Ich muss sagen, dieser Beitrag fällt mir schwerer als die Meisten bisher. Dakar ist eigentlich nicht in Worte zu fassen und bereits nach nur einer Woche in dieser Millionenmetropole gibt es von so vielen Eindrücken, Erlebnissen und Erfahrungen zu berichten, dass wir gar nicht wissen, wo man am besten anfangen sollte. Wenn wir uns auf die Fakten beschränken ist Dakar eine Großstadt in Westafrika auf der Halbinsel Cap Vert und der westlichste Zipfel des Kontinents. Sie ist die Hauptstadt des Senegals und in der Metropolregion leben ca. drei Millionen Menschen. Der Senegal, der sich im Norden bis zu den Ausläufern der Sahara und im Süden bis in den tropischen Regenwald erstreckt, war bis zu seiner Unabhängigkeit im Jahr 1960 von Frankreich kolonialisiert und auch heute noch ist französisch die Amtssprache. Der Senegal ist ein stabiler und demokratischer Staat und hat eine der höchsten Lebenserwartungen in Afrika. Der Großteil der Bevölkerung bekennt sich zum muslimischen Glauben.
Reisen ist tödlich für Vorurteile. Dieses Zitat von Mark Twain ist ein wunderbarer Titel für diesen Blogeintrag. Kein einziger Zweifel, der zu unseren Afrikaplänen geäußert wurde, trifft zu und oftmals ist ganz das Gegenteil der Fall. Hier in Dakar leben Menschen unterschiedlichster Herkunftsländer friedlich mit- und nebeneinander und auch wir als die einzigen Hellhäutigen sind gern gesehene Gäste. Was uns hier in Dakar vom ersten Schritt an Land an immer wieder begeistert ist die Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Menschen. Wir fühlen uns Tag wie Nacht absolut sicher, nur sehr selten müssen wir „Touristenpreise“ zahlen und die Einladungen zum Tee, Kaffee und Mittagessen sind so zahlreich, dass wir leider immer wieder Einladungen ausschlagen müssen, um vor Ablauf unserer Visa noch mehr vom Senegal zu sehen als nur Dakar. Nach unserer Ankunft hier haben wir uns mit Ndiouga in Verbindung gesetzt, er ist der Bruder unseres guten Freundes Leo von den Kapverden. Ndiouga und seine Familie wohnen im Stadtteil Parcelles im Norden der Halbinsel Dakar, was zwar nur knapp acht Kilometer entfernt ist, aber beim hiesigen Verkehrsaufkommen eine Taxifahrt von einer Stunde und mehr bedeuten kann. Approps Verkehr: Dieser funktioniert hier nach anderen Regeln als in Europa, wir haben in ganz Dakar noch keine einzige Ampel gesehen und alles, was vier Räder und ein Lenkrad oder zwei Räder und ein Pferd vorne dran hat, ist auf der Straße unterwegs. Gleichzeitig ist die Straße ein riesiger Bazar, auf dem alles von der Jeans bis hin zum Gebetsteppich von fliegenden Händlern gekauft werden kann. Leo hat uns auf den Kapverden eine Tüte mit Lebensmitteln, die im Senegal teuer oder schwer zu bekommen sind, für seine Familie mitgegeben mit der Bitte, diese seinem Bruder oder seiner Mama zu geben, was wir natürlich gerne machen und auch gleich eine Essenseinladung für uns und die Streuner für den nächsten Tag nach sich zieht.
Die Familie ist eine echte Großfamilie und herzallerliebst. Der Papa ist das Familienoberhaupt, aber die Mama hat die Familie fest im Griff. Im Senegal ist es nicht unüblich, dass die Männer zwei Frauen haben und auch hier ist das der Fall, eine Frau mit Familie lebt im Erdgeschoss des großen Hauses und die andere Frau, die wir nicht kennenlernen, im ersten Stock. Neben den Eltern wohnen auch Onkel, Tanten, Söhne und Töchter, Cousins, Neffen, Nichten und Enkel im Haus und es ist immer was los, trotzdem ist das Haus ein wunderbarer Ruhepol im Gegensatz zum lauten und bunten Treiben auf der Straße. Zum Mittagessen gibt es Reis mit Fisch, hiesigem Gemüse und einer wunderbar exotischen, würzigen Sauce, ein typisch senegalesisches Gericht und so lecker, dass wir unserer afrikanischen Mama gerne mindestens drei Sterne verleihen würden. Gegessen wird mit der rechten Hand auf dem Fußboden sitzend aus einer großen, gemeinsamen Schüssel. Traditionell gibt es nach dem Essen Tee, der in einer langen Prozedur auf einem kleinen Gaskocher zubereitet wird. Nach dem Tee werden wir innerhalb kürzester Zeit von den Kindern in Beschlag genommen, denen wir Buntstifte, Blöcke und einen Fußball mitgebracht haben. Es wird gespaßt, dass wir uns Einen der Rasselbande aussuchen und mitnehmen sollen und Mama kündigt an, dass sie Riki gerne adoptieren würde. Nach einem wunderschönen Tag mit unserer afrikanischen Familie sind wir am Abend voller positiver Eindrücke von so viel Gastfreundschaft und gleichzeitig müde und erschöpft vom Stadtleben.
An den nächsten beiden Tagen steht das Kulturprogramm auf dem Zettel, wir möchten Dakar und die Insel Gorée anschauen. Und da man im Bus mehr vom Leben und den Menschen mitbekommt als im Taxi, wagen wir uns an das nächste Abenteuer, die Linie 15. Die Fahrt ins Stadtzentrum stellt kein Problem dar, am Place de l’Indendance steigen wir aus und erforschen gemeinsam mit Karin und André die Innenstadt. Wir sind uns einig, dass wir nicht unbedingt jede Sehenswürdigkeit abklappern müssen, sondern uns viel lieber durch diese laute, bunte und fremde Welt treiben lassen und möglichst viel vom hiesigen Leben aufschnappen möchten. Dazu gehört der Stand an der Ecke, wo eine alte Dame auf einem kleinen Haufen glühender Kohlen auf dem Bürgersteig Kaffee kocht und für 50 CFA-Franc (ca. 8 Cent) den Becher verkauft sowie der Straßenimbis, an dem Baguette mit Erbsen und Bohnen angeboten werden. Am Ende des Tages haben wir zwar deutlich mehr Essensstände als Sehenswürdigkeiten besucht, aber trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen einen guten Eindruck von der Stadt bekommen. Aber, was wir noch nicht wissen, Dakar hat noch viel mehr für uns auf Lager: Nämlich eine vierstündige Busfahrt quer durch die ganze Stadt mitsamt sämtlicher Vororte. Wegen des Staus in der Stadt (Im Hafen wurde gerade ein riesiges Schiff voller LKWs entladen) hat der Fahrer unseres übervollen Busses kurzerhand eine etwas andere Route eingeschlagen und unsere Haltestelle somit umgangen. Nicht schlimm haben wir gedacht, wir schauen uns ein wenig die Gegend an und auf dem Rückweg steigen wir aus. Aber auch auf dem Rückweg war die Stadt noch völlig dicht vom Verkehr tausender LKWs und für die letzten Kilometer hat uns der Busfahrer, dem unsere Odyssee ganz unangenehm war, empfohlen ein Taxi zu nehmen. Der glücklicherweise sehr ortskundige und hilfsbereite Taxifahrer hat uns durch viele Schleichwege mit Schlaglöchern so groß und tief wie Traktorreifen zurück zum „Yachtclub“ gebracht, wo man sich schon große Sorgen um uns gemacht hat und alle Hebel in Bewegung gesetzt wurden, um uns trotz der späten Stunde noch zurück zu unseren Booten zu bringen. Der hiesige „Yachtclub“, der CVD, bietet tagsüber einen Shuttleservice zwischen Steg und Ankerfeld an, weswegen wir unser Beiboot nicht aufgeblasen haben.
Der Shuttleservice ist genauso wie die Duschen, die Frischwasserversorgung und andere Services in einem kleinen Wochenpreis enthalten und wir sind froh um den gastfreundlichen und hilfsbereiten Club, der für uns ein ruhiger Rückzugsort vom hektischen Stadtleben ist. Hier im Hafen haben wir Mama Nouga, die leckere Erdnusskekse, die sogenannten „Nouga“ bäckt und Mama Tissue, die Gastlandflaggen und Bekleidung näht kennengelernt und egal ob beim Wasserkanister schleppen oder Einkäufe über den Steg tragen, immer gibt es helfende Hände, wofür wir gerne ein kleines Trinkgeld geben. Hier im Hafen und am Strand von Dakar sehen wir allerdings auch eines der großen, globalen Probleme unserer Zeit, nämlich Müll, insbesondere Plastikmüll. Der Strand ist voll davon, wohin man sieht und soweit das Auge reicht pflastern Plastiktüten, Colaflaschen, Einwegverpackungen und Reste kaputter Fischernetze die Landschaft.
In der Bucht von Dakar liegt die Insel Gorée, die der erste Siedlungsort Europäischer Seefahrer und wegen seiner strategisch günstigen Lage schwer umkämpft war. Sie ist ca. einen Kilometer lang und dreihundert Meter breit, liegt im Süden der Halbinsel Cap Vert und wechselte insgesamt siebzehn Mal den Besitzer. Gorée war ein strategischer Ort der Sklavenverschiffung und ist heute ein symbolischer Erinnerungsort für die Geschichte des Sklavenhandels zwischen Afrika und Amerika. Auch, wenn durch die Geschichtsschreibung widerlegt wurde, dass Gorée das wichtigste Zentrum des Sklavenhandels war und jährlich „nur“ 500 Sklaven über Gorée in die neue Welt verschifft wurden, wird heute viel Aufwand gemacht, im „Haus der Sklaven“ mit der „Tür ohne Wiederkehr“ dieses schwarze Kapitel aufzuarbeiten. Neben der schrecklichen Geschichte ist die Insel, auf der heute ca. 1.600 Menschen leben, ein wunderschöner, ruhiger Ort ohne Motorenlärm, dafür mit farbenfrohen Kolonialbauten und einer bunten Blumenpracht wohin man auch schaut.
Hier in Dakar Erledigungen zu machen fällt uns sehr schwer, da wir von Verabredung zu Einladung unterwegs sind und unser Tagesplan spätestens nach dem Frühstück dahin ist, da die Dame, die uns die leckeren, belegten Baguettes verkauft, uns gleich zum Mittagessen zu ihrer Großfamilie nach Hause einlädt. Und Großfamilie heißt diesmal wirklich Großfamilie. In dem großen Haus in der Nähe des Hafens leben ca. 35 Erwachsene und wir sind nicht sicher, ob irgendwer einen Überblick hat, wie viele Kinder hier leben.
Das Haus hat mehrere Etagen und von den Gängen gehen viele Türen ab, in denen die Familien leben, das Leben allerdings spielt sich zum größten Teil im Innenhof ab. Von Ibrahim, unserem Gastgeber, werden wir der ganzen Großfamilie vorgestellt und durch jedes der unzähligen Zimmer geführt, um alle Bewohner vom Neugeborenen bis zur Urgroßmutter zu begrüßen und wir freuen uns genauso über die Einladung wie unsere Gastfamilie. Zu Essen gibt es mehrere große Schüsseln mit verschiedenen Speisen, die im Innenhof auf den Boden gestellt werden und zusammen mit ein paar Kindern und kichernden jungen Frauen machen wir uns über eine der Schüsseln mit Couscous und Fisch her. Ibrahim möchte uns noch die anderen Speisen in den anderen Schüsseln probieren lassen, aber die jungen Damen haben ihren Spaß mit uns und möchten uns unter keinen Umständen gehen lassen. So geht hier in Dakar ein Tag nach dem anderen Ins Land und es fällt uns nicht ganz leicht, Lebewohl zu sagen. Aber mehr noch als das Stadtleben Dakars lockt uns der Süden des Landes, die Casamance mit seinem weit verzweigten Flussdelta. Heute haben wir noch ein paar Einkäufe erledigt und morgen, spätestens übermorgen möchten wir den Anker lichten, um das Hafenwasser Dakars gegen die reiche Natur der Mangrovenflüsse der Casamance und Gambias einzutauschen.
Ein kurzes Wort zu den Bildern: In diesem Beitrag sind alle Bilder mit dem Handy gemacht und daher leider nicht immer so scharf und gut. Wir fühlen uns zwar sehr sicher hier, möchten aber nicht als die reichen Touristen rumlaufen. Deswegen haben wir hier in Dakar darauf verzichtet, unsere Kamera mitzunehmen.
Wir grüßen Euch ganz herzlich aus einem freundlichen Land, das wir schon nach so kurzer Zeit sehr zu lieben gelernt haben. Riki und Martin
Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)
Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…
Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2013
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Sehr schön geschrieben und die Fotos sind toll. Wie ist es mit der Sprache ? Kommt man mit English wweiter oder ist Französisch ein muß? Dann habe ich noch eine Frage zum Trinkgeld, wenn der Kaffee umgerechnet 8cent kostet wieviel gebt ihr dann Trinkgeld. Oder wieviel Trinkgeld gebt ihr allgemein? Ist zum Beispiel 1€ zuviel?
Hi Mike, vielen Dank! Man kommt mit Englisch durch, aber ein paar Brocken Französisch sind von Vorteil da die meisten Menschen hier kaum Englisch sprechen. Unser Französisch ist auch eher rudimentär…
Trinkgeld geben wir wenn uns jemand Hilfe anbietet wie z.B. Wasserkanister schleppen, umgerechnet ca. 1-2 Euro, aber das lernt man schnell was angemessen ist. Für Kaffee, Essen, Taxi,… ist Trinkgeld nicht üblich.
Der Kaffee an der Straße kostet 8 Cent, man kann im Restaurant aber auch 1-2 Euro für einen Kaffee zahlen. Frühstück kostet für vier Personen Kaffee und Baguettes ca. 2-3 Euro, im Restaurant kann man für das Gleiche aber auch 10-15 Euro zahlen. Das Leben kann günstig sein wenn man sich an die Locals hält, kann aber auch ähnlich teuer wie in Europa sein. Gastgeschenke, z.B. Fußbälle, Buntstifte oder Trikots für die Kinder, Parfüm oder Parfümproben für die Frauen, Klamotten allgemein sind gern gesehen und brechen schnell das Eis. LG Riki und Martin
Super danke dir für die schnelle Antwort, ich finde es sehr interessant das ihr Abseitz der Standartrouten segelt.
Macht weiter so .
Viele Grüße aus München
Mike