Knapp tausend Seemeilen in sechseinhalb Tagen, von Las Palmas nach Banjul sind wir zügig unterwegs. Der Windmesser zeigt meist zwischen 20 und 25 Knoten an, manchmal auch bis 30 und Wellen zwischen zwei und fünf Metern Höhe lassen die Logge der „Ivalu“ regelmäßig für kurze Zeit in den zweistelligen Bereich hochschnellen.
06.12.2020
Jetzt sind wir seit zwei Tagen unterwegs. Die letzte Nacht vor der Abfahrt sind wir in der Marina, wahrscheinlich zum letzten Mal für längere Zeit, um dort noch einmal Wasser- und Dieseltank aufzufüllen und die Batterien ordentlich voll zu laden. Dann geht es am 04. Dezember um 17.00 Uhr los, unter Maschine aus dem großen Hafen von Las Palmas und weiter unter Segel in die Nacht. Thomas legt mit seiner „Irmi“ gleichzeitig ab, aber schon nach einigen Stunden sehen wir sein Licht nicht mehr, da die „Ivalu“ aufgrund ihrer etwas größeren Länge auch etwas schneller ist. Einen Tag hören wir uns noch am Funk, dann ist die Distanz zwischen den beiden Booten zu groß. Wir segeln unter Großsegel auf Steuerbord und ausgebaumter Genua auf Backbord und kommen zügig voran. Es hat 15 – 20 Knoten Wind und eine kurze Schaukelwelle, die uns die erste Nacht kaum Schlaf finden lässt. Aber egal wie die Bedingungen sind, in der ersten Nacht einer Überfahrt ist selten an Schlaf zu denken.
Tagsüber ist es warm, nachts ist es kalt und wir sitzen im Ölzeug mit langer Unterwäsche im Cockpit. Auch sind viele kleine Regen- und Gewitterzellen unterwegs, die wir tags und nachts beobachten, um im Falle des Falles rechtzeitig die Segelfläche reduzieren zu können.
Das Segeln mit Baby ist sehr cool, aber auch sehr anstrengend, da gerade bei Seegang immer jemand bei ihr sein muss. Der Seegang stört sie zwar nicht, und egal wie sehr die „Ivalu“ schaukelt, Kira steht in dem kleinen Zwischenraum zwischen Cockpit und Niedergang, hält sich mit einer Hand an der Stufe fest und winkt mit der anderen den von achtern anrollenden Wellen zu. Und wenn ein Seevogel vorbeifliegt, ist sie ganz aus dem Häuschen, zeigt ihren einen Zahn, ruft und kreischt, freut sich und winkt noch ausgelassener. Schwierig ist das ins Bett bringen. Am Anker funktioniert es gut, dass sie relativ schnell in der Koje liegend einschläft. Bei den starken Rollbewegungen hingegen muss Riki sie in die Trage nehmen, einschläfern und dann so ablegen, dass sie auch bei großen Wellen, die das Boot regelmäßig weit auf die Seite legen, nicht hinauspurzeln kann.
09.12.2020
Die Welle ist größer und immer zwischen drei und fünf Metern von Nord. Blöderweise gesellt sich ein zweites Wellensystem aus östlichen Richtungen dazu, dass eine teils konfuse Kreuzsee entsteht. Gerade in der ersten Nachthälfte, wenn der Mond noch nicht aufgegangen ist, sind die Wellen kaum vorhersehbar.
Mit jedem Tag geht der abnehmende Mond eine knappe Stunde später auf, so dass die Nächte während der Überfahrt immer dunkler werden. Aber die Nächte werden auch wärmer. Zwar tragen wir nachts immer noch Ölzeug wegen des überkommenden Spritzwassers, die lange Unterwäsche jedoch bleibt im Schapp.
Auch der Wind nimmt auf bis zu 35 Knoten zu und wir segeln die meiste Zeit nur unter einfach gerefftem Großsegel, was die „Ivalu“ ausgeglichen auf dem Ruder liegen und die Windfahnensteuerung somit zuverlässig arbeiten lässt. Unsere große Genua setzen wir gar nicht mehr, nur hin und wieder die Fock, wenn der Wind auf unter 25 Knoten abnimmt. Jeden Tag machen wir Etmale von über 150 Seemeilen und segeln im Schnitt über sechs Knoten. Noch haben wir 300 Seemeilen bis Banjul, und wir rechnen damit übermorgen anzukommen.
Haben wir am Anfang der Überfahrt kaum Tiere gesehen, sehen wir jetzt permanent fliegende Fische um das Boot und morgens manch unglücklichen Bruchpiloten an Deck. Ein Tölpel nutzt die „Ivalu“ für ein Nickerchen und sitzt auf der Reling. Ob es wirklich erholsam ist wagen wir zu bezweifeln, der Arme ist sehr damit beschäftigt, sein Gleichgewicht zu halten. Wir sehen stattliche Meeresschildkröten und große Schulen blau-weißer Delfine, die kurz mit unserer Bugwelle spielen, eindrucksvolle Sprünge darbieten und dann weiterziehen.
11.12.2020
Wir machen genau das, wovon wir den anderen abraten: Wir segeln bei Dunkelheit in die Flussmündung des Gambia auf Banjul zu. Die letzte Nacht ist spannend, aber keine Überraschung. Überall um uns herum blinkt und blitzt es, hunderte kleine und größere Pirogen sind entlang der senegalesischen und gambischen Küste unterwegs. Um besser gesehen zu werden, schalten wir zu unserer Navigationsbeleuchtung auch noch das Dampferlicht ein, das unser Vorsegel leuchten lässt. Es ist unmöglich, die Entfernung zu den Pirogen einzuschätzen. In einem Moment denkt man, das Boot mit den drei Weißen Lichtern ist noch sehr weit weg, im nächsten Moment stehen drei Fischer mit Kopflampen nur eine Bootslänge von uns entfernt in ihrer Piroge. Eine andere Piroge kommt mit Vollgas auf uns zu, als Beleuchtung dient nur ein offenes Feuer an Deck, auf dem Tee gemacht und gekocht wird. Sie drehen erst so knapp neben uns ab, dass Riki von unter Deck die Funken sprühen sieht und ich dem Steuermann die Hand geben könnte. Er grinst mich breit an heißt uns willkommen in Gambia: „Welcome! Inimbara, inimbara!“ Mit zitternden Knien rufe ich „Inimbara!“ zurück.
Wir sind in Banjul.
Das Boot ist von der Überfahrt in eine Salzkruste gepackt. Um 8.45 Uhr in der Früh liegt der Anker auf fünf Metern Tiefe vor Banjul. Es ist viel los im Hafen, die Fischer in ihren bunten Pirogen laden den Fang an und große Frachter werden entladen. Am Funk wird uns gesagt, dass wir zur Clearance an Land kommen sollen. Also pumpen wir das Dinghi auf, hängen den Außenborder ran und das Abenteuer Einklarieren beginnt, was jedoch einen eigenen Blogartikel wert ist, der die Tage folgen wird.
Es ist so schön, wieder hier zu sein. Alles Weitere folgt. Bis dahin viele liebe Grüße von Bord,
die vier Finkis
Liebe Segler,
aus dem warmen Ludenhausen wünschen Euch mit FFP2 -maske die Bergfelds Schöne Weihnachten in Gambia.
Liebe Grüße vom Kässpatzenessen, Birgit und Jürgen