Zurück in Lamin steht die letzte Woche vor dem Heimaturlaub ganz im Zeichen der Vorbereitungen für die Regenzeit in Gambia. Mein Flug nach Deutschland, wo wir über den Sommer sein werden, geht am 27. Juni und bis dahin muss alles klar Schiff und die „aracanga“ für Wind, Sturm und Regen während der Sommermonate bereit sein. Kein großes Ding möchte man denken und um ehrlich zu sein, so extrem viele Vorbereitungen sind es wirklich nicht. Trotzdem ist die Zeit etwas knapp, denn in Gambia Dinge zu erledigen braucht einfach länger als in Deutschland, nicht nur wegen des Wetters, das ab mittags kaum mehr Arbeiten zulässt, auch wegen der Kultur und vor allem wegen der fehlenden Infrastruktur.
Schnell mal die Segel abschlagen und mit Süßwasser abspülen geht nicht, denn Süßwasser ist kostbar und muss aus dem Dorf mit dem Eselskarren angeliefert werden. Also werden die Segel abgeschlagen, an Land gepaddelt, dort an einer langen Leine aufgehängt und zunächst mit Salzwasser abgewaschen. Der in Westafrika allgegenwärtige Sand hat seinen Weg bis in jede Ritze und Falte des Großsegels gefunden, trotz Lazybag und Mastpersenning. Mit einer Plastikflasche mit Loch im Deckel spritze ich die Segel anschließend möglichst effizient und wassersparend mit Süßwasser ab, so dass ich sie nach dem trocknen zusammen mit meinem Freund Gee falten und an Bord transportieren kann. Nach der Beautykur sehen die Tücher wieder aus wie neu. Neben des Segeln müssen die Relingstaschen abmontiert, der Sonnenschutz abgebaut, das Lazybag abgenommen und alles mit Süßwasser abgewaschen werden. Es sind zwar nur drei Monate, aber das Material muss ja nicht unnötig der afrikanischen Sonne und dem Regen ausgesetzt werden. Dann heißt es Beiboot putzen und verstauen (Wahnsinn, wie viele Pocken und Algen sich in nur einem Monat darauf bilden), unter Deck klar Schiff machen und packen. Klar Schiff ist schnell gemacht, die Salonpolster wandern alle in die Bugkabine und in die Hundekoje, falls bei den Püttings der ein oder andere Tropfen Wasser seinen Weg unter Deck finden sollte (was zwar nicht bei einem Regenschauer passiert, aber bei mehreren Tagen Starkregen schon vorkommen kann). Die sauberen und trockenen Segel wandern ebenfalls in den Bug unter die Matratze, damit diese von allen Seiten gelüftet wird und, selbst wenn ein Tropfen Wasser den Weg durch das Vorluk findet, nicht feucht werden oder schimmeln kann. Am Tag meiner Abreise nach Deutschland ist noch genau eine Eimerladung Süßwasser im Tank, die ich mir zur Feier des Tages als Dusche gönne, bevor es zum Flughafen geht.
Foniato – Bis Bald!
Aber nicht nur klar Schiff machen ist angesagt, auch einige Einladungen und Besuche stehen noch auf dem Programm: Kaddy, der wir dank der vielen großzügigen Spenden den Besuch des College ermöglichen, lädt mich einen Tag nach Brikama zu ihrer Schwester ein, bei der sie die kommenden zwei Jahre während der Ausbildung wohnen wird. Es gibt „Benechin“, ein lokales Reisgericht und natürlich „Ataya“, den traditionellen, sehr süßen grünen Tee. Auch muss ich unbedingt noch ein paar Abende mit Gee und seiner Familie verbringen, bevor ich für drei Monate nach Hause fliege. Auf dem Weg zu ihm, der von der Lamin Lodge einmal durch den Ort führt, werde ich fast immer von Kindern begleitet, die mich an der Hand halten und abwechselnd ein paar hundert Meter des Weges begleiten.
Bei Gee angekommen steht seine Mama, die mich in Gedanken schon adoptiert hat, im Hof, breitet die Arme aus und ruft laut „My Son!“, und wenn ich ihr ein Foto von Riki auf dem Handy zeige hat sie leuchtende Augen, küsst das Bild und wiederholt immer wieder „My daughter in law… she´s so beautyful!“. Es ist schön, Zeit mit den Menschen vor Ort zu verbringen und ich bin immer wieder begeistert von der Herzlichkeit der Einheimischen. Trotz, dass das Leben in Westafrika karg, hart und sehr einfach ist, sind die Menschen enorm gastfreundlich und teilen das wenige, was sie besitzen großzügig mit Nachbarn, Freunden und Fremden.
Abends, wenn ich von Gee nach Hause zur „aracanga“ laufe, werde ich regelmäßig zum „Ataya“ eingeladen und jeden Morgen kommt Gee an Bord vorbei, um gemeinsam Kaffee zu trinken. „We will miss you“, höre ich immer wieder, wenn ich erzähle, dass ich für drei Monate nach Deutschland fliegen werde und dann werden Abschiedsgeschenke angeschleppt: Eine Tüte voller gerösteter Cashewnüsse, ein Sack voll Mangos, ein traditionell afrikanisches Outfit oder selbstgebackene Erdnusskekse. Der Rucksack für den Heimflug wird immer voller und am Schluss weiß ich gar nicht mehr, wohin mit den Geschenken.
Kaddy holt mich zusammen mit ihrem Cousin an der Lamin Lodge ab, um mich zum Flughafen zu bringen. Das Zeitverständnis hier in Afrika ist etwas lockerer als in Europa und über die Monate habe ich mich auch ganz gut mit dieser Mentalität arrangiert und angefreundet.
Da der Flieger darauf jedoch keine Rücksicht nimmt mache ich mit Kaddy aus, dass wir uns bereits um 18 Uhr treffen. Für die fahrt zum Flughafen brauchen wir etwa zehn Minuten und um spätestens 20 Uhr sollte ich dort sein. Wie erwartet tauchen die Beiden dann auch um kurz vor Acht auf und liefern mich pünktlich beim Flieger ab. Natürlich nicht, ohne mir noch ein traditionelles Dress in die Hand zu drücken… „We will miss you. See you in October!“ Auch, wenn ich mir keinerlei Sorgen um das Boot mache, weder wegen Kriminalität noch wegen des Wetters, fühlt es sich komisch an, unser Zuhause abzusperren und für die nächsten drei Monate an einer Boje in einem Seitenarm des Gambia River zurück zu lassen. Und mit Gee haben wir einen guten und fähigen Freund, der regelmäßig nach dem rechten an Bord der „aracanga“ schaut. Foniato – bis bald!
Wir werden über den Sommer in Deutschland sein und es ist schön, Freunde und Familie wieder zu sehen. Ende Oktober geht es dann zurück auf die „aracanga“ und die Reise weiter. Bis dahin steht schon so einiges auf dem Programm: Kommendes Wochenende ist die 24-Stunden-Regatta am Ammersee, die wir an Bord einer guten, alten Freundin segeln werden…
Und – keine Sorge – es wird auch während der drei Monate regelmäßig Blogbeiträge hier geben. Wir haben schon eine Liste an interessanten Themen zusammengestellt.
Liebe Grüße,
Riki (der es mittlerweile wieder recht gut geht)
und Martin (der wohlbehalten in Deutschland angekommen ist)
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
Hier könnt Ihr unseren Blog als monatlichen Newsletter abonnieren
–> unsere Kaffeekasse <–