An Bord
Seit über einem Monat sind wir zurück in Gambia an der Lamin Lodge. Es ist schön, wieder hier zu sein, es fühlt sich ein wenig an wie heimkommen. Auch auf der aracanga haben wir uns wieder gut eingelebt. Es ist schon ein Unterschied, auf 42 oder auf 30 Fuß zu leben, aber es ein gutes Gefühl, wieder auf unserem eigenen Boot zu sein. Das erste Chaos nach dem „Umzug“ hat sich mittlerweile gelichtet, es ist alles verstaut und verräumt und auch der Kleinen gefällt es an Bord. Schnell stellen wir fest, dass wir gut zurechtkommen auf dem kleinen Boot, aber etwas mehr Stauraum benötigen. In der Bugkabine bauen wir ein umlaufendes Regal, wo wir Windeln und Klamotten von Kira unterbringen können und in der Hundekoje entsteht Raum für Spielzeug und einige Kleinigkeiten, indem wir ein Brett entlang der Außenseite montieren. Somit können wir den Platz zwischen der Rundung des Rumpfes und dem Brett bepacken, ohne auf die Hundekoje als Schlafplatz verzichten zu müssen. Dauert hier sowieso alles etwas länger, dauert es mit Baby nochmals länger und manchmal fragen wir uns, was wir den ganzen Tag über geschafft haben.
Kira und Sira
Unser Dinghi, das wir direkt nach der Ankunft hier aufgeblasen haben, ist mittlerweile wieder in seiner Tasche an Deck gepackt, denn die afrikanische Sonne, die extreme Hitze jeden Tag und die allgegenwärtigen, rasiermesserscharfen Austern sind des Schlauchbootes natürlicher Feind. Jeder, der etwas länger hier verweilt, steigt für diese Zeit auf ein anderes Beiboot um, so auch wir. Bevor wir es wegpacken geben wir unser Schlauchboot Nati, dem lokalen Schuhmacher, der sich mit vulkanisieren und kleben bestens auskennt, um ein paar Stellen auszubessern, wie z.B. die Tragegriffe neu anzukleben. Und längsseits zur aracanga hängt jetzt eine sechs Meter lange Piroge. Das Boot gehört Gee, unserem guten Freund, der während unserer Abwesenheit auf die aracanga aufgepasst hat. Und da wir ihm das Geld für den Bau dieser und einer weiteren Piroge vorgestreckt haben, trägt unser elegantes Beiboot den schönen Namen Kira. Und das Schwesterschiff, das aktuell noch im Bau ist, wird Sira heißen, so wie Gees Tochter. Die beiden Boote sollen, wenn die nächste Regenzeit und somit die Garnelensaison beginnt, zum Garnelenfischen eingesetzt werden und Gee, der sein Geld bislang hauptsächlich mit Mangroventouren für Touristen verdient, nicht nur in Covid-Zeiten ein zweites Standbein bieten.
An Land
Jeden Tag sind wir an Land, um auch hier an den Projekten, die wir angestoßen haben, mitzuhelfen. Der Müllverbrennungsplatz ist mittlerweile in Betrieb und wird fleißig beheizt. Es ist eine zwei auf drei Meter große Fläche mit Betonfundament und ein Meter hoher umlaufender Mauer mit Lüftungsschlitzen. Seit der Fertigstellung wird der Müll nicht mehr wild mal hier mal dort verbrannt, sondern regelmäßig sortiert und zum „burnplace“, wie er genannt wird, gebracht. Es hat sich viel getan, was uns die anderen beiden Boote, Shanty und Irmi, die in der Zwischenzeit auf dem Fluss unterwegs waren, bestätigen. Sie sind nach ihrer Rückkehr richtiggehend begeistert, wie sauber und aufgeräumt das Areal mittlerweile ist. Es ist ein gutes Gefühl, mit wenigen finanziellen Mitteln und einer intakten Community nachhaltige Veränderungen und Verbesserungen zu schaffen. Gemeinsam mit den wenigen anderen Booten, die zurzeit hier sind, und den Menschen, die Tag für Tag hier arbeiten, hat sich eine tolle Dynamik ergeben, so dass weitere Projekte wie Wasserversorgung und Toiletten mittlerweile in Aussicht sind.
Ausflüge nach Daranka und Tanji
Neben der ganzen Community rund um die Lamin Lodge ist uns Kaddy eine gute Freundin geworden. Ihr konnten wir dank vieler Spenden, die wir über diesen Blog gesammelt haben, eine Collegeausbildung zur Lehrerin ermöglichen. Mittlerweile hat Kaddy ihre letzten Prüfungen hinter sich und am Montag mit der „teaching practise“, sozusagen ihrem Referendariat, begonnen. Zur bestandenen Prüfung laden wir sie gemeinsam mit ihrem Mann Lamin, ihrer Tochter Maimuna, die nur zwei Monate älter ist als Kira, und ihrer Schwester zu einer Pirogenfahrt durch die Mangroven ein. Von der Lamin Lodge paddeln wir mit einer traditionellen Piroge nach Daranka zum „big tree“ einem riesigen, uralten Kapokbaum. Da wir bei Niedrigwasser unterwegs sind, müssen wir die letzten Meter über die Sandbank und durch den Mangroventunnel laufen, was den Ausflug zu diesem magischen Ort trotz unseres wiederholten Besuches keineswegs langweilig und umso abenteuerlicher macht.
Ein anderer Ausflug führt uns von der Lamin Lodge nach Tanji. Auch hier waren wir bereits vor zwei Jahren, aber auch diesen Ausflug kann man getrost ein zweites Mal unternehmen.
Tanji ist der Ort und der Strand, wo die Pirogen ihren Fang anlanden, der Fisch weiterverarbeitet, geräuchert und verkauft wird. Es dreht sich alles um den Fischfang: Reparaturbuden für die allgegenwärtigen 15 und 40 PS Yamaha-Außenborder, Räucheröfen, grobe Wellblechhütten in denen Leinen und Netze verkauft werden, Essensstände mit „fish-yassa“, dazwischen Frauen mit Körben voller Fisch auf den Köpfen und Männer mit Schubkarren mit frischem Fang, es herrscht ein undurchsichtiges und hektisches Treiben. In der gewaltigen Brandung schaukeln die schlanken Pirogen und mit Körben auf dem Kopf kämpfen sich Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche durch die Wellen, um die Boote zu entladen und den Fisch in bereitstehende Schubkarren zu laden. Direkt dahinter liegen am Strand unzählige weitere dieser Boote, an denen gebaut, ausgebessert und repariert wird. Grob behauene Planken werden aneinandergefügt, Spanten eingesetzt und ausgewechselt und Motoren zerlegt. Die eleganten Boote werden mit einfachsten Mitteln gefertigt und sind trotzdem äußerst seetüchtig. Sie sind 15 Meter und länger und bleiben viele Tage auf See, wo sich in der Küstenfischereizone, die den lokalen Fischern vorbehalten ist, ein großes Labyrinth aus Booten, Leinen und Netzen ergibt.
So viele Geschichten
Es gäbe noch so viel zu erzählen, so viele kleine, schöne Geschichten, die den Rahmen des Blogs jedoch irgendwann sprengen würden. Wie die von Kiras bestem Freund Abdul, der mit seinen 13 Jahren seit Januar zum ersten Mal eine Schule besucht. Oder die Geschichte von Gees Mama, die gerade ihren eigenen Nähsalon eröffnet, ein etwa zwei auf zwei Meter großer Raum an der Hauptstraße, und zurecht äußerst stolz darauf ist. Oder, dass obwohl hier niemand auch nur einen Dalasi (etwa zwei Cent) auf die Seite legen kann, bei einer spontanen Sammlung für Abduls Schulverpflegung über zwanzig Euro für viele, viele Mittagessen zusammenkommen. Oder von Braca und Ayla, die Kinder von unseren Segelfreunden John und Kia auf Atea, die sich so wunderbar um unsere kleine Kira kümmern. Oder die Geschichte von Nati, dem Shoedoctor, der die schönsten und stabilsten Flipflops baut und auch sonst mit einfachsten Mitteln jede Art von Schuh herstellt oder repariert. Und seit neuestem auch Dinghidoctor genannt werden darf;-)
Wie geht es weiter?
Trotzdem stellt sich für uns irgendwann die Frage, wann und wohin wir unsere Reise fortsetzen werden. Die aracanga ist seit zwei Jahren hier in Gambia, wir sind seit unserer Ankunft auch schon wieder gut über einen Monat hier. Die erste Testfahrt nach dieser langen Zeit wird mit Sicherheit ein paar Seemeilen flussaufwärts nach Bambally gehen, dem Dorf wo wir den Brunnen mit der Schule gebaut haben. Dort werden wir schon sehnsüchtig erwartet. Am Sonntag ist Kiras erster Geburtstag, den werden wir noch hier an der Lamin Lodge feiern und danach Richtung Bambally fahren. Dann stellt sich die Frage, wohin es für uns geht, wenn wir Gambia verlassen werden. Und auch die Frage, was denn überhaupt möglich ist zurzeit. Kapverden, Karibik, Brasilien, Surinam, Französisch-Guayana? Oder doch noch ein paar Meilen nach Süden auf der afrikanischen Seite und nach Guinea-Bissau? Wir wissen es noch nicht, werden uns aber darüber in nächster Zeit einige Gedanken machen. Wir sind gespannt.
Gambische Rotznase
Leider liegen wir alle drei ein paar Tage flach mit Schnupfnase, Magenkrämpfen und Halsweh. Unsere Körper müssen sich erst wieder an Küche und Klima gewöhnen. Zuerst erwischt es Kira, der Klassiker: Wir besuchen Freunde, alle Kinder und Babys spielen und lutschen am selben Spielzeug… Dann sind wir an der Reihe. Haben wir am Anfang noch gelächelt, wenn die Einheimischen uns vor dem kalten „Winter“ (morgens hat es „nur“ um die 20 Grad) gewarnt haben, so haben sie doch recht. Wenn man bei 35 Grad ohne Decke ins Bett geht und die Temperatur über die Nacht um 15 Grad sinkt, kann man sich selbst bei tropischer Hitze eine ordentliche Erkältung holen. Wir haben dazugelernt und legen die Decke am Abend zumindest bereit. Denn wie meinte unser Freund Lamin vor ein paar Tagen augenzwinkernd: „It is winter, maybe even little snow is coming.“
Viele liebe Grüße von der Lamin Lodge senden
Riki, Martin und Kira von der aracanga und natürlich auch von Peter auf der Ivalu
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HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM GEBURTSTAG, liebe Kira !
Feiert schön in der Lamin Lodge ! Viele Grüße Euch allen!
Eure LuCa