Eigentlich standen die Galapagos-Inseln nicht auf unserer Reiseroute. Geplant war, die Inselgruppe an Steuerbord liegen zu lassen und direkt bis zur Osterinsel zu segeln, da die Kosten für einen Stopp auf Galapagos immens hoch sind. Allerdings zwingt uns während der Überfahrt ein loser Bolzen im Masttopp, einen Notstopp auf der Inselgruppe einzulegen.
Und so kommen wir ganz unverhofft zu einer zwar teuren, aber unvergesslichen Woche Galapagos. Mit 1.640 Dollar betragen die Kosten für unseren Stopp „nur“ etwa die Hälfte der regulären Kosten, dafür bekommen wir allerdings auch nur eine Woche Aufenthaltserlaubnis. Und mal ganz ehrlich, wenn man zwischen einem Mastbruch auf hoher See (die logische Konsequenz, hätten wir den Bolzen nicht entdeckt) und einem teuren Galapagos-Zwischenstopp wählen müsste, dann ist der Zwischenstopp das Geld wert, denn eine Reparatur auf See wäre unmöglich gewesen. Und insgeheim freuen wir uns auch ein bisschen, die Galapagos-Inseln, oder zumindest eine davon, doch noch zu sehen zu bekommen.
Am 07. November in der Früh fällt der Anker vor der Insel San Cristobal und uns ein Stein vom Herzen, heil und ohne Mastbruch angekommen zu sein. Eine halbe Stunde später kommt auch schon ein Boot längsseits, um das Geld einzusammeln. Cash haben wir kaum an Bord, also geht es erstmal zum Geldautomaten und wir quetschen raus, was der Verfügungsrahmen hergibt. Den Rest zahlen wir am Tag drauf. Dann ein Sprung ins überraschend kalte Wasser, um das Unterwasserschiff auf eventuellen Bewuchs zu checken und ein paar einzelne Entenmuscheln noch schnell mit dem Spachtel zu entfernen, bevor die Offiziellen zur Inspektion anrücken. Eine heiße Tasse Tee später (das Wasser ist wirklich kalt!) Kommt dann das Boot mit den Offiziellen längsseits: Agent, Immigration, Zoll, Armada, Hafenmeister, Nationalpark, Biosecurity, Ärztin, Taucher und „Ausräucherer“ entern das Boot, es gibt viele Fragen zum Warum unseres Stopps zu beantworten, Formulare auszufüllen und zu unterschreiben.
Der Taucher hat keine Beanstandungen, die Ärztin bemängelt ein paar abgelaufene Medikamente, der Herr von der Biosecurity besteht darauf, dass unsere Pflanzen in eine Kiste und dann in einen Schrank geräumt werden müssen und der Hafenmeister möchte die Maschine, die Bilge und den Schaden im Rigg sehen. Bei Letzterem begnügt er sich mit ein paar Fotos vom Schaden, das Angebot, die Maststufen hinauf zu klettern und es sich selbst anzusehen, lehnt er dankend ab. Normalerweise würden wir drei Tage Aufenthalt bewilligt bekommen, eine kurze Diskussion und eine kühle Coke später meint er, dass er eine Woche für die Reparatur ansetzt und versuchen wird, dies bei seinem Chef durchzuboxen. Nachdem die ganze Meute wieder abgerückt ist, wird das Boot noch gegen Ungeziefer ausgeräuchert. Wir müssen hierfür für zwei Stunden von Bord, genug Zeit für einen ersten Landgang und ein wohlverdientes „Ankerbier“ an der Uferpromenade.
Der nächste Tag, mein 40. Geburtstag. Das schönste Geschenk mache ich mir am Vormittag selbst: Vier Kletterpartien ins Masttopp, ein passendes Ersatzteil aus der Bilge und zwei Stunden später ist der Schaden behoben und unser Rigg besser als zur Abfahrt in Panama.
Es ist nicht so, als ob wir unser Rigg nicht ganz regelmäßig und vor jeder größeren Überfahrt checken, natürlich auch vor der Abfahrt in Panama. Dort waren sämtliche Bolzen, Splinte und Schäkel in Ordnung. Aber wie kann es passieren, dass innerhalb von zehn Tagen der Bolzen mitsamt Sicherungssplint durch den Toggle rutscht? Wie wir jetzt im Nachhinein wissen, war das Problem, dass der Toggle ein Originalteil war, das Vorstag jedoch deutlich jünger ist. Der Durchmesser der Bohrung vom Toggle war jedoch etwa ein bis zwei Millimeter größer als die Bohrung im Terminal des Vorstags, wodurch der Bolzen etwas Spiel hatte und durch die ständige Be- und Entlastung auf dem Am-Wind-Kurs und das häufige ins-Wellental-krachen sich langsam herausarbeiten konnte, trotz und mitsamt Sicherungssplint. Sichtbar war das Ganze jedoch in montiertem Zustand nicht, da der Kragen des Bolzens größer als die Differenz der Bohrungsdurchmesser war. Glücklicherweise hat unser Ersatzteil exakte Durchmesser, so dass das Rigg jetzt besser als zur Abfahrt ist.
Geburtstag, ganz unverhofft auf Galapagos. Es ist der vielleicht ruhigste und entspannteste 40. Geburtstag, aber vielleicht auch einer der schönsten. Wir liegen mit den Seelöwen am Strand, gönnen uns Kaffee und Kuchen sowie ein leckeres Mittagessen und obendrauf noch ein Eis.
Und da der Schaden bereits behoben ist, haben wir noch ein paar Tage Zeit, uns San Cristobal und die einzigartige Natur von Galapagos anzusehen. Galapagos liegt inmitten des kalten Humboldtstroms, der kaltes Wasser aus der Antarktis bringt und in den Monaten Juli bis Dezember für ein deutlich kühleres Klima sorgt, als man hier auf dem Äquator erwarten würde. Der Humboldtstrom ist auch einer der Faktoren für die einzigartige Flora und Fauna auf den Galapagos-Inseln, denn durch seinen kühlenden Faktor und den Reichtum an Nährstoffen schafft er die Grundlage für ein produktives Ökosystem, sowohl unter Wasser als auch in Form von feuchtigkeitsspendendem Nebel an Land. Zusätzlich konnten sich aufgrund der geografischen Isolation über die Jahrmillion eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt entwickeln: Meeresechsen, Galapagos-Seelöwen, Galapagos-Riesenschildkröten, Blaufußtölpel, Darwin-Finken und Galapagos-Pinguine sind nur die bekanntesten der hier endemischen Tierarten.
Einen Tag fahren wir mit Ugo in seinem Taxi über die Insel und schauen uns ein paar der Highlights von San Cristobal an. Zunächst geht es an den Fuß eines Inaktiven Vulkans, dessen Krater mittlerweile ein Süßwassersee ist und ein beliebter Ort für die zahlreichen Fregattvögel, die hier ihr Gefieder vom Salzwasser reinigen. Im Flug berühren die Vögel die Wasseroberfläche und waschen so das Salz aus ihren Federn. Schwimmen können Fregattvögel nicht, obwohl sie die meiste Zeit ihres Lebens über dem Meer verbringen.
Der nächste Stopp ist die Aufzuchtstation der San-Cristobal-Riesenschildkröte. Auf jeder der Galapagos-Inseln haben sich die Schildkröten etwas anders entwickelt, so dass es nicht nur eine, sondern insgesamt 15 verschiedene, endemische Arten gibt, von denen allerdings nur 12 Arten bis heute überlebt haben. 2012 ist mit „Lonesome George“, der letzte Vertreter der Pinta-Riesenschildkröte, gestorben. Er hat seine letzten Lebensjahre jedoch nicht auf der Insel Pinta, sondern auf Santa Cruz in einer Auffangstation verbracht, wo ich ihn 2011 während meiner Weltumsegelung noch gesehen habe. Insgesamt leben auf Galapagos etwa 8.000 Riesenschildkröten, ca. 2.000 davon auf San Cristobal. In der Aufzuchtstation werden die Schildkröte etwa fünf Jahre geschützt vor Fressfeinden aufgezogen, bevor sie dann im Norden der Insel ausgewildert werden. Hier sehen wir einige große, alte Schildkröten und die Neugeborenen der letzten Jahre (Die Tiere werden über 200 Jahre alt, da kann man schon noch von Neugeborenen sprechen ;-)).
Anschließend fahren wir weiter in den Südosten der Insel an einen wunderbaren Strand, wo sich Seelöwen im weißen Sand räkeln und im türkisenen Wasser jagen und spielen, Blaufußtölpel auf den Felsen sitzen und gemeinsam mit Pelikanen und Fregattvögeln Jagd auf Fische machen. In den Büschen sitzen die Darwinfinken und auf den Schwarzen Felsen am Meer die ein oder andere Meeresechse.
Zurück an Bord nutzen wir die kommenden Tage dazu, die umliegenden Strände zu erforschen, der Kälte zu trotzen und mit den Seelöwen zu schnorcheln und auch , um ein paar Kleinigkeiten zu reparieren und hier und da ein paar Stellen abzudichten, an denen auf der Überfahrt das Wasser seinen Weg ins Cockpit oder unter Deck gefunden hat.
Unser Dinghy lassen wir mangels Anlegestellen in den Davits hängen und stattdessen nutzen wir das Taxiboot, um an Land und zurück an Bord zu kommen. Hier lernen wir Dani kennen, den Fahrer des Taxiboots. Wir staunen nicht schlecht, als er uns auf Deutsch anspricht, dann erzählt er uns, dass seine Frau Nicki aus Heidelberg kommt. Für den kommenden Tag verabreden wir uns mit Nicki und ihren Kids am Spielplatz und erben sogar noch mit ein paar ausrangierten Klamotten und Spielsachen ihrer Kinder, die ein paar Jahre älter als Kira und Naia sind. Vielen Dank ihr Lieben, schön war’s mit Euch.
Zwei Tage vor Abfahrt statten wir dem örtlichen Krankenhaus noch einen Besuch ab, da Kira seit ein paar Wochen einen Parasitenwurm unter der Haut hat, der trotz erfolgter Behandlung in Panama nicht totzukriegen ist. Die Ärztin in San Cristobal meint, so etwas hätte sie hier noch nie gehabt und im Nu ist Kiras Pobacke die Attraktion unter den Krankenhausärzten. Allgemeinarzt, Spezialist, Hautarzt und Kinderärztin, jeder möchte einen Blick auf den Parasiten werfen. Der Spezialist schüttelt den Kopf, als wir ihm die Medikamente zeigen, die wir in Panama verschrieben bekommen haben und meint kein Wunder, dass der Wurm noch lebt. Dann bastelt er erstmal einen Papierflieger für Kira und einen für Naia und stellt uns daraufhin ein Rezept aus. Bereits wenige Tage später ist vom Wurm nichts mehr zu sehen.
Unsere Woche auf Galapagos vergeht leider viel zu schnell, wie gerne würden wir länger bleiben und mehr von den Inseln sehen. Wir freuen uns jedoch, so unverhofft doch wenigstens eine Woche auf Galapagos gehabt zu haben. In dem kleinen Lebensmittelladen an der Kreuzung kaufen wir zusätzlich zu unseren Vorräten noch 20 Äpfel und etwas weiteres Obst und Gemüse für die kommende Überfahrt zur Osterinsel ein, dann heißt es leider schon ciao ciao Galapagos und danke für die schönen Tage.
Liebe Grüße von den vier Darwinfinkis MaRiKiNa