Nach Cuba mit einem eigenen Boot zu segeln ist schon seit einiger Zeit ein Traum von uns. Lange sind wir hin und hergerissen, ob das eine gute Idee, oder ob es zu kompliziert ist. Wir hören viele Geschichten, dass die Bürokratie erschlagend sei und man wenig Bewegungsfreiraum habe. Das ist alles quatsch, mit der Dominikanischen Republik verglichen ist der Bürokratieaufwand hier in Cuba gering und, bis auf wenige Ausnahmen, dürfen wir uns mit unserem Boot frei auf dem Wasser und auch sonst frei im Land bewegen.
Von Anfang an, zuerst einmal müssen wir ja von der Dominikanischen Republik aus nach Cuba segeln. „Ihr müsst spätestens am 7. April ausklarieren, ansonsten müsst ihr neue Visa zahlen“, heißt es von dem freundlichen Beamten als wir in Boca Chicca ankommen. Wir klarieren am 7. aus, um dann festzustellen, dass wir unsere Visa um einen Tag überzogen haben. Tja, wir hätten es eigentlich von Anfang an besser wissen sollen, ein 30-Tage-Visum ist auch im Monat März mit seinen 31 Tagen nur 30 Tage gültig, und nicht einen Monat. Das kostet uns mal eben über 200 Euro, was unseren Wunsch, endlich von hier abzulegen, noch einmal verstärkt.
Dann geht es los, zuerst in eine kleine Flaute und dann mit gutem Wind entlang der Südküste der Dominikanischen Republik und Haitis. Am zweiten Tag macht sich der kollektive Schlafmangel der ganzen Crew bemerkbar. In der ersten Nacht auf See schläft man nie gut und aufgrund der Nachtwachen auch noch deutlich weniger als sonst. Wir sind alle gereizt und Kleinigkeiten lassen schlechte Stimmung und Laune aufkommen. Es ist ein Tag zum Alles hinschmeißen, abzubrechen und nach Hause zu fliegen. Unser Glück, dass die nächste Küste die von Haiti ist, wo wir aktuell nicht unbedingt an Land gehen möchten und dem doch das Bootsleben vorziehen. Es ist ein kurzes, dafür heftiges Aufbrodeln der Gefühle. Der Gedanke, hinzuschmeißen, abzubrechen und aufzugeben ist bald wieder verflogen, jedoch schwebt die schlechte Stimmung von diesem Tag wie ein Schatten noch ein paar Tage länger über uns. Was uns beruhigt, ist dass wir von anderen Eltern dreijähriger Kinder ganz ähnliche Geschichten kennen, ganz gleich ob Boots- oder Landkinder.
Was uns im Moment jedoch fehlt, sind andere Kinder. Seit Martinique haben wir kaum und wenn dann viel zu kurz andere Kinder getroffen und auch unsere Routenplanung Panama und dann nach Süden wird daran erstmal nichts ändern. Daher beschließen wir wieder einmal, unsere Pläne etwas zu ändern, Patagonien für den Moment nach hinten zu schieben, und die Hurrikansaison dort zu verbringen, wo wir hoffen, auf ein paar andere Boote mit kleinen Kindern zu treffen, nämlich im Rio Dulce in Guatemala. Es ist ein Pläne ändern für die Kids, ein Zugeständnis ans Familiensegeln. Gleichzeitig aber braucht auch unsere ARACANGA etwas Zuneigung, die wir ihr in Guatemala gut zukommen lassen können.
Der Rest der Überfahrt ist schön und entspannt. Wir runden die Südwestecke Haitis und nehmen Kurs nach Norden, in Richtung Santiago de Cuba. Der Wind dreht etwas und wir kommen näher an die Küste und an ein ausgeprägtes Flach als geplant. Gleichzeitig nimmt der Wind ab wir treiben mehr als wir segeln. Alles klar, das heißt Maschine starten, um nicht über das Flach, wo es von Fischern, Netzen und Bojen nur so wimmelt, getrieben zu werden. Wir sind ohnehin deutlich besser vorangekommen als befürchtet, der Wind war stärker und beständiger als vorhergesagt. Es ist etwa 16 Uhr und für die letzte Nacht muss der Diesel ran. Wir ziehen unsere Linie durch riesige Felder von Sargassum auf einer spiegelglatten See. Dann, am Spätnachmittag, sichten wir drei Pottwale nicht weit von unserem Boot und später werden noch eine Zeitlang von Delfinen, großen Tümmlern, begleitet.
In der Nacht nehmen wir Gas weg und dümpeln langsam der Küste Cubas entgegen, um nicht vor Sonnenaufgang in die Bucht von Santiago einzulaufen. Cuba hat die gleiche Zeitzone wie die Dominikanische Republik, liegt aber weiter westlich, was bedeutet, dass es morgens später hell und Abends später dunkel wird. Eigentlich sind wir sechs bis sechs Uhr gewohnt, zwölf Stunden hell und zwölf dunkel. Hier geht die Sonne erst um sieben auf und pünktlich fahren wir in die Bucht, rufen per Funk den Hafen an und melden uns an. Die Einfahrt in die weitverzweigte Bucht ist wunderschön. An Steuerbord thront ein altes Fort der Spanier auf den Felsen, an Backbord zieht die malerische kleine Insel Granma an uns vorbei. Dann liegt der Hafen vor uns und wir werden an einen Steg gelotst, wo wir längsseits festmachen. Willkommen in Cuba. Was uns als allererstes auffällt ist die enorme Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit der wir empfangen werden, sowohl am Funk als dann auch persönlich. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl.
Ein Arzt misst unsere Körpertemperatur und sieht sich einmal im Boot um, riecht am Kühlschrank und stellt fest, dass alles den Hygieneansprüchen genügt. Wir müssen keinerlei Obst, Gemüse, Eier oder Ähnliches entsorgen, wie wir befürchtet hatten. Tja, je weiniger Leite ein Land besuchen, desto mehr Halbwissen kursiert darüber. Dann geht es ans Einklarieren. Gesundheitsbehörde, Immigration, Zoll, Hafenmeister und schließlich Marinaanmeldung. Das ganze Procedere passiert in einem einzigen Büro, es wird viel in Computer getippt und noch deutlich mehr in handgeschriebene Listen eingetragen. Im Hintergrund hängt ein Bild mit Zitaten und Portrait von Fidel, darunter zwei Schreibtische und eine entspannte Stimmung. Die Bürokratie ist aufwendig, aber im Vergleich mit anderen Ländern nicht ungewöhnlich. Wir bekommen unsere Visa in die Pässe gelegt und gestempelt, dann sind wir offiziell im Land. Ein paar Stunden später kommt auch Thomas mit der IRMI an und geht auf der anderen Stegseite längs. Die Neugierde ist riesig, wir freuen uns auf Cuba.
Viele liebe Grüße senden wir vier, Naia, Kira, Riki und Martin