Der Gambia River
Gambia ist in erster Linie für den gleichnamigen Fluss bekannt, der sich breit und mächtig durch das flache Mangrovenland schlängelt und auf dem wir mit unserer „aracanga“ unterwegs ins afrikanische Inland sind. Das Land ist nicht viel breiter als der Gambia River – man sagt so breit wie weit britische Kanonen auf beide Seiten des Ufers schießen konnten – und wird von allen Seiten vom Senegal umschlossen. Im Westen hat Gambia ein kurzes Stück Atlantikküste mit den angeblich schönsten Stränden Afrikas, es wird auch „The Smiling Coast of Africa“ genannt.
Eine tierische Crew
Doch bevor wir unsere Flussfahrt beginnen können, müssen wir erst einige Vorbereitungen treffen, denn weg von der Küste wird die Versorgungslage dürftig. Die Wasser- und Dieselvorräte müssen aufgefüllt, Sprit für den Außenborder besorgt und frische Lebensmittel aufgestockt werden. Das können wir alles gut in der Hauptstadt erledigen, deswegen lichten wir nach zwei Tagen an der Lamin Lodge den Anker und fahren zurück nach Banjul, wo wir die „aracanga“ und den „Streuner“ wieder vor dem Stadtteil mit dem schönen Namen „Half Die“ verankern.
„Half Die“, deren halbe Population 1869 durch eine Choleraepidemie ausgelöscht wurde, ist staubig, laut, dreckig und trotzdem faszinierend, sympatisch und voller Charme. An jeder Ecke gibt es Cafe Tuba, den einheimischen, gewürzten Kaffee für 5 Dalasi, was ca. 9 Cent entspricht und das einheimische Brot „Tabalabba“ mit Omlette oder Fleisch für 20 – 30 Dalasi. Small, der im Hafen auf einem Baggerschiff arbeitet und der erste Einheimische war, den wir hier kennengelernt haben, lässt es sich nicht nehmen, für uns Diesel und Wasser zu organisieren und unsere leeren Kanister für uns zu befüllen. Aber zunächst ist „Independence Day“ angesagt, der Gambianische Nationalfeiertag zur Unabhängigkeit, der mit großem Tamtam, Militärparade und Umzug durch die Stadt gefeiert wird. Small holt uns am Steg ab und gemeinsam ziehen wir dann in Richtung Innenstadt los, wo man die Feierlichkeiten schon von weitem hören kann. Es geht vorbei am Fußballstadium mit der Hinweistafel, nicht auf den Kunstrasen zu urinieren und entlang staubiger Vorstadtstraßen mit den allgegenwärtigen Straßenhunden und -katzen. In der prallen Sonne, mitten im Dreck und völlig verstaubt liegt eine kleine Babykatze, deren Zustand dem Namen des Stadtteils alle Ehre macht und miaut herzzerreißend, was uns nicht ganz kalt lässt. Riki besorgt am nächsten Straßenkiosk etwas Wasser und gibt der Kleinen, die höchstens acht Wochen alt ist zu trinken, aber selbst dazu ist sie zu schwach. Also packen wir sie kurzerhand in einen Stoffbeutel und Riki geht mit der Katze zurück an Bord, um sie dort aufzupäppeln.
Mittlerweile hat sich die Kleine, besser gesagt der Kleine, gut an Bord eingelebt und hält den Rest der Crew auf Trapp. Seiner Heimat und seinem Zustand nach hat er den Namen „Half Die“ bekommen. Und keine Sorge – das hier wird jetzt nicht zum „Ach-wie-süß-ist-meine-Babykatze.Blog“. Ohne Riki ziehen wir dann weiter in die Stadt und schauen uns dort die Parade zum „Independence Day“ an. Nach dem offiziellen Teil, an dem auch die Polizei und die Feuerwehr teilgenommen haben, geht die Feier außerhalb des Stadions weiter, wo die Bands des Militärs und der Polizei ausgelassen aufspielen und mit der Menge in den Straßen tanzen. Zum Abschluss gönnen wir uns noch ein Tabalabba und einen Cafe Tuba und kehren dann erschöpft zu den Booten zurück.
Vorbereitungen
Tags drauf ist dann Verproviantierung für die Flussfahrt angesagt. Mehrmals fahren wir mit leeren Kanistern an Land, die Small dort für uns befüllt und bereitstellt, bis sämtliche Wasser- und Dieseltanks wieder voll sind. Dann geht es weiter zum Markt, um Obst und Gemüse zu besorgen und später in die Nachbarstadt Serekunda, wo es einen kleinen Supermarkt gibt, in dem wir Dinge wie Milch, Toilettenpapier, die an Bord unentbehrliche Küchenrolle und ein weiteres Mückengitter für unsere Koje bekommen. Mit den Insekten hier ist nicht zu spaßen, ein guter Mückenschutz für Niedergang, Luke und Doradelüfter ist essentiell, genauso wie Mückenspray für den Körper und Rauchkringel, um die lästigen Viecher fernzuhalten. Malaria und andere durch Insekten übertragene Krankheiten sind zwar nicht häufig hier, aber trotzdem ernst zu nehmen. Riki hat ein Mückengitter für den Niedergang genäht, das mit Klettverschluss befestigt wird und für den Einstieg rundum einen Reißverschluss wie ein Zelteingang hat, das ist Gold wert und hält die Insekten draußen.
James Island
Nach zwei Vorbereitungstagen geht es dann endlich auf den Fluss, für den wir uns viel Zeit nehmen möchten. Der Gambia River ist sehr breit und hat nur eine schwache eigene Strömung. Die Tide hingegen sorgt für einen kräftigen Strom, der alle sechs Stunden die Richtung ändert und, je nach Mondphase, drei bis vier Knoten stark ist, in der Regenzeit von Mai bis September noch stärker. Also planen wir unsere Tour nach der Tide und fahren mit dem Flutstrom, der uns zusätzliche Meilen schenkt, nach Osten. Im Mündungsgebiet ist der Fluss teilweise über drei Meilen breit und oftmals kann man das gegenüberliegende Ufer nur schemenhaft erkennen. Etwa 15 Meilen flussaufwärts liegt James Island, unser erstes Ziel. Kunta Kinteh Island, wie die Insel seit 2011 offiziell heißt, ist eine kleines, karges und lebensfeindliches Stückchen Land, das aufgrund seiner strategischen Lage während der Kolonialzeit schwer umkämpft war und zum Fort ausgebaut wurde. Auf den 0,3 Hektar Fläche, die nur zwei Fuß über dem Wasserpegel liegen, haben zeitweise über 100 Menschen gelebt, es war Handelsstützpunkt, Verteidigungsanlage und Sklavenumschlagsplatz. Wer die Insel beherrscht hat, hat den Fluss beherrscht.
Tendeba
Das nächste Etappenziel heißt Tendeba, ein für hiesige Verhältnisse größerer Ort etwa 50 Seemeilen flussaufwärts. Hier besorgen wir Sprit für unseren Außenborder, was wir in Banjul nicht mehr bekommen hatten. Die „Tankstelle“ ist ein Kabuff von ca. eineinhalb Meter im Quadrat, wo ein Halbwüchsiger Benzin aus einem Kanister in alte Wein- und Ginflaschen füllt und sie literweise verkauft. Wir füllen unseren Tank und einen zusätzlichen Fünf-Liter-Kanister, was uns eine Zeit lang reichen sollte (vorausgesetzt unsere Angeltouren fallen nicht allzu lang aus). Bei unserem Fußmarsch zur Tankstelle und zurück werden wir von einer großen Kinderschar begleitet, die uns jeder etwas abnehmen und tragen und uns an der Hand nehmen möchten. Tendeba ist eine größere Ortschaft, daher haben wir die Hoffnung, unseren Müll dort entsorgen zu können, was hier in Afrika leider nicht so einfach ist. „Kein Problem, wir haben eine Deponie“ heißt es, also bringen wir zwei kleine Tüten Abfall mit an Land. Auf dem Weg zur Tankstelle sprinten zwei Kinder los und – schneller als wir „Nein“ schreien konnten – pfeffern die Säcke in die Mangroven. Mülldeponie afrikanisch – hier sammelt das ganze Dorf seinen Müll und zündet ihn von Zeit zu Zeit an. Mit schlechtem Gewissen nehmen wir uns vor, unseren Müll zu sammeln und in Banjul zu entsorgen.
Ankern im Zoo
Von Tendeba geht es am nächsten Mittag mit der steigenden Flut weiter Ostwärts. An der Pier stehen etwa zwanzig Kinder und winken uns, während wir in Richtung Flussmitte motoren. Nach dem 35 Seemeilen Gewaltmarsch des Vortags möchten wir heute nur eine kurze Etappe von zehn Meilen machen und uns einen ruhigen Seitenarm suchen, wo wir fernab der Zivilisation mitten in der Natur ankern können. Tagsüber ist es enorm heiß – zwischen 35 und 40 Grad – und wir sind um jedes Fleckchen Schatten an Bord froh.
Der Fluss ist mittlerweise deutlich schmaler und „nur“ noch eine Seemeile breit. Für den Hauptstom gibt es sehr gute und verlässliche Karten, somit haben wir keine Probleme mit der Wassertiefe, die meist zwischen sechs und zehn Metern beträgt. Spannend wird es, wenn wir seitlich in einen der zahlreichen Creeks abbiegen, an deren Einfahrten sich meist eine flache Sandbank befindet. Einmal über die Flachstelle drüber erwarten uns wieder Wassertiefen von bis zu zehn Metern und ein schmaler, von Mangroven überwucherter Seitenarm. Ein paar Flussbiegungen später werfen wir den Anker und fühlen uns wie im Zoo. Unzählige Vögel sitzen im Mangrovendickicht und lauern auf Beute, von kleinen Bunten Eisvögeln bis hin zu mächtigen Adlern, riesigen Fischreihern und Pelikanen. Auch gibt es hier Krokodile, die man allerdings nur schwer zu Gesicht bekommt. Sobald sie sich beobachtet fühlen tauchen sie ab. Baden sollte man hier jedenfalls nicht, auch wenn es noch so verlockend ist, gestern haben wir ein großes Krokodil nur ein paar Meter neben dem Boot gesehen. Hier gefällt es uns so gut, dass wir zwei Nächte bleiben, ausgedehnte Touren mit dem Beiboot in die angrenzenden, immer schmaleren Seitenarme unternehmen, angeln und die Ruhe genießen. Noch sind wir im Brackwasser, auch wenn der Salzgehalt hier nur noch sehr gering ist. Ein paar Meilen weiter Flussaufwärts fahren wir dann in den Süßwasserteil des Flusses. Dort hoffen wir neben den Krokodilen auch noch Flusspferde zu sehen.
Herzliche Grüße von Bord der „aracanga“ senden Riki und Martin
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
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Hallo,
wo habt ihr diese Bootstour gebucht? Wir wollen Gambia im Dezember besuchen und suchen auch so etwas!
Liebe Grüße
Pingback:Gambia River - Einmal Bambally und zurück - ahoi.blog
Hallo,
hier von der Sy Zerberus zu den Abenteurern ich wünsche euch viel Glück auf euren reisen! Der Zerberus Skipper
http://www.zerberus-34.de
Kurzer Nachtrag. Habe den Koordinator für Wasserprojekte bei VivaConAgua, Christian Wiebe, gleich selbst mal mit dem Hinweis auf Euren blog und den Beitrag zu Bombale angemailt. Vielleicht geht da ja was… Fingers crossed!
Hallo Ihr Zwei,
bin gerade auf Euren blog in der Yacht gestossen und nun direkt bei Euch gelandet. Bezüglich der Brunnenproblematik in Bombale ein Tipp: Kontaktet doch einfach mal die hamburger Organisation Viva Con Agua (vivaconagua.org). Die befassen sich mit dem Trinkwasserproblem und dem Brunnenbau in Afrika und haben dort sehr viele Kontakte und auch technische Möglichkeiten. Wer weiß – vielleicht fließt das Wasser in Bombale schneller wieder als man denkt! Sehr schöner blog übrigens! Werde mit Sicherheit häufiger mal vorbei schauen. Alles Gute, Peter
Hallo Ihr 5
Immer schön Eure Abenteuer mit zu erleben…. bin hier auf Gomera u starte wenn alles klappt nächste Woche u gehe direkt nach Banjul. Wenn Ihr Euch also wirklich Zeit lasst…. sehen wir uns i Gambia River. Haltet dich Ausschau nach einem Kat mit d Namen WALKER 😜
Viele Grüße von
Kay
Hallo Kay, wir werden mit Sicherheit noch eine ganze Weile in Gambia bleiben… Dir eine gute Überfahrt und bis bald auf dem River. Wir freuen uns! Liebe Grüße!