zwei Monaten in Belize, unser Visum ist abgelaufen und eine Verlängerung zu teuer, fällt die Entscheidung: Wir kreuzen. Der Wind ist für zwei Tage aus Ost-Süd-Ost (ESE) und danach für eine knappe Woche aus Ost-Nord-Ost (ENE) drehend auf Nordost (NE) vorhergesagt, so dass wir mit etwas Glück die Strecke bis zur Insel Providencia mit nur einer Wende segeln können. Mit dem ESE planen wir, nach NNE zu segeln, vorbei an den vorgelagerten Atollen von Belize und Mexiko. Auf dieser Strecke zählen wir auf den kräftigen, nördlich setzenden Golfstrom. Wir planen, auf Höhe der mexikanischen Insel Cozumel zu wenden, also den Kurs in Richtung Südost zu ändern, und somit den Bereich des nordsetzenden Golfstroms hoffentlich schnell zu verlassen. Weiter geht es, so unser Wetterrouting, nördlich einiger Untiefen und westlich der Insel Grand Cayman, wo wir ziemlich genau ein Jahr zuvor einen Stopp eingelegt haben. Östlich von Honduras und Nicaragua liegt ein ausgeprägtes Flach, das es weit zu umfahren gilt, zum einen wegen der vielen Fischerboote und zum anderen, da es in diesem Gebiet in den letzten Jahren wiederholt Vorfälle von Piraterie gegeben hat. Danach wird es seglerisch entspannter, wir können den Kurs auf SSW ändern und haben nur noch ein großes Riff, das wir umschiffen müssen, bevor wir direkten Weg auf die kleine kolumbianische Insel Providencia absetzen können. Wenn der Wind in Richtung und Stärke und vor allem der angesagte Winddreher ungefähr dem entspricht, was die Vorhersage verspricht, sieht das Wetter also gar nicht so schlecht aus.

South Water Cay am Strand.
South Water Cay, unser letzter Stopp in Belize

Soweit zur Theorie. Wir klarieren offiziell aus Belize aus und segeln mit einem Zwischenstopp bei den Pelican Cayes ans Außenriff, wo wir bei South Water Cay ankern. Das Außenriff vor Mexico und Belize ist nach dem Great Barrier Reef östlich von Australien das zweitlängste Riff der Welt. Es zieht sich vom Süden Belizes bis weit nach Norden vor Mexico. Bei South Water Cay, wo wir ankern, gibt es einen etwa 300 Meter breiten, bei ruhigem Wetter schiffbaren Pass durch das Riff. Mehrmals am Tag checken wir das Wetter. Die einzige Frage, die sich noch stellt, ist die nach dem idealen Zeitpunkt abzulegen. Sonntag soll es sein. Ganz kurzfristig beschließen wir dann jedoch, doch noch am Samstag Mittag den Anker zu lichten und uns auf den Weg zu machen. Das Dinghy hängt gut verzurrt am Heck, der Außenborder an der Reling und auch sonst ist alles so verräumt, dass auch bei viel Schräglage nichts durch die Gegend fliegen kann.

Wir segeln los in Richtung Providencia
Los geht’s: Durch den Pass fahren wir in den Atlantik

Los geht’s. Anker und Großsegel gehen hoch und wir motoren durch den Pass auf den Atlantik. Es ist ruppig und schaukelig und die Wellen spritzen in hohen Fontänen, wenn der Bug ins Wellental einsetzt. Die ersten Stunden lassen wir den Motor mitlaufen und nur das Großsegel gesetzt, um etwas Abstand zum Riff zu bekommen und um genügend Höhe zu laufen, um sicher zwischen den beiden vorgelagerten Atollen Turneffe und Lighthouse Reef hindurch zu kommen. Bald reffen wir das Großsegel und sobald wir auf der Sicheren Seite mit genügend Abstand zu Turneffe sind, schalten wir die Maschine ab und setzen das gereffte Vorsegel. Schön ist es nicht, wir haben viel Schräglage und das Boot kämpft sich durch die zwar nicht sehr hohen, aber dafür sehr kurzen Wellen. Aber wir kommen gut voran. Die Schiffsbewegungen sind zwar unangenehm, doch wir sind guter Dinge. Der Winkel zum Wind passt und unsere ARACANGA zieht relativ unbeeindruckt ihre Bahn. Trotz latenter Seekrankheit bei Riki fühlen wir uns gut, wir erfreuen uns an unserem Boot, wie sie sanft in die Wellen einsetzt und hoch am Wind mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über sechs Knoten läuft. Die Windfahne steuert, die Segel sind gut getrimmt und es ist schön, wieder unterwegs zu sein.

Unterwegs in Richtung Providencia
Wieder unterwegs. Die Windfahne steuert

Wir teilen uns die Nachtwachen 50-50 auf, Riki ist die erste Nachthälfte bis etwa ein Uhr morgens wach, danach wird gewechselt. Viel ist nicht zu tun, hin und wieder ein Blick auf den Kurs und ein Rundumblick nach anderen Schiffen. Der Kurs passt, Schiffe sehen wir keine. Ein Sitzsack, den andere Segler in Guatemala aussortiert haben, macht unsere Nachtwachen komfortabel bequem und wir dösen im Viertelstundentakt vor uns hin, hören Musik oder lesen ein Buch, genießen die Zeit ganz für einen selbst. Auch der zweite Tag ist noch anstrengend, so langsam jedoch finden wir alle in einen gewissen Überfahrtsrythmus. Die große Kiste Duplo wird ins Cockpit geholt, was Kira und Naia eine ganze Zeitlang beschäftigt, ansonsten werden Bücher vorgelesen, Geschichten angehört und Kiras Lieblingsspiel „Wir fahren in den Urlaub“ gespielt. Während Überfahrten darf Kira jeden Tag ein bisschen am Handy spielen, hierzu haben wir die App „Anton“ heruntergeladen. Gerade weil wir versuchen, den Kids das Handy nur in homöopathischen Dosen zu geben, soll diese Zeit sinnvoll genutzt sein, daher finden wir die App klasse.

Kurz vor dem Wendepunkt. Ab hier geht jede Meile in Richtung Providencia
Kurz vor dem Wendepunkt. Route und Track passen genau

Nach 270 Seemeilen, die wir nach ENE zurückgelegt haben, dreht der Wind wie angekündigt und fast perfekt an unserem Wegpunkt fahren wir eine Wende. Ab jetzt führt uns jede Meile unserem Ziel entgegen und nicht mehr weg davon. Der Kurs sieht gut aus, auch wenn die Geschwindigkeit aufgrund des nicht mehr mit uns laufenden Golfstromes merklich zurückgeht. Wir segeln weiterhin hart am Wind mit dem einzigen Unterschied, dass wir jetzt beim Schlafen nach Steuerbord anstatt nach Backbord purzeln und wir uns beim kochen an der Pantry anlehnen können.

Kira mit einer Schwalbe auf dem Finger
Wir bekommen viel Besuch von Schwalben

Wir bekommen regelmäßigen Besuch von ziehenden Schwalben, die von Süd- und Mittelamerika auf dem Weg zurück in den Norden sind. Das traurige jedoch ist, dass genau diese Tiere bei uns landen, die die lange und anstrengende Reise nicht schaffen, die bei einem Unwetter oder Ähnlichem von ihrem Schwarm getrennt wurden oder mit den anderen Vögeln nicht mithalten können. Drei der Vögel packen es nicht, sie schlafen im Schutz unserer Sprayhood ein und wachen nicht mehr auf. Den Dritten finden wir erst Tage später in Kiras Kabine zwischen ihrem Spielzeug, als es dort ziemlich übel zu stinken beginnt. Glücklicherweise geht es nicht allen so, andere Schwalben ruhen sich etwas aus bei uns, stärken sich mit etwas Zuckerwasser und setzen danach ihre Reise fort.

Unterwegs nach Providencia
Fast immer haben wir viel Schräglage

Etwa 200 Seemeilen nach der Wende sind wir nördlich einiger Untiefen und können zum ersten Mal ein paar Grad abfallen. Jedes Grad weniger hart am Wind macht das Leben an Bord angenehmer. Auch die Welle lässt etwas nach und zumindest für einen Tag genießen wir angenehmes Segeln mit voller Besegelung und verhältnismäßig wenig Bewegung im Boot. Am Tag darauf nimmt der Wind wieder auf 20 – 25 Knoten zu und auch die Welle wird wieder ruppiger. Der nächste Wegpunkt ist Nörd-Östlich des großen Flachs vor der Grenze zwischen Honduras und Nicaragua. Uns erreicht eine nur wenige Tage alte Pirateriewarnung eines Motorbootes, das in nördlicher Richtung unterwegs war. Wir schenken dem angeblichen Vorfall zwar keine allzu große Beachtung, haben unsere geplante Route allerdings prophylaktisch dem Pirateriepräventionszentrum der Bundespolizei in Deutschland gemeldet, die unser AIS-Signal während der Überfahrt bis nach Providencia tracken. Das Gebiet östlich Nicaraguas und Honduras gilt als Piraterie gefährdet, was leider auch dazu führt, dass jeder lokale Fischer unter Generalverdacht genommen wird und jede Kursänderung eines Fischers (Fischer ändern ständig ihren Kurs) gleich als verdächtige Bewegung wahrgenommen und auf allen Internetplattformen Angst verbreitet wird. Wir sehen in diesem Gebiet lediglich ein Fischerboot, das seinen Kurs mehrmals ändert und eine Zeitlang in etwa eine Seemeile Entfernung parallel zu uns fährt, jedoch mit Sicherheit keinerlei Interesse an uns hat. Viel mehr macht uns zu schaffen, dass die Strömung, die uns seit unserer Wende um etwa ein bis eineinhalb Knoten bremst, hier deutlich an Stärke zunimmt und unsere ARACANGA mit teilweise nur drei Knoten vorankommen lässt. Sobald wir die Untiefen hinter uns lassen können wir endlich etwas abfallen und die Segel etwas fieren. Gleichzeitig lässt die Strömung nach, unsere Geschwindigkeit nimmt wieder auf über sechs Knoten zu und mit dem Wind von der Seite anstatt wie bisher schräg von vorne ist das Segeln wunderbar angenehm. Zwischen uns und der Insel Providencia, unserem Ziel, liegt nur noch ein Riff, von dem es gilt sich frei zu halten, danach können wir direkten Kurs segeln. Ein erster und letzter Squall erwischt uns noch, der kurzzeitig viel Wind und viel Regen bringt, dann sind wir auf der Zielgeraden. Positiver Nebeneffekt: Der Squall wäscht die Salzkruste der letzten Tage vom Boot.

Der Leuchtturm von Providencia am Horizont
Der Leuchtturm ist das erste Zeichen von Providencia

Am nächsten Morgen sichten wir den Leuchtturm am Nordende des vorgelagerten Riffs von Providencia, dann schält sich langsam die Insel aus dem Dunst, zunächst als fast durchsichtige, blaugraue Silhouette, dann immer deutlicher und grüner. Die letzten Meter zum Ankerplatz geht es zwischen roten und grünen Tonnen hindurch, dann fällt der Anker auf etwa drei Meter Tiefe in den Sandboden. Es ist Samstag, exakt eine Woche und knapp 900 Seemeilen seit unserer Abfahrt bei South Water Cay. Der direkte Weg, ohne zu kreuzen, wäre knapp 300 Meilen und gute zwei Tage kürzer gewesen, aber „was wäre, wenn“ bringt nicht viel. Auf ein Wetterfenster mit passenden Winden für den direkten Kurs hätten wir unter Umständen jedoch noch Monate warten müssen.

Unser gesegelter Track von Belize nach Providencia
Unsere gesegelte Route

Es war eine anstrengende, aber schöne Überfahrt. Doch es ist ebenso schön, anzukommen. Wir sind stolz auf unser Wetterrouting und die Navigation, wir sind etwas müde von der Überfahrt und freuen uns auf Providencia. Wir melden unsere Ankunft und warten darauf, offiziell einzuklarieren.

Herzliche Grüße aus Providencia senden die vier ARACANGAS
MaRiKiNa

Ein Kommentar

  1. Das habt ihr toll gemacht! Schöne Zeit😊

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert