Zurück in Patagonien

Sieben Tage benötigen wir von Haustür zu Haustür, oder genauer gesagt vom Niedergang unserer ARACANGA bis zur Haustüre meiner Mama. (Niedergang klingt so morbid, aber so heißt nun einmal der Durchstieg vom Cockpit hinab in die Kajüte). Fähre von Puerto Aguirre nach Chacabuco, Taxi, Bus, Bus zum Flughafen Balmaceda, Flug nach Santiago, Flug nach Panama, Flug nach Madrid, Flug nach Frankfurt, wo wir abgeholt werden. Exakt auf die Stunde eine Woche später sind wir da, große Wiedersehensfreude. Dreieinhalb Monate sind wir in Deutschland, über den Sommer von Juni bis September, verbringen Zeit mit der Familie, treffen Freunde und Bekannte, halten Vorträge über unsere Reise und genießen den Heimaturlaub.

Vortrag über unsere Reise im AYC
Reisevortrag beim Ammersee Yacht Club

Die Kids haben zunächst einen ausgewachsenen Kulturschock, jeder kennt sie aber sie kennen niemanden, und sie haben Heimweh nach der ARACANGA. Aber schon kurze Zeit später finden sie sich wie selbstverständlich zurecht, schließen Freundschaften, erkunden die neue Umgebung und toben mit den Cousinen und ihrem Cousin durch den Garten. „Es ist schön hier, aber wohnen tun wir auf der ARACANGA“, unsere Sorge, dass Kira und Naia nicht mehr zurück auf unser Boot möchten, ist völlig unbegründet. So genießen wir einen wunderbaren Sommer in unserem kleinen Heimatdorf Pitzling und stellen wieder einmal fest, wie schön es ist. Wir sind gern dort und unsere ganze Segelreise ist keine Flucht, sondern purer Abenteuergeist, Reiselust und Neugierde. Und es sind wieder einmal das weinende und das lachende Auge, Vorfreude und Abschiedsschmerz, die uns drei Monate später auf dem Weg zum Flughafen begleiten. Überwiegen beim zum Abschied winken noch Wehmut und Abschiedsschmerz, wird je näher wir unserer ARACANGA kommen die Vorfreude umso größer.

Auf dem Cerro San Cristobal
Über den Dächern Santiagos

Auto, Flug, Flug, Flug, wir sind in Santiago. Chile hat uns wieder und aufs Neue sind wir verzaubert von Land und Leuten. Die Beamten beim Zoll sind so begeistert von unserer ganzen Geschichte, dass sie diese bis ins letzte Detail hören möchten. Einstimmig beschließen sie, dass unser Berg von Taschen mitsamt seinem kompletten Inhalt an Ersatzteilen und Heizungsradiatoren, Holzofen samt Ofenrohren, Werkzeug und Messgeräten, Schulmaterialien, Büchern und Kinderspielzeug zollfrei ist. Händeschütteln, Küsschen und winken, dann schieben wir unsere Gepäckwagen durch die automatische Glastüre. Wir sind in Santiago, mitsamt allem Gepäck, trotz kurzer Umstiegszeiten und Streik in Madrid ohne einen Flug verpasst zu haben, und obendrein ohne Zollgebühren. Unser Freund Pablo holt uns am Flughafen ab, zeigt uns ein paar Ecken der Stadt. Mit der Gondel geht es auf den Cerro San Cristobal, einen Hügel mit wunderbarer Aussicht über die Sieben-Millionen-Stadt und auf die umliegenden Andengipfel. Von hier aus kann man selbst den in Argentinien liegenden Aconcagua, den mit 6.961 Metern höchsten Berg Amerikas, sehen.

Martin, Kira, Riki und Naia
Zurück in Patagonien

Nächster Tag, ein letzter Flug: Santiago nach Balmaceda. Hier holt uns Gabriel ab und fährt uns mit seinem Auto bis nach Puerto Aysen. Im Gegenzug bringen wir ihm Ersatzteile für sein Boot aus Deutschland mit. Eine Nacht in Aysen, dann mit dem Taxi zur Fähre. Sechs Stunden später: aus der Ferne können wir durch die großen Fenster der Queulat die Insel Huichas, das Dorf Puerto Aguirre und dort einen ganz kleinen roten Punkt am Ufer erkennen. Die Kinder jubeln, wir grinsen glücklich und kurz darauf sitzen wir auf einem Berg von Taschen und Koffern auf der Ladefläche eines Pickups, der uns die letzten Meter nach Hause bringt. Bienvenidos, Welcome home. Sicher vertäut und ganz ruhig schwimmt unsere ARACANGA am Steg der Marina Austral, genau wie wir sie zurückgelassen haben.

Fürs Erste stellen wir die Koffer und Taschen bei Jaime, dem Betreiber der kleinen Marina, unter. An Bord ist alles klar, alles funktioniert und außer etwas Schimmel hier und da, was bei dem feuchten Klima kein Wunder ist, gibt es keine negativen Überraschungen. Hier auf der Südhalbkugel löst gerade das Frühjahr den Winter ab und es ist kalt, was zu erwarten war. Außerdem ist es windig. Am zweiten Tag messen wir 54 Knoten, das entspricht 100 km/h. Wir schmeißen die Heizung an und verbringen die nächsten Tage damit klar Schiff zu machen, Koffer für Koffer auszupacken und zu verräumen.

Isla Huichas und Puerto Aguirre

Neben unserer ARACANGA erwarten uns hier zwei dicke Rollen Isoliermaterial, das es zu verarbeiten gilt. Isolieren müssen wir in erster Linie nicht der Kälte, sondern des Kondenswassers halber. Ist es draußen kalt, leben wir hier zeitweise in einer Tropfsteinhöhle. Mittlerweile sind alle drei Kabinen isoliert und zwei der vier neuen Heizungsradiatoren sind installiert. Es ist trocken unter Deck und unsere Klamotten, Bücher und sonstigen Dinge können endlich zurück in die Regale geräumt werden, ohne ständig vom Kondenswasser, das von der Unterseite der Laufdecks tropft, nassgeregnet zu werden.

Am Hafen von Puerto Aguirre

Kira und Naia gehen unter der Woche in den Kindergarten, was uns die Zeit gibt, das Boot für mindestens eine weitere Saison im Kalten vorzubereiten. Der Plan ist, in etwa zwei bis drei Wochen abzulegen. Vorher möchten wir noch den kleinen Holzofen samt Kamin einbauen, Lebensmittel und Diesel bunkern und sonst noch ein paar Kleinigkeiten erledigen, bevor wir in die Einsamkeit des südlichen Patagoniens segeln. Der Plan ist, während der nächsten Monate über den Golf von Penas und über die Magellanstraße in den Beagle-Kanal bis nach Feuerland, genau genommen zur südlichsten Ortschaft der Welt, Puerto Williams, zu segeln. Dort planen wir, Anfang kommenden Jahren anzukommen. Wie es dann weitergeht, ob wir einen Südwinter (Südwinter entspricht dem Sommer auf der Nordhalbkugel) in Feuerland verbringen oder zurück nach Norden segeln, steht noch offen. Sicher hingegen ist, dass wir auf der Pazifikseite bleiben werden und, außer vielleicht für einen kurzen Abstecher, nicht zurück in den Atlantik segeln werden.

Herzliche Grüße aus dem tiefen Süden schicken die vier ARACANGAs Riki, Kira, Naia und Martin


Eine spannende Geschichte aus einer phantastischen Welt – inspiriert von unseren Erlebnissen

2 Kommentare

  1. Viel Spaß und ahoi 🏴‍☠️ passt auf euch auf lg aus Pitzling

  2. Willkommen zurück in Patagonien. Euch eine gute und erlebnissreiche Reise in den Süden.
    Liebe Grüße von der JOSA, derzeit auf den Gambier’s 😉

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