Cabo Cruz. Pünktlich um sieben Uhr in der Früh holen wir den Anker auf, um nicht in der angekündigten Schießübung der kubanischen Marine zu landen. Glücklicherweise fahren wir keine US-Amerikanische Flagge, am Schluss würden wir noch als Zielscheibe des imperialistischen Klassenfeindes enden …
Cabo Cruz markiert das Ende der Südküste Cubas, hier schließen sich nach Nordwesten die Jardines de la Reina, die Korlallengärten der Königin, wie sie von Kolumbus nach seiner „Entdeckung“ zu Ehren von Königin Isabella genannt wurden, an. In Wahrheit beginnt mit der „Entdeckung“ Amerikas, wie es immer so großspurig genannt wird, das dunkelste Kapitel der Karibik und das Leid seiner indigenen Bevölkerung, denn ab 1492 werden die Inseln sowie der ganze amerikanische Kontinent habgierig und blutrünstig ausgerottet, beraubt und versklavt. Die ganze Heroisierung von Kolumbus und Co. sind immer wieder Gesprächsstoff während unserer Zeit auf den großen Antillen, für uns ist es nicht nachvollziehbar, wie die weißen Imperialisten auf beiden Seiten des Atlantiks immer noch als Helden verehrt werden. Aber das nur am Rande.
Zurück zur Reise. Der Wind weht mit angenehmen 15 Knoten aus Süd-West und mit halbem Wind segeln wir außerhalb der Inselkette entlang. Als Ziel haben wir uns einen relativ offenen Ankerplatz gut 90 Meilen entfernt ausgesucht, den wir auch bei Dunkelheit anlaufen können, denn die Schießübung hat unsere Pläne etwas durcheinandergeworfen. Ursprünglich wollten wir von Cabo Cruz weg eine Nachtfahrt einlegen, um dann bei Tageslicht am nächsten Ankerplatz anzukommen. Somit wird es jetzt eine Tagfahrt und ein Ankommen bei Dunkelheit werden. Die Hydrovane verrichtet ihre Arbeit zuverlässig und steuert das Schiff und wir rauschen zu Beginn der Überfahrt mit einem Schnitt von knapp acht Knoten nur so dahin. Am Horizont erkennen wir in Form einzelner Palmwipfel die ersten Inselchen des Archipels, die durch die Spiegelung über dem Wasser zu schweben scheinen. Im Laufe des Tages lässt der Wind etwas nach und unsere utopische Hoffnung, die Entfernung bei Tageslicht machen zu können schwindet dahin. Gegen Abend verlässt uns dann auch das letzte bisschen Brise und wir dümpeln mit ein bis zwei Knoten über einen spiegelglatten Atlantik. Für die letzten Meilen muss dann doch der Diesel herhalten, wie leider des öfteren, seit wir die Dominikanische Republik verlassen haben. Glücklicherweise konnten wir unseren Tank in Santiago de Cuba für umgerechnet 17 Cent / Liter vollmachen.
Für Kira und Naia ist es nichts Besonderes, Tag und Nacht zu segeln, und wir versuchen, auch auf den Überfahrten die ganz normale Tagesroutine aufrecht zu erhalten. Gegen 18 Uhr gibt es Abendessen und danach heißt es ab in die Koje. Der einzige Unterschied ist, dass Kira auf Überfahrten nicht in ihrer Kabine im Bug schläft, wo die Bootsbewegungen deutlich stärker sind, sondern in der Achterkabine in ihrer Seekoje, wie sie diese ganz stolz nennt.
Gegen Mitternacht lokaler Zeit (während des Segelns und im Logbuch verwenden wir immer die Koordinierte Weltzeit UTC) tuckern wir langsam zwischen die beiden kleinen Inselchen Cayo Anclitas und Cayo Caballanes, wo wir dann auf vier Meter Wassertiefe in sicherem Abstand zum Ufer den Anker fallen lassen. Morgen früh, wenn es wieder hell ist, möchten wir dann etwas näher am Strand ankern. Nachts einen unbekannten Ankerplatz anzusteuern ist immer aufregend. Müde fallen wir in die Kojen und sind schon gespannt, wie unser Ankerplatz bei Tageslicht denn aussehen wird.
Hier in den Jardines de la Reina erwartet uns das Kontrastprogramm zu unseren letzten Stopps: Denn neben einer spannenden Geschichte und Kultur hat Cuba auch eine beeindruckende Natur und eine unberührte Inselwelt mit Riffen und Mangroven, Fischen und Vögeln, Haien und Rochen, Krokodilen und Delfinen zu bieten. Und genau das bietet sich uns auch, als wir pünktlich zum Sonnenaufgang unseren ersten Kaffee trinken: Ein langer, weißer Sandstrand vor dem Bug, klares Wasser und Korallen unter dem Kiel und Pelikane, Fregattvögel und Tölpel um das Boot herum. Wir holen den Anker und fahren etwas näher an den Strand, wo wir auf drei Meter Wassertiefe auf Sand ankern. Es herrscht eine ziemlich starke Strömung, definitiv deutlich stärker, als wir schwimmen könnten, so dass wir uns nicht trauen, vom Boot weg zu schwimmen. Ein kleines Fischerboot, das kurz darauf bei uns längs kommt und uns mehrere Lobster schenkt, bestätigt noch einmal, dass wir hier nicht schwimmen sollten, wegen der Haie und Krokodile. Auf genauere Nachfrage hin meinen sie jedoch, dass die Krokodile eher das sumpfige Innere der Inseln und die Mangroven bevorzugen und hier und am Strand nicht anzutreffen sind. Wir machen das Dinghy klar und uns auf den Weg in das Laguneninnere, wobei wir leider keine Krokodile entdecken.
Da weder Kira noch Naia Lust auf Dinghy fahren und Lagune erforschen haben, sondern viel lieber an den Strand möchten, machen wir uns auf den Weg dorthin. Außer zwei Fischerbooten sehen keine andere Menschenseele hier, wir haben den Strand und die ganze Ankerbucht für uns alleine. Lediglich ein neugieriger Leguan interessiert sich für uns und vielmehr für unsere mitgebrachte Melone und wir genießen das Robinsonleben. Die beiden Fischerboote versorgen uns mit reichlich fangfrischem Lobster, von denen es hier nur so wimmelt, und wir wissen am Abend gar nicht, wohin mit dem ganzen Hummerfleisch. Einen Teil grillen wir, einen Teil gibt es mit Nudeln und Sauce und den Rest kochen wir als Pastete ein. Lecker!
Zwei Tage bleiben wir an diesem traumhaften Ankerplatz, dann holen wir den Anker auf, setzen die Segel und dümpeln die wenigen Meilen weiter zu unserem nächsten Ziel, der von Mangroven, Sandstrand und Korallen umgebenen Lagune Cayo Cuervo. Flaches Wasser und leichter Wind bescheren uns einen wunderbaren Segeltag und bereits nach drei Stunden sind wir an unserem nächsten Ankerplatz angekommen, der nicht minder schön als der vorherige ist. Direkt vor uns erstreckt sich eine bilderbuchtürkise Sandbank, den Rest der Lagune säumen Mangroven und neben uns ankert unser Freund Thomas, den wir eigentlich in Cienfuegos wieder erwartet hätten. Leider ist das Wasser etwas zu trüb, um schnorcheln zu gehen, und so holen wir schon am nächsten Tag den Anker auf, um wieder ein paar Meilen weiter zu der kleinen Insel Cayo Alcatracito zu segeln, wo wir zwischen Insel und Riff ankern und uns gutes Schnorcheln erhoffen.
Wir werden nicht enttäuscht, das Wasser ist glasklar und mit dem Dinghy sind es nur ein paar Meter zum Riff, wo wir allerlei bunte Fische vom kleinen Doktorfisch bis zum majestätischen Adlerrochen, vom farbenfrohen Papageifisch bis zum grau-schwarzen Barrakuda sehen, wo Weich- und Hartkorallen in vielen Farben und Formen das Bild bestimmen und wir seit längerem wieder einmal ein relativ intaktes Riff sehen. Drei Viertel der Crew genießen das Schnorcheln in den Jardines de la Reina, während Naia ihren Spaß im Schwimmring hat. Außer Schnorcheln und Sandeln gibt es nicht viel zu tun hier, trotzdem genießen wir die Tage in vollen Zügen und hätten wir nicht eine nahende Hurrikan-Saison, einen Flug für einen dreiwöchigen Heimaturlaub und ein bald auslaufendes Visum, so wären wir mit Sicherheit noch einige Zeit länger hier geblieben. So allerdings markiert Cayo Alcatracito das Ende unserer Zeit in den Korallengärten der Könin und wir machen uns am nächsten Tag auf den Weg zu unserem nächsten Ziel, der Stadt Cienfuegos knapp 100 Meilen im Nordosten. Bei gutem Wind machen wir uns gegen neun Uhr Morgens auf den Weg und mit einem Schnitt von sieben Knoten kommen wir zügig voran. Nach ein paar Stunden auf See, einer Schule Delfine und einem Pottwal, der mehrmals direkt neben uns auftaucht, werden wir, als wären Delfine und Pottwal nicht schon Attraktion genug, über mehrere Stunden hinweg von einer Schule kleiner Schwertwale begleitet.
Diese kleineren Artgenossen der Orcas werden bis zu sechs Meter lang und sind ähnlich verspielt wie ihre anderen Artgenossen, die Delfine. Sie springen auf beiden Seiten vom Boot, spielen mit unserer Bugwelle und sorgen für Jubelgejauchze speziell bei unseren beiden Zwergpiraten Kira und Naia. Die beiden kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, stehen mit großen Augen am Bug und beobachten die Kunststücke der eleganten Meeressäuger. Es ist wirklich ein rundum gelungener Segeltag. Unter vollen Segeln geht es in die Nacht und nachdem der Wind nach einer kurzen Verschnaufpause in der Nacht kräftig zunimmt, müssen wir die Segelfläche drastisch verkleinern, um nicht bei Dunkelheit in die verzweigte Bucht von Cienfuegos einzulaufen. Das Wasser ist ziemlich aufgewühlt und in der flussartigen Einfahrt zur Bucht, die wir genau zur ersten Dämmerung erreichen, steht eine kurze und steile Welle, die die ARACANGA kräftig von einer Seite auf die andere wirft. Kira und Naia scheint das nichts auszumachen, sie schlafen tief und fest und erst, als das Wasser im Inneren der Bucht ruhiger wird, kommt eine gut gelaunte Kira ins Cockpit geklettert. Es gibt Kaffee und Kakao und gemeinsam suchen wir nach den roten und grünen Tonnen, die das Fahrwasser markieren. Zwei weitere Stunden später ankern wir bei kräftigem Wind vor der Marina von Cienfuegos und freuen uns auf das nächste Cuba-Kapitel: Cienfuegos und Havanna
Liebe Grüße senden die vier ARACANGAs
Schöner Bericht. Weckt wieder die Sehnsucht nach Fahrtensegeln in mir … Alle Gute weiterhin 🙂