Die Vorbereitungen zur Weltumsegelung sind in vollem Gange, der Countdown läuft. Bis Ende Mai sind es noch knapp 12 Wochen, ab dann sind wir arbeitslos. Oder vogelfrei. Wie man es nennen möchte. Und bis Anfang Juli, unseren anvisierten Starttermin ist es auch nicht viel länger hin. Bis vor Kurzem ist es uns noch wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen, aber so langsam realisieren wir, dass der Sommer sehr schnell da sein wird und dass bis dahin noch einiges an Arbeit auf uns wartet. Nichts unmögliches, aber es gibt noch einige Punkte auf der To-Do-Liste, die abgestrichen werden sollten bevor wir in See stechen. Besser gesagt, in Fluss und Kanal stechen. Denn die ersten Wochen unserer Reise werden wir quer durch Frankreich auf Binnenfahrt unterwegs sein: Vom Rhein in den Rhein – Rhone-Kanal, weiter über die Saone und die Rhone ins Mittelmeer. Unsere Weltumsegelung startet also in Süddeutschland, quasi fast vor der Haustüre.
Aber was ist denn noch alles zu tun bis es dann wirklich los geht, was steht denn so alles auf der langen Arbeitsliste? Genau gesagt haben wir nicht eine sondern zwei To-Do-Listen, eine fürs Boot, also für die handwerklichen Tätigkeiten, und eine fürs Organisatorische. Und da wir in letzter Zeit viel über technische Dinge wie Windfahne und Bordelektrik geschrieben haben, lassen wir heute dem Organisatorischem den Vortritt:
Das Organisatorische
Wir planen ja, etwas länger unterwegs zu sein. Schnell haben wir gemerkt, dass es gar nicht mal so einfach ist, sich einfach mal für ein paar Jahre aus dem Staub zu machen. So etwas ist quasi nicht vorgesehen und bedarf oftmals längerer Erklärungen und Rechtfertigungen. Von “Wie geil ist das denn?!?” über “Denkt an Eure Altersvorsorge” bis hin zu “Ihr spinnt komplett” sind alle Reaktionen drin. Aber der Großteil der Reaktionen ist sehr positiv. Sorry, jetzt bin ich etwas abgeschweift vom Organisatorischen.
Zunächst steht da auf der Liste Impfen und Arztbesuche. Den Impfmarathon haben wir glücklicherweise rechtzeitig begonnen, so dass wir kurz vor der Abfahrt die letzte Spritze bekommen werden und dann gegen Gelbfieber, Hepatitis, Typhus und Co immun sein werden. An Arztbesuchen stehen noch Haut- und Zahnarzt aus, dann sind sozusagen Inspektion und TÜV für die nächsten paar Jahre erledigt. Und für unterwegs werden wir uns noch eine kleine Bordapotheke zusammenstellen müssen.
Außerdem ist kündigen angesagt. Aus der Erfahrung der Weltumsegelung mit der Ivalu und der Vorahnung, dass dies nicht die letzte solche Reise gewesen sein wird, habe ich mich an keine Handy-, Internet- oder ähnliche Knebelverträge gebunden. Rikis Handyvertrag haben wir rechtzeitig gekündigt und aus der Wohnung sind wir schon seit Ende November raus (schluchts!). Für die letzten Monate vor der Abfahrt haben wir es uns im Keller meiner Eltern gemütlich gemacht, so dass wir uns zum Einen ein halbes Jahr lang die Miete sparen können und zum Anderen nicht den ganzen Umzugsstress kurz vor der Abfahrt haben. Außerdem konnten wir dann auch gleich ein Auto verkaufen, da ich jetzt morgens nur noch drei Mal umfallen muss und schon in der Arbeit bin. Aber nicht nur kündigen ist angesagt, auch abschließen. Als Minimalsicherheit möchten wir unterwegs zumindest krankenversichert sein, das heißt wir benötigen eine Auslandsreisekrankenversicherung (puh, langes Wort!). Ein paar wenige bieten solche Versicherungen für mehrere Jahre an und im Moment sagt uns das Angebot von STA Travel am meisten zu. Außerdem brauchen wir eine Haftpflichtversicherung für die aracanga, denn sonst gibt´s Probleme bei der Einreise in fremde Länder.
An Seekarten und Literatur sind wir dank meiner Weltumsegelung mit der Ivalu ganz gut aufgestellt. Hier müssen wir nur ergänzen, z.B. die Seekarten und Cruising Guides fürs Mittelmeer und die Kanalkarten durch Frankreich. Das bestellen wir alles bei beim Delius-Klasing-Verlag. Dort ist auch das Buch “Freiheit auf Zeit” von Kristina Müller erschienen, das unter Anderem über meine Weltumsegelung mit der Ivalu berichtet. Wir sind Partner von Delius Klasing, das heißt, wenn Ihr über unseren Link dort etwas bestellt, dann bekommen wir eine kleine Provision für unsere Bordkasse. Aber keine Sorge, ihr bezahlt deshalb nicht mehr.
Und wo wir schon beim Thema Partner sind: Mit der Firma Reher Yachtservice haben wir eine Spedition gefunden, die unsere aracanga im Juni vom Bodensee über den Schwarzwald an den Rhein transportieren wird. Die Jungs von Reher haben von der kleinen Nussschale bis hin zur Luxusyacht schon so ziemlich alles transportiert was schwimmen kann. Sogar das Wikingerboot von Wikie, dem wahrscheinlich bekanntesten Wikingerjungen.
Unser größter Partner ist Rolly Tasker Sails, die uns mit einem neuen Großsegel und einer neuen Fock ausstatten. Die Segel werden in Phuket / Thailand geschneidert. Während der Weltumsegelung mit der Ivalu war ich dort und von Thailand bis nach Deutschland sind wir damals mit einem brandneuen Groß von Rolly Tasker gesegelt. Und was soll ich sagen, ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis ist kaum zu finden, wir waren mehr als zufrieden mit dem Segel. Und wir freuen uns schon auf die neuen Segel für unsere aracanga.
Mit dem Transport und den von Rolly Tasker gesponserten Segeln sparen wir uns natürlich eine ganze Menge Geld. Eine Frage, die immer wieder aufkommt ist, wie wir uns das denn alles leisten können. Und die Antwort darauf ist ganz einfach. Wir haben weder fett geerbt noch Jobs, in denen wir das große Geld verdienen. Wir haben lediglich sehr sparsam gelebt und auf Weggehen, Kino und teuren Luxus verzichtet. Unser Boot hat inklusive der kompletten Ausrüstung deutlich weniger gekostet ein durchschnittliches Auto und selbst fahren wir einen bald 20 Jahre alten Golf. Wir versuchen, von einem Gehalt zu leben und das Andere komplett zu sparen. Ein paar Jahre werden wir mit unserem Ersparten unterwegs sein können und im Idealfall auch unterwegs ein klein bisschen was dazuverdienen.
Puh, dieses Mal wird es wohl ein etwas längerer Blogeintrag, denn ich bin ja gerade mal mit dem organisatorischem Teil fertig. Würde mich interessieren, wer bis hier durchgehalten hat und wer den Artikel zu Ende liest. Also, weiter geht’s zum zweiten Teil:
Das Technische
Im September 2016 haben wir die aracanga, damals hieß sie noch “Belle Mare”, gekauft. Seitdem sind wir dabei, das Boot Schritt für Schritt zu einer kleinen Hochseeyacht auszubauen. “Yacht” ist eigentlich etwas hoch gegriffen, da stelle ich mir etwas Anderes drunter vor. “Boot” trifft es in meinen Augen besser. Auf dem Bodensee benötigt man so manchen Ausrüstungsgegenstand nicht, der für eine Reise über die Meere allerdings essentiell ist. Ganz essentiell ist zum Beispiel Wasser, genauer gesagt Süßwasser. Und da das Boot in seinem bisherigen Leben keine Wassertanks hatte, haben wir welche eingebaut. 60 Liter im Heck und 80 Liter im Bug. Zum Wasch- und Spülbecken gelangt das Wasser über Fußpumpen, da diese einfacher und robuster als elektrische Pumpen sind. Wassertanks und Schläuche haben wir aus PE gewählt, da PE im Gegensatz zu anderen Plastikarten keine Weichmacher hat, die ins Trinkwasser abgegeben werden. Hinzu kommen, je nach Länge der Überfahrt, Wasservorräte in Kanistern. Zum Kochen, Waschen und Abspülen verwenden wir Salzwasser, das ebenfalls über eine seewasserfeste Fußpumpe gefördert wird. Zusätzlich zu den Wassertanks haben wir natürlich verschiedene Seeventile, also Ein- und Auslässe für Wasser, verbaut.
Unser Motto bei der Ausstattung lautet “keep it simple”. Also wird nur verbaut was wirklich wichtig ist. Auf Luxus wie Kühlschrank, Kartenplotter, Warmwasser oder Radar verzichten wir, das gesparte Geld lassen wir unserer Bordkasse zugute kommen. Im Inhaltsverzeichnis der aktuellen YACHT habe ich entdeckt, dass sie einen Satz von mir abgedrukt haben, der das Thema eigentlich ganz gut zusammenfasst.
Essentiell für uns ist natürlich auch das Rigg, sprich der Mast mit allem, was daran hängt. Stagen und Wanten (die Stahlseile, die den Mast halten) haben wir uns neue pressen lassen, da wir nicht herausfinden konnten, wie alt diese sind. Und da sie definitiv älter als zehn Jahre sind macht es sowieso Sinn, diese zu erneuern. Unsere neuen Segel müssen vor Allem aus einem deutlich stabilerem Tuch als die Bisherigen sein, die ja ausschließlich auf dem Bodensee und wahrscheinlich meistens bei Leichtwund gesegelt wurden. Außerdem sollten sie von der Segelfläche her variabler sein, sprich mehrere Reffpunke haben. Somit hat unser neues Großsegel drei statt bisher nur zwei Reffreihen und die neue Stagreiterfock hat ebenfalls eine Reffreihe. Wenn es sehr windig wird und selbst die gereffte Fock noch zu viel Segelfläche hat, dann kommt unsere noch kleinere Sturmfock zum Einsatz. Aber es gibt nicht nur Starkwind und Sturm, auch über Flaute und wenig Wind müssen wir uns Gedanken machen. Als Leichtwindsegel haben wir die große Genua, die bisher das einzige Vorsegel war, um 50 Zentimeter nach vorne auf den neuen Bugspriet montiert. Außerdem gibt es einen Spinnaker und einen Blister an Bord.
Damit wir unterwegs dann nicht tagein, tagaus an der Pinne sitzen und das Boot von Hand steuern müssen haben wir eine sogenannte Windfahnensteuerung oder Selbststeueranlage, die unser Boot auf Kurs hält. Wenn ich gefragt werde, welche Ausrüstungsgegenstände für mich an Bord besonders wichtig sind, dann ist das zum Einen die Windfahnensteuerung und zum Anderen ein vernünftiges, gerne etwas überdimensioniertes Ankergeschirr. Wir planen, genau wie damals mit der Ivalu, wo möglich Abstecher der gängigen Routen zu machen und Orte und Inseln anzusteuern, die wenig von Segelbooten besucht werden. Und das heißt automatisch, dass man viel am Anker hängt, denn an diesen Orten gibt es in der Regel keine Häfen. Außerdem ist das Ankern viel schöner als im Hafen zu liegen und obendrein auch noch kostenlos.
Auch essentiell, wenn auch nicht überlebensnotwendig, ist ein Minimum an Elektrik: Ein Solarpanel mit 160 Watt, zwei Verbraucher- und eine Starterbatterie, GPS, UKW-Funk und ein Satellitentelefon. Neben einem Radio und der Beleuchtung an- und unter Deck ist das auch schon so ziemlich alles an Stromverbrauchern.
Sicherheitsequipement: Das meiste Geld gibt man für Dinge aus, die man hoffentlich nie benötigen wird: Rettungsinsel, EPIRB (eine Notfunkboje, die manuell oder bei Wasserkontakt einen Notruf über Satellit absetzt), Seenotraketen, automatische Schwimmwesten, Rettungsring, Notlicht, … Alles Dinge die wir hoffentlich nie benötigen werden. Außerdem haben wir zwei neue Bilgenpumpen eingebaut, eine elektrische und eine manuelle. Es spricht zwar für das Boot, dass es bisher ohne eine solche Pumpe ausgekommen ist, aber egal ob Bodensee oder Hochsee, eine Bilgenpumpe gehört eigentlich in jedes Boot.
Zum Schutz gegen Wind, Wellen und Sonne bekommt die aracanga außerdem eine Sprayhood spendiert, die zwar schon an Deck sitzt, aber noch nicht final befestigt ist, sowie ein Biminitop, sprich ein Sonnensegel über dem Cockpit.
Glücklicherweise werden die To-Do-Listen eher kürzer statt länger und wir können Punkt für Punkt abstreichen. Aber es ist trotzdem noch einiges zu tun und es kommen auch immer mal wieder neue Punkte hinzu. Zur besseren Übersicht haben wir die Listen in Priorität a) bis c) geordnet. Alles, was unter Punkt a) steht, muss bis Juli fertig sein, so wie die neuen Segel oder die Stagen und Wanten. Punkt b) sollte fertig sein, kann aber zum Teil auch noch auf der Kanalfahrt durch Frankreich erledigt werden, zum Beispiel die Batterien zusätzlich mit Spanngurten zu sichern. Und Punkt c) sind die Dinge, die zwar schön wären, aber nicht so essentiell sind, wie zum Beispiel ein zusätzliches Steckschott aus Plexiglas für mehr Licht unter Deck oder ein zusätzliches Leselicht für die Hundekoje.
Ihr seht, die Vorbereitungen zur Weltumsegelung sind in vollem Gange.
Und, wer hat durchgehalten und den Artikel bis zum Ende gelesen? Glückwunsch! Vorfreudige Grüße senden Riki und Martin
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Liebe Riki, lieber Martin, liebe Aracanga – wir möchten, dass das Licht Euch auf der Weltumsegelung ständig begleitet , deshalb übernehmen wir den einen Punkt der c) -Liste: das Plexiglas Steckschott schenkt Euch Eure „alte große Binnen-Schwester“ die „Onda Canta“ (6mR). Ahoi!