Das Schöne an einer Reise mit dem Segelboot ist, dass man sich für eine Einladung revanchieren und auch mal Leute zu sich nach Hause einladen kann. Wir haben oft Fremde und Freunde an Bord und die häufig ausgesprochene Warnung, bloß niemanden an Bord zu lassen, können wir nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil, Einladungen schaffen eher Vertrauen als Neid und egal ob Kinder oder Erwachsene, es ist immer schön und lustig, Gäste an Bord zu haben. So spannend für uns die Besuche in abgelegenen, afrikanischen Dörfern sind, so spannend sind die Besuche bei uns an Bord für die Einheimischen.
Aber dies sollte eigentlich selbstverständlich sein. Wo möglich versuchen wir zu geben und zu helfen und wenn das nicht möglich sein sollte, dann versuchen wir es zu organisieren. Oft sind es Kleinigkeiten, die für die Locals an Werkzeugen wie Akkuschrauber oder Schraubenschlüssel scheitern, für uns mit Bordmitteln jedoch leicht und schnell zu beheben sind, wie die Reparatur eines Blasebalgs für eine traditionelle Silberschmiede in Diaugo Tenda in Gambia. Eine Bohrung, eine Kontermutter, fertig. Oder einmal den Vergaser reinigen und ein bisschen WD40 für den Schaltzug für den Außenborder des Fischers. Der Fischer ist happy, dass sein Motor wieder funktioniert, wir freuen uns, etwas sinnvolles getan zu haben und alle zusammen verbringen wir einen unvergesslichen Abend mit der ganzen Familie, sitzen auf einer Bastmatte auf dem Boden und essen Domoda – Reis mit Erdnusssauce – aus einer großen Edelstahlschüssel mit den Händen. So entwickeln sich unter Umständen Freundschaften fürs Leben.
Bombale
Manchmal erfordert es allerdings auch etwas mehr Vorbereitung, Planung und Kopfzerbrechen um zu helfen. Oft werden wir nach „Sponsoring“ gefragt, für neue Fußballtore, für ein Krankenhaus oder einen neuen Brunnen. Meist müssen wir verneinen, entweder weil wir es schlicht und ergreifend für unnötig halten, weil es absolut nicht zu unserem Budget passt oder weil wir das Gefühl haben, dass Instandhaltung nicht gerade zu den Stärken der Bittsteller gehört. Anders war es bei der Schule in Bombale, einem kleinen Dorf ca. 150 Kilometer Flussaufwärts am Gambia River.
Es ist etwa 10 Uhr abends und wir sitzen vor einem großen Lehmofen, wo gerade das einheimische Brot „Tabalabba“ gebacken wird. Außer uns wartet noch das halbe Dorf auf das frische Gebäck und wir spielen mit den Kindern und unterhalten uns mit einigen Dorfbewohnern. Unter Anderem sprechen wir mit Momodou, dem Direktor der Grundschule, der uns einiges über die Schule und das Bildungssystem erzählt und uns einlädt, am kommenden Vormittag die Schule zu besuchen. Gerne nehmen wir die Einladung an und spazieren am nächsten Tag in der Früh durch den Ort und dann ein Stück über die Felder zur etwas außerhalb des Dorfes gelegenen Grundschule. Hier gibt es weder Strom noch Wasser, jedoch ist alles sauber aufgeräumt und liebevoll gepflegt. Momodou freut sich, als wir zu viert – unsere Freunde André und Karin vom „Streuner“ und wir Beide – ankommen und führt uns durch jede Klasse, wo wir überall mit lautem Lachen, Winken und Singen empfangen werden. Danach sitzen wir mit ein paar anderen Lehrern im „Lehrerzimmer“, das aus einem aus einer Europäischen Schule ausrangierten Pult im Schatten eines Mangobaums und ein paar Plastikstühlen im Endstadium besteht. Wir erzählen von unserer Schulzeit und hören Geschichten aus dem Gambianischen Schulalltag zu. Verschiedener können zwei Welten kaum sein.
Schule ohne Wasser
Hier fehlt es an allem und allem voran fehlt es an Wasser. Die Schule ist nicht an den Brunnen, der den Ort mit Wasser versorgt, angeschlossen, da dieser schon mit der Versorgung des Dorfes am Limit ist. Es gibt zwar einen Brunnenschacht in der Schule, die darauf montierte, alte Handpumpe ist jedoch öfter defekt als funktionstüchtig. Momodou fragt uns, ob wir ihm helfen können, den Brunnen zu sanieren und auszubauen. Sein Traum ist nicht nur frisches Trinkwasser für die Lehrer und Schüler, sondern auch ein Schulgarten wo Obst und Gemüse angebaut werden, um dem Schülern eine bessere Verpflegung bieten zu können, vielleicht sogar ein paar Hühner. Er möchte die Schule zu einem Ort machen, an dem die Kinder gern Zeit verbringen, und dafür ist Wasser essentiell. Momodou ist ein intelligenter und weitsichtiger Mensch und auch der Brunnenbauer Lamin, mit dem wir uns ein paar Tage später in der nahegelegenen Stadt Farafenni treffen, kennt die Probleme der Schule und Wartung und Instandhaltung sind keine Fremdwörter für die Beiden. Wir erklären ihnen, dass wir es uns nicht leisten können, die Kosten für den Brunnen zu übernehmen, über unseren Blog und sonstige Artikel allerdings versuchen können, Spenden zu sammeln. Alles klar. Das erste Angebot für die Sanierung liegt bei 4.000 Euro, was uns sehr teuer erscheint und nach einigen zähen Verhandlungen und ein paar Eingeständnissen beiderseits einigen wir uns auf umgerechnet 2.000 Euro, was für alle Beteiligten sehr fair ist. Knapp 1.000 Euro kommen durch einige Spenden über unseren Blog schnell zusammen, weitere 1.000 Euro folgen durch eine fette Spende von guten Freunden und der Flohmarkt, der während unseres Heimaturlaubs zu Gunsten des Brunnenbaus stattfindet, bringt noch einmal knapp 1.000 Euro ein. An dieser Stelle ein rieses Dankeschön an alle, die uns so großzügig unterstützt haben.
Unser für drei Wochen geplanter Heimaturlaub hat sich durch Rikis Ohrenentzündung und Krankenhausaufenthalt deutlich in die Länge gezogen, allerdings fliegt die andere Hälfte unserer aracanga-Crew (Martin) für fünf Wochen zurück zum Boot nach Gambia, um dieses so vorzubereiten, dass es für mehrere Monate allein bleiben kann und um den Brunnenbau anzustoßen. Im Gepäck: Zwei Kurze Hosen für den Eigenbedarf, dazu sechs Reisetaschen voller Klamotten und Schulmaterialien sowie fünf Umzugskartons voller Schuhe, Klamotten und Fußbälle. Alles Dinge, die ansonsten in diversen Kellern unseres Heimatdorfs verstauben würden, in Ländern wie Gambia jedoch absolut notwendig sind. Blöderweise ist in der Zwischenzeit unser Brunnenbauer Lamin sehr überraschend verstorben und wir bzw. Momodou musste sich um einen fähigen Ersatz kümmern. Diesen findet er in Ismael, einem Kollegen von Lamin. Einziges Manko: Ismael spricht kein Englisch, somit sind die Gespräche und Verhandlungen etwas komplizierter. Er stellt sich jedoch als mehr als fairer Geschäftspartner heraus, bei uns würde man sagen ein „Pfundskerl“.
Und nicht nur Ismael und Momodou packen tatkräftig mit an, auch die Jungs aus dem Dorf sind sich nicht zu fein dazu, an einem Strick in den Brunnen zu klettern und sämtlichen Müll, der sich dort unten in den letzten Jahrzehnten angesammelt hat, Eimer um Eimer hoch zu ziehen. Leider ist die Zeit in Bombale viel zu schnell vorbei und den eigentlichen Aufbau des Brunnens können wir nur anhand von unscharfen Bildern und verwackelten Videos, die wir aus dem Dorf geschickt bekommen, verfolgen. Es werden Gräben gebuddelt, Leitungen verlegt und Wasserhähne gebaut, ein Fundament für den Tankstand gegossen und ein 2.000 Liter Tank installiert, eine Elektropumpe verbaut und am Schluss der Brunnenschacht verschlossen. Und wo kommt der Strom her? Neben der Schule ist die Lehrerunterkunft, die im Gegensatz zur Schule an das Stromnetz angeschlossen ist, von dort nehmen wir auch den Strom für die elektrische Pumpe. Da allerdings die Stromversorgung sehr unzuverlässig ist, benötigen wir den 2.000 Liter Tank, somit wird gepumpt wenn Strom da ist und trotzdem ist Wasser da, wenn der Strom weg ist. Und wer schon einmal versucht hat, einen großen Eimer Wasser mit einer Handpumpe aus 15 Meter Tiefe voll zu machen, der versteht auch, warum wir uns für die elektrische Lösung entschieden haben, denn so ein Schulgarten in einer Steppe benötigt mehr als einen Eimer Wasser am Tag. 2.200 Euro kostet uns der Brunnen letztendlich und er ist mittlerweile bis auf ein paar Kleinigkeiten fertig und funktioniert.
Bildergalerie Brunnen Bombale
Die Bildqualität lässt teilweise leider etwas zu wünschen übrig. Das sind die Fotos, die per Whatsapp aus Gambia kamen.
Am Brunnen sind noch ein paar Nachbesserungen fällig, z.B. diagonale Streben am Tankstand
Kaddy
Weitere 650 Euro investieren wir in die Schul- und Collegeausbildung von Kaddy, die wir ebenfalls in Bombale kennenlernen. Sie ist 19 Jahre alt und hat die elfte Klasse abgeschlossen, was für ein Mädchen ungewöhnlich ist. Danach ist der Familie das Geld für das letzte Schuljahr, sozusagen das Abitur, ausgegangen. Freiwillig und unbezahlt arbeitet sie jetzt an der Schule in Bombale, wo die Kindergartenlehrerin wegen einer Schwangerschaft ausgefallen ist. Nebenbei verkauft sie von früh morgens bis zum Schulbeginn und danach bis spät abends selbst gekochte Mahlzeiten auf der Straße, am Tag verdient sie im Schnitt knapp einen Euro. Ihr Traum ist es, als richtige Lehrerin zu arbeiten, wozu sie allerdings die zwölfte Klasse und zwei Jahre College abschließen müsste. Das Zeug dazu hat sie und im Gegensatz zu einigen Anderen sieht sie den Sinn von Bildung und weiß, dass eine gute Schulbildung für jeden Einzelnen als auch für das ganze Land ein essentieller Baustein ist, aus einem ewigen Teufelskreis auszubrechen. Wir haben beschlossen, mit dem Geld das beim Brunnenbau übrig bleibt, Kaddy ihren Schulabschluss sowie die Collegeausbildung zu ermöglichen, was insgesamt ca. 550 Euro plus weitere 100 Euro für Schulmaterialien, Uniform, Unterkunft, etc. kostet. Das College ist in Brikama im Westen des Landes und wohnen kann sie während dieser Zeit bei ihrer Schwester, die in Brikama lebt. Wir hoffen, dass das im Sinne aller ist, die uns Geld für den Bau des Brunnen gespendet haben.
So weit so gut. Ehrlich, wir sind sehr stolz auf „unseren“ Brunnen. Und mit diesem Artikel möchten wir nicht angeben, wie toll oder sozial wir sind, sondern lediglich beschreiben, mit wie wenig Geld und Aufwand man anderswo große Dinge leisten kann.
In diesem Sinne, viele liebe Grüße von unserem Heimaturlaub senden
Riki und Martin
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
Hier könnt Ihr unseren Blog als monatlichen Newsletter abonnieren
–> unsere Kaffeekasse <–
Pingback:Gambia River - Einmal Bambally und zurück - ahoi.blog
Ich bin tief berührt. Ihr seid toll!
Und alles Gute für die Schwangerschaft.
Liebe Grüße
Klaus
So wonderful! I am really happy that you had an opportunity to meet such people and to know who they are and where they are living.
Ein großartiges Projekt – Glückwunsch zur erfolgreichen Realisierung ! Möge die Schule immer frisches, lebenswichtiges Wasser haben und sowohl die Kinder- als auch die Pflanzen im Schulgarten – gedeihen.