Es ist der zehnte Oktober, der Tag unserer Panamakanal-Passage. Alles ist vorbereitet, die Maschine gecheckt die Crew an Bord. Die langen Leinen für die Schleusen liegen aufgeschossen an Deck. Das Handy klingelt und die Zeit für den Lotsen wird mit 15.15 Uhr lokale Zeit durchgegeben. Ein paar Minuten nach dem Termin donnert ein Lotsenboot auf uns zu, nimmt das Gas raus und geht sanft längsseits. Der Lotse steigt über und stellt sich als Carlos vor. Die Maschine läuft bereits und wir sollen auch direkt den Anker aufholen. Eine Menge Dreck und Matsch hängen in der Kette und am Anker, Carlos meint jedoch, dass wir zügig losmüssen und keine Zeit bleibt, die Kette und den Anker sauber zu machen. Also rein in den Ankerkasten mit dem ganzen Dreck und los geht es in Richtung der ersten Schleusen, den Gatunschleusen.
Insgesamt sind wir acht Personen an Bord: Der Lotse Carlos, Sandra aus den Niederlanden, die mit uns eventuell bis zur Osterinsel und nach Patagonien segeln möchte, unsere Nachbarn Hilde und Rob vom Segelboot Happy Hour und wir vier. Für die Panamakanal-Passage sind Lotse, vier Linehander und Captain vorgeschrieben. Außerdem müssen wir vier je 40 Meter lange Leinen an Bord haben, um uns in den Schleusen entsprechend zu sichern.
Der Panamakanal verbindet den Atlantik mit dem Pazifik auf einer Länge von 44 Seemeilen. Er wurde 1914 eröffnet und besteht aus insgesamt zwölf Schleusen, den Gatunschleusen auf der Atlantikseite und den Pedro Miguel- und Mirafloresschleusen auf der Pazifikseite. Die Schleusen sind 327,6 Meter lang und 33,5 Meter breit und die größten Schiffe, die hier durch fahren können nennen sich Panamax-Klasse. 2016 sind die neuen Schleusen Agua Clara und Cocoli hinzugekommen, die mit einer Länge von 427 Metern deutlich größer sind. Trotzdem gibt es immer noch Schiffe, die selbst für diese Schleusen zu groß sind. Zwischen den Schleusen befindet sich 24 Meter über dem Meeresspiegel vom Atlantik kommend zunächst der Gatunsee, ein künstlich angestauter See mit vielen Inselchen, und dann ein schmaler Kanal. Der Verkehr ist so geregelt, dass auf dem schmalen Kanalstück abwechselnd in die eine- und die andere Richtung gefahren wird, denn zwei große Frachter hätten Probleme, hier aneinander vorbei zu kommen.
Wir als kleines Segelboot werden durch die alten Schleusen geleitet, die neuen Schleusen sind ausschließlich für die großen Frachter reserviert. Hinter dem orangenen Tanker Xena dürfen wir in die Schleusen einfahren, wo uns vier Leinen zugeworfen werden, zwei an Backbord und zwei an Steuerbord. An die Wurfleinen knoten wir unsere dicken Leinen an und als wir auf Position sind, werden diese nach oben gezogen und über Poller gelegt. Hinter uns schließen sich die massiven, 110 Jahre alten Schleusentore des Panamakanals und dann brodelt das Wasser nur so herein.
Innerhalb kürzester Zeit geht es für uns und den großen Frachter acht Meter nach oben, wo sich die Schleusentore öffnen und wir in die nächste Kammer fahren, wo sich das Prozedere wiederholt. Nach der dritten Kammer, es wird gerade dunkel, fahren wir in den Gatunsee. Dort geht es noch ein paar Meilen weiter bis zu einem Bojenfeld mit großen, eigentlich für Frachter bestimmten Festmachertonnen, wo wir längsseits festmachen sollen. Ankern wäre deutlich einfacher, aber das ist die Vorschrift der Kanalgesellschaft. Der Lotse wird abgeholt und wir bleiben eine Nacht im Panamakanal. Riki kocht ein leckeres Linsen-Daal und dazu gibt es ein paar Kaltgetränke für unsere tüchtige Crew. Dann verteilen wir uns auf die Kojen, denn morgen soll es früh weiter gehen. Der Lotse hat sich für sieben Uhr angemeldet.
Kaffee, Frühstück, warten. Sieben Uhr, acht Uhr, neun Uhr… „Haben die uns vergessen?“ Wir telefonieren mit dem Scheduling Office… „Ja, er kommt gleich“ halb zehn, zehn, da endlich kommt das Lotsenboot angebraust und unser neuer Lotse stellt sich als „Erwin“ vor. Es wird viel gelacht und wie am Vortag mit Carlos sind wir uns auf Anhieb sympathisch.
„Los, los, wir müssen uns beeilen, um 14.30 haben wir Termin an der Pedro Miguel Schleuse.“ Zuerst ewig warten lassen und dann stressen, dass man nicht zu spät kommt, das ist uns ja lieb. Aber Erwin kann nichts dafür, ihm ist wohl bewusst, dass wir kleine Yachten im Panamakanal nur lästiges Beiwerk sind. Also, Maschine an, Leinen los und bei knapp über 1.500 Umdrehungen schiebt unser Motor, der zwar 45 Jahre alt, aber dafür äußerst zuverlässig ist, die ARACANGA mit sechseinhalb Knoten durch den Gatunsee. Der Gatunsee ist eine riesige, angestaute Süßwasserfläche und das Reservoir des Kanals. Er ist landschaftlich wunderschön, mit vielen kleinen Dschungelinselchen, von denen man die Brüllaffen hören kann. Außerdem gibt es hier Krokodile, Jaguare und kleinere Raubkatzen, Ozelots, Faultiere, Papageien, Tapire und alles, was sonst noch so zum Dschungel gehört. Leider bekommen wir davon nicht viel zu sehen. Unser Lotse erzählt uns eine Geschichte, wie einmal ein Jaguar auf einem Frachter, der im Panamakanal geankert hat, gefunden wurde. Das Tier ist zum Boot geschwommen und die Ankerkette hochgeklettert. Ob es stimmt oder nicht wissen wir nicht, es ist jedenfalls eine gute Geschichte. Frachter und Kreuzfahrtschiffe kommen uns entgegen und irgendwann werden wir vom lilafarbenen Frachter Vitality Diva überholt, mit dem wir in die Schleuse sollen.
Zu Mittag gibt es Pizza á la ARACANGA und vom Gatunsee geht es weiter in den engen Teil des Panamakanals, der eher unspektakulär ist. Pünktlich um halb drei sind wir vor der Pedro Miguel Schleuse, fahren an der Vitality Diva vorbei, die gerade an den Lokomotiven festgemacht wird, die die Frachter durch die Schleusen ziehen, und gehen vor ihr in die Schleusenkammer. Hinter uns wird der Frachter in die Schleuse gezogen, der mit seinen 32 Metern Breite links und rechts jeweils nur wenig Luft hat, dann schließen sich die Schleusentore und in aller Ruhe geht es acht Meter nach unten und die Tore öffnen sich für uns. Eine Meile später kommen die Miraflores-Schleusen, wieder werden uns Leinen zugeworfen. Am vorderen Ende der Schleuse machen wir fest und warten auf die Vitality Diva. Zwei mal acht Meter Höhenunterschied später öffnet sich das letzte Schleusentor des Panamakanals, Salzwasser und Süßwasser vermischen sich und sorgen für etwas Strömung und Verwirbelung, dann machen wir die Leinen los und schwimmen im Pazifik. Wir tuckern die letzten Meilen zu unserem Ankerplatz, der Lotse wird abgeholt und nach Sonnenuntergang fällt der Anker vor der beeindruckenden Skyline von Panama City. Wir stoßen mit einem Rum and Coke auf die erfolgreiche Passage an. Adios Atlantik, Byebye Panamakanal, ahoi Pazifik und herzliche Grüße von der ganzen Panamakanalcrew
Spannend und Schoen. Wie immer geschrieben