Die letzten Meilen im Atlantik

Am 18.07.2018 werfen wir in Breisach am Rhein die Leinen los. Das ist sechs Jahre und knapp drei Monate her. Seitdem liegen etwa 18.000 Meilen zwischen Europa, Afrika und Amerika in unserem Kielwasser, wir sind auf vier verschiedenen Booten gesegelt und die Crew ist von zwei auf vier angewachsen. Jetzt liegt unsere ARACANGA wir vor Anker in Panama City, vor ein paar Tagen hieß es ciao Atlantik, ahoi Pazifik. Ein Kapitel geht zu Ende und ein Neues wird aufgeschlagen.

Riki am schleifen
In der Turtle Cay Marina bereiten wir das Boot für den Pazifik vor

Die letzten Meilen im Atlantik führen uns von der Turtle Cay Marina, wo wir einige Arbeiten verrichtet und das Boot kältetauglich gemacht und für den Pazifik vorbereitet haben, in drei Etappen nach Colon, der atlantikseitigen Einfahrt des Panamakanals, zu dem es jedoch einen separaten Blogartikel geben wird.

Bevor wir die Turtle Cay Marina verlassen müssen noch ein paar Punkte auf der To-Do-Liste abgehakt werden, damit wir guten und ruhigen Gewissens durch den Panamakanal und dann weiter nach Süden in Richtung Osterinsel und Patagonien segeln können. Das Ewigkeitsprojet Maststufen wird nach knapp zwei Jahren endlich zu Ende gebracht, nachdem uns damals in Antigua andere Arbeiten, die keinen Aufschub geduldet haben, in die Quere gekommen sind. Aber jetzt, endlich, sind sämtliche 26 Stufen mit insgesamt 104 Nieten am Mast befestigt, was uns sämtliche Arbeiten im Rigg in Zukunft sehr vereinfachen wird.

Martin im Masttopp
Endlich ist die letzte Maststufe montiert

Und wo wir gerade im Mast sind, wird auch gleich sämtliche Beleuchtung gecheckt, hier ein neues Kabel gezogen und dort eine LED ausgewechselt, so dass zum ersten Mal seitdem wir die große ARACANGA haben, alle Beleuchtung funktioniert. Außerdem benötigen wir zur Navigation in den Fjorden Patagoniens ein Radar, das wir auf halber Masthöhe anbringen. Das Radar samt Plotter haben wir von meinem Papa Peter, der auf der Ivalu ein zu seinem Navigationssystem kompatibleres Radar einbauen möchte, bekommen. Ganz herzlichen Dank nochmal. Und auch Danke an Thomas, der uns die passende Radarhalterung dazu vermacht hat (ganz hat sie leider nicht gepasst, aber eine Adapterplatte war schnell angefertigt). Der Plotter mit der Radaranzeige sitzt im Cockpit und wie immer ist der schwierigste Part, die beiden Enden mit den entsprechenden Kabeln zu verbinden. Aber auch das schaffen wir und – tada – es funktioniert.

Unsere neue Sturmfock

Und wo wir gerade übers Rigg schreiben und am bedanken sind, geht ein fettes Dankeschön an Sebastian von der Tuchwerkstatt Greifswald, dem Deutschlandvertreter von Rolly Tasker Sails, der uns ohne zu zögern und ohne Wenn und Aber eine brandneue Sturmfock spendiert und nach Panama geschickt hat, ein für den von uns geplanten Trip essentielles Segel. Einzig unser Wassermacher, den wir erst in Guatemala langwierig und aufwendig generalüberholt haben, macht uns immer noch Probleme und wir sind auch nach mehrmaligem komplett auseinandernehmen noch nicht ganz dahinter gekommen, wo genau das Problem liegt. Daumen drücken, dass wir das noch vor den langen Überfahrten zur Osterinsel und nach Patagonien hinkriegen.

Adios Turtle Cay, schön war’s

Es fühlt sich super an, dass alles (außer dem Wassermacher) funktioniert. Das Boot ist fertig, wir sind bereit und es ist an der Zeit, die Turtle Cay Marina zu verlassen und in Richtung Panamakanal zu segeln. Unser erster Stopp ist Puerto Lindo, ein Ankerplatz ganz in der Nähe. Hier liegen unsere guten Freunde Vanessa und Jerome mit ihrer Tochter Lou, Kiras guter Freundin, vor Anker. Bevor sich die Wege trennen möchten wir auf jeden Fall noch ein paar Tage miteinander verbringen.

Die Zeit in Puerto Lindo ist wie Urlaub. Wir baden und schnorcheln, erforschen das Mangrovenlabyrinth mit dem Dinghy, besuchen den einsamen Affen Coco, der vermutlich ausgesetzt wurde und enorm zutraulich und kuschelbedürftig ist, auf seiner Insel, fahren bei ruhigem Wetter zur Nachbarinsel zum Picknick und außer der Organisation unserer Passage durch den Panamakanal kümmern wir uns um nicht viel.

In den Mangroven bei Puerto Lindo
Badestopp in den Mangroven mit unseren Freunden

Die Kinder freuen sich über die gemeinsame Zeit, sie spielen, basteln und malen, dann hauen sie sich wieder die Stifte und Bücher um die Ohren, nur um sich danach wieder zu vertragen und gemeinsam um das Boot zu schnorcheln. Wir erfahren, dass unsere Freunde nach zehn Jahren segeln ihr Boot Molo Koi verkaufen und für ein paar Monate zurück nach Frankreich gehen möchten. Trotzdem verabreden wir uns, uns irgendwann irgendwo in Polynesien wieder zu treffen, denn wir sind uns alle ziemlich sicher, dass es irgendwann ein neues Boot geben und zurück an Bord gehen wird. Kira und Naia profitieren sehr davon, dass Molo Koi verkauft wird, und wir werden mit Klamotten, Bastelzeug und Spielsachen, die keinen Platz im Flieger haben, versorgt. Das trifft sich gut, denn damit keine Langeweile aufkommt, haben wir vor, einen „Überfahrtskalender“ (wie ein Adventskalender) für die Kids für die ca. 25-tägige Überfahrt zur Osterinsel und die etwa 20 Tage nach Patagonien zu machen.

Bevor es weitergeht muss zuerst das Getriebe repariert werden…

Anker auf, Kurs Portobello. Ich stehe am Anker, Riki am Steuer. Um nicht schreien zu müssen, verständigen wir uns mit Handzeichen. Daumen zur Seite heißt Anker ist frei, aber noch nicht oben, du kannst langsam vorwärts Gas geben. Daumen hoch heißt Anker ist oben. Der Daumen geht zur Seite, Riki kuppelt die Maschine ein, doch nichts passiert. Wir treiben langsam mit dem Wind rückwärts. Das kann nur das Getriebe sein. Nochmal auskuppeln, einkuppeln, immer noch nichts. Also schnell Anker wieder runter, knapp vor einem anderen Boot kommen wir zum stehen. Das Problem ist schnell klar und altbekannt, das Getriebe hat ein Leck und die drei Liter Getriebeöl schwappen in der Bilge anstatt im Getriebe. Wir schütten einen Liter nach, starten die Maschine wieder, holen den Anker auf, motoren einige Meter vorwärts und setzen den Anker erneut. Maschine aus, Motorraum auf und da sieht man, wie der Liter Getriebeöl gar nicht so langsam in die Bilge tropft. Dieses Leck hatten wir bereits in Antigua (weswegen wir das Projekt Maststufen unterbrochen hatten) und erst in Guatemala haben wir das Getriebe neu abgedichtet. Das Problem ist einfach, unser Getriebe hat zwei Öldichtungen, von denen wir nur eine wechseln können. Diese haben wir in Antigua gewechselt. Die zweite Dichtung, die kaputte, sitzt so weit in den Eingeweiden des Getriebes, dass wir den gesamten Motor mitsamt Getriebe, schlappe 700 Kilo, ausbauen und generalüberholen müssten, was unser Budget leider bei weitem übersteigen würde. Also ist unsere Notlösung eine selbstgeschnittene Dichtung an der großen Mutter, die am Ende des Getriebes sitzt und Teflonband im Gewinde der Dichtung. Das Dichtmaterial aus Guatemala war uns von Beginn an etwas suspekt, jedoch das beste, was wir finden konnten.

Neue Dichtung und Loctite – hoffentlich wird es dicht.

Ärgerlich, dass das Problem jetzt schon wieder auftritt, wir sind jedoch ganz froh darum, dass es hier und nicht im Panamakanal passiert. Den nächsten Tag verbringe ich im Motorraum, zunächst muss die Welle vom Getriebe getrennt und etwas nach hinten geschoben werden, dann die große Endmutter geöffnet werden, wofür wir extra eine 43er Nuss mit uns herumfahren. Schon beim Öffnen fällt uns die alte Dichtung in zwei Teilen entgegen. Wir fangen das restliche Getriebeöl auf, säubern und entfetten das Gewinde und schneiden uns eine neue Dichtung. Dank Jerome haben wir diesmal genau das richtige Material dafür und wir sind zuversichtlich, dass die Reparatur vielleicht nicht für die Ewigkeit, aber definitiv für eine gewisse Zeitlang sein wird. Mit Jeromes Dichtungsmaterial („schneidet euch reichlich davon ab“… Danke!) und einem passenden, vibrations- und ölresistenten Gewindedichtmittel anstatt Teflonband wie beim letzten mal schrauben wir das ganze wieder fest zusammen und lassen es 24 Stunden aushärten. Dann kommt der härteste Teil der Operation, nämlich die Welle und das Gewinde wieder miteinander zu verbinden. Die insgesamt acht Schrauben zwischen Welle, flexibler Kupplung (Hardyscheibe) und Getriebe scheinen nie alle genau zu fluchten und so sind viele Verrenkungen (natürlich findet die gesamte beschriebene Operation kopfüber unter dem Getriebe statt), Flüche (die Kinder schlafen schon) und etwas sanfte Gewalt nötig, bis endlich alles ineinanderflutscht. Alles tut weh, ich bin von oben bis unten ölverschmiert, voller blauer Flecken und unzähliger Aufschürfungen von diversen Schlauchschellen und überglücklich, als nach einer Dusche, einem Bier und einer Nacht kein Tropfen Getriebeöl in der Schale unter dem Getriebe zu sehen ist.

Kurs Portobelo

Zweiter Anlauf: Anker auf, Daumen zur Seite, Einkuppeln, Daumen hoch und unter Maschine aus der Bucht hinaus. Wir Motoren die nächste Etappe bis nach Portobelo, einem ehemaligen Piratennest und Hochburg der Plünderung des Kontinents durch die Europäer, um sicherzugehen, dass die Reparatur erfolgreich war. Hier bleiben wir nur eine Nacht und besuchen die massiven und imposanten Wehranlagen der Spanier gegen die Piraten. Wie schon öfter auf der Reise kreuzt wieder einmal der Pirat Henry Morgan hier unseren Weg. Portobelo war ein für die Spanier wichtiger Hafen, um Gold und Silber aus den Kolonien in der neuen Welt zu Plündern. Portobelo war regelmäßig Ziel von Piratenüberfällen, der berühmteste davon von Henry Morgan, der die massiven Wehranlagen von Portobelo 1686 mit 450 Mann überwunden hat, woraufhin er die Stadt überfallen und 14 Tage lang geplündert hat.

Portobelo

Heute ist Portobelo ein verschlafenes Nest von 5.000 Einwohnern, es wird jedoch gleichermaßen von Besuchern und Pilgern heimgesucht, denn neben den erhaltenen Wehranlagen ist die Stadt für seine Kirche und die Statue des schwarzen Christus, die der Legende nach am Ufer angespült wurde, berühmt.

Am nächsten Tag geht es für uns weiter nach Colon, der atlantikseitigen Stadt des Panamakanals. Je näher wir der Stadt kommen, desto mehr Tanker, Containerschiffe, Schlepper und Lotsenboote sehen wir. Colon markiert für uns das Ende des Kapitels Atlantik. Von hier aus geht es durch den Panamakanal in den größten aller Ozeane, den Pazifik.

Herzliche Grüße, ein letztes Mal aus dem Atlantik, senden Martin, Riki, Kira und Naia

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