Ein neues Kapitel
Die karibischen Inseln liegen hinter uns, ein neues Kapitel der Reise vor uns: Mittelamerika. Hier sind wir also, in Guatemala, genau genommen in der Stadt Livingston am Rio Dulce. Die Ankunft ist wie das Eintauchen in eine neue Welt: Sind die karibischen Inseln aufgrund wenig ruhmreicher Taten ihrer damaligen Kolonialmächte unübersehbar afrikanisch geprägt, fallen uns hier sofort die traditionellen Kleider der hiesigen Maya-geprägten Kultur auf. Livingston ist laut, spannend, bunt und freundlich. An der Hauptstraße entlang reihen sich kleine Geschäfte, Obsthändler und Kiosks, wo man von frischen Tortillas und gegrillten Hähnchen bis hin zu Westernsattel und Lasso so einiges bekommt. Das Straßenbild der nicht an das Straßennetz angebundenen Stadt wird von kleinen Tuk-Tuk-Taxis geprägt. Alles wird über kleine Fähren und Frachter oder über Lanchas, wie die schmalen von Außenbordern betriebenen Boote hier heißen, angeliefert, der Fluss ist die Hauptverkehrsader. So spannend wir Livingston finden, es ist nicht ratsam, allzu lange hierzubleiben, wir wären nicht das erste Boot, das hier nachts ausgeraubt wird. Also heißt es Anker auf und den Fluss hoch nach Fronteras, unserem Ziel.
Ende der Saison
Hier in Guatemala liegen nicht nur die karibischen Inseln hinter uns, sondern auch diese Segelsaison. Sommerzeit ist Hurrikanzeit und es empfiehlt sich, für diese Zeit einen sicheren Ort aufzusuchen. Auch, wenn es nur selten vorkommt, dass Guatemala von einem Hurrikan heimgesucht wird, ist die Atlantikküste kein sicherer Ort für den Sommer. Der Ort Fronteras etwas flussaufwärts hingegen gilt als sehr sicher, hier kommen die seltenen aber dafür sehr starken Wirbelstürme nur noch in Form von Hochwasser und massiven Regenfällen an. Einer der schlimmsten Hurrikane in dieser Region war im Jahr 1998 Hurrikan Mitch, der in Honduras, Nicaragua, Guatemala und den Nachbarländern für unbeschreibliche Zerstörungen gesorgt und 19.000 Menschenleben gefordert hat. Fronteras hat Mitch als Sturm mit erhöhten Wasserpegeln, jedoch nicht als tödlicher Hurrikan erreicht.
Der Rio Dulce
In Livingston holen wir für diese Saison zum letzten Mal den Anker auf und motoren in eine unglaubliche Szenerie aus canyonartigen Klippen und grüner Urwaldkulisse, untermalt von dem unbeschreiblichen Sound des Dschungels: Insekten und Vögel geben ein Konzert in solch einer Lautstärke, dass wir zunächst gar nicht zuordnen können, dass diese Geräusche aus der Natur kommen. Wir stoppen sogar die Maschine, da die Lautstärke des Dschungelkonzertes so enorm ist, dass wir es mehr als nur einmal fälschlicherweise für einen Motoralarm oder einen quitschenden Keilriemen halten.
Auf beiden Seiten unserer ARACANGA ragen die von Grün nur so überwucherten Felsen steil in die Höhe, trotz (hier meist) verhangenem Himmel ist die Szenerie überwältigend. Der Fluss schlängelt sich auf den ersten Kilometern durch die Urwaldschluchten, bevor die Landschaft dann mit einem Mal flach und weitläufiger wird. Die Felsen werden von Inseln aus Schilfgras abgelöst und hier und da ist eine kleine Ortschaft am Fluss oder einem seiner zahlreichen Nebenarme zu sehen. Das Leben findet auf dem Wasser statt die Ortschaften sind ebenso wie Livingston kaum ans Straßennetz angeschlossen. Lanchas und Kanus sind die Hauptverkehrsmittel, Autos und Straßen sucht man vergebens. Wir fahren durch große Seen, sehen zahlreiche Kormorane und Pelikane und entschließen uns, die etwa 40 Kilometer nach Fronteras ohne Zwischenstopp zurückzulegen. Wir möchten ankommen und nach den vielen Orten, Ländern und Seemeilen, eine Zeitlang an einem Ort bleiben. Auch wenn wir jetzt schon wissen, dass dieser Wunsch nicht allzu lange anhalten wird und es uns bereits sehr lange vor Ende der Hurrikansaison jucken wird, endlich wieder die Segel zu setzen.
Fronteras – Rio Dulce
Gegen 15.00 Uhr sehen wir die große Brücke über den Fluss, die den Ort Fronteras, der hier jedoch der Einfachheit halber nur genau wie der Fluss Rio Dulche genannt wird, markiert. Kurz vor der Brücke befindet sich am südlichen Ufer die kleine Marina Nanajuana, wo wir uns für die erste Zeit einen Platz am Steg reserviert haben. Die Preise hier sind überschaubar und wir gönnen uns ein paar Wochen Marinaleben. Unser Hauptgrund hierher zu kommen war, andere Familien und Kinder zum Spielen zu treffen, und das ist am einfachsten, wenn man vom Boot aus einfach auf den Steg springen und zu seinen Freunden laufen kann. Das Boot ist festgemacht und als wir gemeinsam das Gelände erkunden, laufen wir schnurstracks einer anderen Familie mit zwei Kindern in die Arme, die wir von der vorletzten Hurrikansaison in Grenada noch kennen. Kleine Welt und große Wiedersehensfreude.
Der zweite Grund, die Wirbelsturmsaison hier zu verbringen, sind einige anstehende Arbeiten unserer ARACANGA. Das Boot muss aus dem Wasser und hoffentlich können wir bald Punkte wie neues Antifouling, neue Seeventile und neues Wellenlager, alles Arbeiten, die nur auf dem Trockenen erledigt werden können, von der To-Do-Liste streichen. Aber dazu gibt es bald einen eigenen, ausführlichen Blogartikel.
Für heute ist Schluss, wir schicken viele liebe Grüße aus Guatemala. Eure MaRiKiNa