Während sich die meisten anderen Crews, die wir auf den Kapverden getroffen haben, mittlerweile auf den Weg in Richtung Karibik gemacht haben, sind wir mit unserer kleinen aracanga von Mindelo aus ca. 500 Seemeilen gegen den Passatwind nach Osten gesegelt und haben nach viereinhalb Tagen vor Dakar, der Hauptstadt des Senegal geankert. Westafrika liegt außerhalb der gängigen Fahrtenseglerrouten und dementsprechend wenige Boote verirren sich hier her. Neben einer Handvoll einheimischer Segelboote liegen nur zwei andere Fahrtensegler hier vor Anker, ein Franzose und eine junge, spanische Crew. Dakar ist der einzige Port of Entry des Senegals, das heißt jedes Boot muss hier her kommen, um offiziell einzureisen und Segler werden im hiesigen Yachtclub, dem CVD, herzlich empfangen. Der Yachtclub versprüht den leicht maroden Charme glanzvollerer Zeiten und die wenisten der einheimischen Yachten, die hier ankern und noch nicht auf Grund gegangen sind, können noch als seegängig bezeichnet werden. Dafür ist der Empfang im Club umso freundlicher und das Serviceangebot für Besucheryachten deutlich umfangreicher, als man es auf den ersten Blick erwarten würde:
Es gibt Duschen, Frischwasser, Bar und Restaurant, einen Segelmacher, eine Motorenwerkstatt und einen Shuttleservice zwischen Boot und Land. Der erste Eindruck hier, egal ob vom Shuttleboot, vom Steg, vom Club oder von der ganzen Stadt ist, dass es irgendwie funktioniert. Man fragt sich zwar wie, aber es funktioniert irgendwie. Wenn auch in einem anderen Tempo und mit anderen Regeln. Der Steg wird irgendwie zusammengehalten und man sollte sehr genau auf seine Schritte achten, wenn man nicht im dreckigen Hafenwasser landen möchte, denn das möchte man unter keinen Umständen. Auch der offizielle Teil der Einreise, den wir heute Vormittag erledigt haben, funktioniert irgendwie. Als Neuankömmlinge müssen wir zunächst bei der Immigrationsbehörde und beim Zoll vorstellig werden. Mit dem Taxi geht es ca. zwanzig Minuten quer durch Dakar zum Industriehafen und zur dortigen Polizei, wo wir freundlich aber bestimmt gebeten werden, Platz zu nehmen und zu warten. Neben uns wartet noch eine Frau in schicker, dunkelblauer Uniform und spielt auf Ihrem Smartphone, vor uns wird Fußball auf einem Fernseher mit Bildstörung übertragen. Nach einer viertel Stunde steht die uniformierte Frau auf, steckt ihr Handy ein und und weist uns an mitzukommen. Sie wartet wohl doch nicht auf einen Termin, sie ist die Immigrationsbeamtin. Wir folgen ihr einen langen Gang entlang und dann in ein etwas charmloses Büro mit modernen Computern und großen Flachbildschirmen, wo unsere Pässe, Schiffspapiere und Fingerabdrücke gescannt werden. Danach geht es zurück auf die Wartebank. Mittlerweile wird Handball übertragen, die Franzosen bereiten sich auf das Spiel gegen Deutschland vor.
Zehn Minuten später. Wieder werden wir angewiesen mitzukommen, diesmal von einer anderen Beamtin in ein anderes Büro am anderen Ende des Ganges. Hier gibt es keine Computer, dafür einen Kopierer und meterhohe Papierstapel. Wieder werden Kopien von unseren Pässen und Schiffspapieren gemacht und auf Stapel gestapelt, dann gibt es Stempel in die Pässe und wir werden mit einem dreimonatigem Visum für den Senegal entlassen. Zurück im Taxi kurven wir für eine weitere viertel Stunde quer durch die Stadt zur Zollbehörde, wo ein gewissenhafter Beamter unsere Papiere bearbeitet und einen Stapel Kopien auf einen anderen Stapel legt. Im Gegensatz zu uns darf unser Boot nur einen Monat im Land bleiben, falls wir länger bleiben möchten müssen mehr Kopien gemacht werden. Bei der Frage nach einem gemeinsamen Foto taut er auf, lacht in die Handykamera und gibt uns seine Visitenkarte, damit wir ihm das Bild zuschicken. Puh, der offizielle Teil wäre erledigt. Unseren Taxifahrer finden wir abermals schlafend in seinem alten Renault, der abgesehen von der Beifahrertüre auch irgendwie und nach anderen Regeln funktioniert. Zurück beim CVD bringen wir unsere Papiere an Bord, um dann einen ersten Spaziergang durch die fremde, aufregende, afrikanische Großstadt zu unternehmen.
Da wären wir also, offiziell eingereist im Senegal. Es ist schön, wieder festen Boden zu spüren, denn die Überfahrt hierher war nicht die Angenehmste. Der Wind war mit ca. 20 Knoten kräftig, jedoch nicht übermäßig stark. Aber da wir gegen den Passat und in die Welle segeln mussten, wurden wir ordentlich durchgeschüttelt und unsere aracanga hat mit viel Schräglage und harten Schlägen in die tiefen Wellentäler zu kämpfen gehabt. Dafür wurden wir mit guten Tagesetmalen belohnt und haben die ersten drei Tage unter gerefftem Groß und Fock jeweils über 120 Seemeilen gutgemacht, was einer Durchschnittsgeschwindigkeit von über fünf Knoten entspricht. Und das trotz mehrerer Flautengebiete zwischen den Kapverdischen Inseln. Allerdings haben wir das Leben und jegliche Aktivitäten während dieser Zeit auf ein notwendiges Minimum heruntergefahren und keinerlei Lust auf Lesen, fotografieren oder auch nur Musik hören verspürt. Während der Nachtwachen haben wir unter Deck gedöst und die Eieruhr auf 15 Minuten gestellt, um dann einen Rundumblick an Deck zu machen, nach anderen Schiffen Ausschau zu halten und den Kurs zu kontrollieren. In der zweiten Nacht gab es während Rikis Wache, als das Boot in einem Wellental aprupt abgebremst wurde, einen lauten Knall an Deck und danach das ungute Geräusch, wenn ein loses Stahlseil umhergewirbelt wird. Mit der Stirnlampe konnten wir zunächst nur wenig erkennen und haben auf ein gebrochenes Unterwant getippt, dann aber festgestellt, dass unser Babystag aus dem Terminal gerissen ist.
Für den Rest der Überfahrt haben wir mit dem Toppnant ein provisorisches Babystag geriggt und etwas Druck aus den Segeln genommen. Das Babystag fixiert den Mast nach vorne, es ist auf ca. halber Masthöhe und halbem Weg zwischen Mast und Bug befestigt. Es ist verantwortlich für die Mastbiegung und wurde wahrscheinlich durch die Kräfte, die beim Abbremsen im Wellental auftreten, aus seinem Terminal gezogen. Bevor wir vor einem halben Jahr losgesegelt sind haben wir sämtliche Stagen und Wanten erneuert, bei der Berechnung des neuen Babystags hat sich allerdings ein Messfehler eingeschlichen weswegen wir das Stag gekürzt und dann mit einem Schraubterminal versehen haben. Wir haben das Terminal damals zwar sorgfältig zusammengeschraubt und auch darauf geachtet, dass alle Adern des Stahlseils beim Zuschrauben korrekt liegen, aber wahrscheinlich irgendwo einen Fehler gemacht. Vielleicht war es zu fest oder nicht fest genug verschraubt, da ein paar Adern des Babystags im Terminal gerissen sind, die restlichen Adern rausgezogen wurden. Jedenfalls ist nichts Schlimmeres passiert und wir haben einen Punkt auf der To-Do-Liste, der hier in Dakar erledigt werden muss: Neues Babystag.
Nach dem dritten Tag hat der Wind deutlich nachgelassen, die Welle ist auf ungefähr einen Meter zurück gegangen und das Segeln macht wieder Spaß. Zwar sind wir nur noch mit ca. viereinhalb Knoten unterwegs, aber dafür mit angenehmen Schiffsbewegungen und wir verspüren auch wieder Lust zu lesen. Natürlich ist es immer angenehmer, ein richtiges Buch zu lesen, aber für das Bordleben haben sich unsere e-books bestens bewährt und wir können aus einem reichen Vorrat an Lesestoff schöpfen.
Je näher wir dem afrikanischen Festland kommen, das wir schon riechen aber noch nicht sehen können, desto mehr lässt der Wind nach. Ca. zwanzig Meilen vor der Küste sind wir nur noch mit einer Geschwindigkeit von etwas über einem Knoten unterwegs, daher entscheiden wir uns, den Motor zu starten und die letzten Meilen unter Maschine nach Dakar zu tuckern. Vor der Küste sind einige Fischer in ihren langen, eleganten und bunt angemalten Booten unterwegs. Zwei von Ihnen halten mit hoher Geschwindigkeit direkt auf uns zu und während wir sie etwas skeptisch beobachten, kommt auch schon der erste der Beiden parallel und frägt nach Wasser was wir ihn natürlich geben. Der zweite möchte uns seinen frisch gefangenen Thunfisch verkaufen, was zwar verlockend für uns ist, allerdings mangelnd segegalesischen Bargelds dankend abgelehnt wird. Lachend und winkend ziehen die Beiden von dannen. Ein paar Stunden später motoren wir in absoluter Dunkelheit südlich um die große Halbinsel von Dakar, dem westlichsten Punkt Kontinentalafrikas. Reinfahren oder auf den Sonnenaufgang warten, das ist in solchen Situationen immer die Frage. Meist plädieren wir für warten, aber nach einem Blick auf die Seekarte haben wir uns diesmal fürs Reinfahren entschieden, was zwar spannend aber auch bei Dunkelheit gut machbar ist. Die Bucht ist flach und voller Untiefen und Wracks, Es gibt Markierungsbojen und Seezeichen, allerdings kann man sich nicht darauf verlassen, dass die Leuchtfeuer auch wirklich funktionieren. Auch ist die Bucht voller Fischerboote, -netze und -bojen, die meist nicht beleuchtet sind. Zumindest die Boote machen mit einer Taschenlampe oder einem Laserpointer auf sich aufmerksam so dass wir ihnen gut ausweichen können und unsere Geschwindigkeit haben wir so stark minimiert, dass wir auch den Bojen sicher aus dem Weg gehen können. Wirklich bewährt an Bord hat sich unser extrem heller Suchscheinwerfer, der in solchen Situationen immer griffbereit im Cockpit liegt. Nach ca. zwei Stunden sind wir auf der Rückseite von Dakar im Stadtteil Hann angekommen, wo der Yachtclub ist und man vor Wind und Wellen geschützt ankern kann. Aber wir sehen keine Boote, obwohl das Wasser nur noch sieben Meter tief ist und wir das Ufer deutlich erkennen können. Einfach irgendwo ankern möchten wir auch nicht, da auf der einen Seite die Militärbasis ist und auf der anderen Seite der Strand, wo die Fischer ihre Boote entladen. Immer wieder suchen wir das Ufer mit dem Fernglas und dem Scheinwerfer nach anderen ankernden Booten ab, bis wir schließlich in einiger Entfernung in Richtung Ufer einen Masten entdecken und schließlich noch einen und sogar ein Ankerlicht. Also fahren wir langsam darauf zu und ankern schließlich Punkt Mitternacht auf vier Meter Wassertiefe vor einer Handvoll anderer Segelboote. Angekommen. Das Ankerbier schmeckt nach dieser Überfahrt besonders gut und wir freuen uns auf eine ruhige Nacht ohne Wache gehen und ohne Welle. Ruhig ist die Nacht nicht, aber die rhytmischen, afrikanischen Trommeln, gemischt mit staubigen Popsongs und etwas das sich anhört wie Muezingesang, geben dem Ankommen einen besonderen Charakter und beim Einschlafen freuen wir uns, diese fremde Welt in den nächsten Tagen kennenzulernen…
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
Hier könnt Ihr unseren Blog als monatlichen Newsletter abonnieren
–> unsere Kaffeekasse <–
Pingback:Ein Jahr auf großer Fahrt - eine Zusammenfassung - www.ahoi.blog
Guten Morgen,
tolle Seite habt Ihr hier. Lese mit großer Begeisterung mit.
In Dakar solltet Ihr auf jeden Fall mal zur Insel Goree fahren.
Mit der Fähre ab dem Imdustriehafen geht es im ca. einer Stunde dort hin.
Auch solltet Ihr euch da einenFührer nehmen der euch die Imsel mit den Anlagen erklärt.
Danach geht man mit einen anderen Blick nach Hause.
Viel Spaß im Senegal und Gambia.
LG Sven
Interesanter Reisebericht. Der Fischer auf dem einen Foto hat ja ein Charaktergesicht. Eine interessante Zeit wünschen Euch die Buschis
Sehr schöner Bericht , macht Lust auf Meer.
Habe mich sehr auf und jetzt über euren neuen Artikel gefreut. Genießt den Senegal! Bin sehr neugierig von euch zu hören. Wie wollt ihr das Babystag ersetzen? LG von der Elbe