Dominikanische Republik

Kira auf der Schaukel am Spielplatz in Samana
Die Stadt Samana im Nordosten der Dominikanischen Republik gefällt uns allen supergut

Der Dieseltank ist dicht, wir haben kein Wasser mehr im Motoröl, die Maschine läuft rund, die Obst- und Gemüsenetze sind prall gefüllt und wir sind so was von bereit, mit einem jetzt hoffentlich funktionierenden Boot weiter zu segeln. Bye bye Samana, trotz aller widrigen Umstände und Probleme mit Maschine und Tank hat es uns richtig gut gefallen hier. Wir überbrücken die Batterie, um den Motor zu starten (das letzte akute, unerledigte Projekt im Zusammenhang mit der Maschine). Dann tuckern wir etwa eine halbe Seemeile hinter unserem Freund Thomas mit seiner gelben Irmi gegen den Wind aus der kleinen Bucht von Santa Barbara in die große Bucht von Samana. Die ersten beiden Stunden möchten wir die Maschine mitlaufen lassen, zum einen da es genau gegen den Wind geht und zum anderen, um wirklich sicherzugehen, dass auch bei längerer Belastung kein Tropfen Wasser mehr den Weg ins Motoröl findet. Es ist etwas unangenehm gegen die kurze, steile Welle und anstatt des angesagten Nord-Ost haben wir, der Thermik sei Dank, den Wind direkt aus Ost und somit auf die Nase, dafür werden wir jedoch von einem gewaltigen Schauspiel belohnt:

Springender Buckelwal neben der IRMI
Irmi und der Buckelwal

„Aracanga für Irmi. Buckelwale auf 15 Uhr“ hören wir Thomas‘ Stimme aus unserem Funkgerät. Direkt neben der Irmi sehen wir zunächst die Rücken und einige Blasfontänen mehrerer Buckelwale. Dann beginnt einer der Riesen, der in etwa so groß wie unser Boot ist, mit seinen Flippern zu winken und auf das Wasser zu schlagen, als wolle er die Irmi grüßen oder nassspritzen. Wieder und wieder springen die Wale bis zur Schwanzwurzel aus dem Wasser und lassen sich dann mit einem gewaltigen Platschen auf die Seite fallen. Wir verfolgen das Schauspiel aus etwa einer halben Seemeile Entfernung, was es jedoch nicht minder spektakulär und beeindruckend erscheinen lässt. Nach einer Weile ziehen die Wale langsam nach Norden ab und wir weiter nach Osten. Im Abstand von etwa fünf Seemeilen segeln wir entlang der Küste in die Nacht, aufgrund der zahlreichen kleinen Fischerkähne müssen wir gut Wache gehen. Bei weitem nicht alle der Fischerboote sind beleuchtet, ausweichen können wir jedoch nur den beleuchteten, alle anderen weichen hoffentlich uns aus. Langsam ändern wir den Kurs nach Südost und nach Süd in die berüchtigte Mona-Passage zwischen Puerto Rico und der Dominikanischen Republik. Wind und Welle, ausgedehnte Flachstellen, starke Strömungen und regelmäßige Gewitter bescheren der Passage zurecht einen etwas unberechenbaren Ruf. Wenigstens sind hier kaum mehr Fischerboote unterwegs. Wir planen die Passage gut und warten in Samana das passende Wetter für die Durchfahrt ab, das jetzt auch endlich eintritt, die Tagesthermik wird mit den etwas kühleren Nachttemperaturen vom Nord-Ost abgelöst und beschert uns guten Segelwind. Für uns ist die Passage aufgrund der undefinierbaren Wellen und Strömungen lediglich etwas unangenehm und schaukelig, vor allem als wir vom tiefen Ozeanwasser über die ausgedehnte Stundenglas-Untiefe segeln. Bei Sonnenaufgang liegen die Untiefe und die Mona-Passage hinter uns und wir ändern den Kurs zunächst auf Süd-West und dann auf West. Voraus sehen wir die flache, von Palmen bedeckte Insel Saona, unser Ziel.

Die ARACANGA vor Anker
Vor Anker vor Saona

Nach drei vergeblichen Versuchen auf dem harten Korallensand hält unser Anker beim vierten Mal auf knapp drei Meter Wassertiefe. Vor uns liegt ein ausgedehnter, weißer Bilderbuchsandstrand. Etwas später kommt auch die Irmi in die Bucht gesegelt und ankert neben uns. Der Ankerplatz ist zwar etwas schaukelig, dafür wunderschön. Kira freut sich über den Strand und aufs Schnorcheln und wir lassen den Abend mit einem gemütlichen Sundowner ausklingen.

Am nächsten Tag ist zunächst der offizielle Teil angesagt. Wir müssen ins nächste Dorf laufen und uns anmelden. Hoch lebe die Bürokratie der Dominikanischen Republik, die von Stopp zu Stopp bizarrere Züge annehmen soll. Entlang der Lagune und der Mangroven, dann durch eine Kokospalmenplantage laufen wir in Richtung Dorf. Allgegenwärtig, abgesehen von den Touristenresorts und -stränden, sind Unmengen von Plastikmüll, angeschwemmt, angeweht, oft jedoch achtlos in die Natur oder auf die Straße geworfen. Der Müll sorgt immer wieder für Diskussionsbedarf, sowohl unter uns als auch mit hier Lebenden. Es steht uns nicht zu, darüber zu urteilen, es ist aber offensichtlich, dass eine Lösung, sowohl von der Regierung als auch vom Bewusstsein der Menschen, noch in sehr weiter Ferne liegt.

Müll im Fluss
Müll – wie hier in der Flussmündung in Santo Domingo – ist leider ein ständiger Begleiter in der Dominikanischen Republik

Eine Frage drängt sich uns immer wieder auf: Wenn sich die Regierung nicht kümmert, warum werden keine Lösungen im Kleinen geschaffen? Niemand, ob arm oder reich, lebt gerne im Müll. Warum ist es hier so extrem? In anderen, keineswegs wohlhabenderen Ländern, ist uns die extreme Vermüllung nicht so unangenehm aufgefallen. Durch schöne Natur und Müllberge laufen wir zum Büro der Armada, um dort unsere Despacios von Samana vorzuzeigen und neue Despacios für die Weiterfahrt zu bekommen. Das Despacio ist eine Genehmigung, um von A nach B zu segeln und muss vor jeder Überfahrt neu beantragt werden. Selbst die einheimischen Fischer brauchen für jede Ausfahrt ein solches Despacio.

Die ARACANGA unter Segeln
Auf dem Weg nach La Romana

Zwei Tage bleiben wir auf der Insel Saona, dann segeln wir in Richtung der Stadt La Romana. In der Ferne springen zwei Buckelwale und der Wind schiebt unsere Aracanga zuerst sanft und dann immer kräftiger nach Westen. Parallel segeln wir zur Irmi und veranstalten ein kleines Fotoshooting.

Die letzten Meilen baut sich ein unangenehmer Seegang auf, weswegen wir beschließen, nicht in die offene Flussmündung in La Romana, sondern die vier Meilen nach Santa Catalina, einer kleinen, vorgelagerten Insel zu segeln. Auf drei Meter Wassertiefe ankern wir vor einem wunderbar weißen Sandstrand und bleiben zwei Nächte. Zwischen 12 und 15 Uhr wird die Insel von Touristen überspült, davor und danach sind wir alleine. Kira genießt das Schnorcheln in kristallklaren Wasser und den Strand und wir alle die Ruhe vor und nach dem Ansturm.

Die Mädels am Strand
Am Strand von Santa Catalina

Dann segeln wir ein weiteres Mal Richtung La Romana, um einzukaufen und uns ein neues Despacio zu holen. Der Ankerplatz in der Flussmündung, direkt hinter einem riesigen Kreuzfahrer, ist bei ruhigem Wetter in Ordnung, der Empfang jedoch unfreundlich. Wir dürfen nicht einmal den kleinen Steg und die in den Hang gebaute Treppe vom Steg zum oberhalb gelegenen Gebäude der Armada nutzen, sondern müssen mit den Kindern einen steilen, dreckigen Hang hinaufkraxeln. So etwas macht Spaß bei einer Urwaldwanderung, nicht jedoch als Machtspielchen schlecht gelaunter Beamten. Kurzerhand beschließen wir, uns das Despacio noch für den heutigen Tag ausstellen zu lassen und direkt die etwa 15 Meilen weiter zu dem kleinen Dorf Cumayasa zu segeln.

Cumayasa liegt am gleichnamigen Fluss an der Südküste der Dominikanischen Republik. Die Einfahrt in den Fluss ist spektakulär, raue Felsen und flache Mangroven säumen die Ufer. Etwa eine Meile flussaufwärts ankern wir mitten in dem schmalen Fluss, das Wasser ist nicht viel tiefer als unser Kiel.

Einfahrt in den Fluss Cumayasa
Gemeinsam mit der Irmi segeln wir in den Fluss Cumayasa

Es ist schön hier, trotzdem fällt uns wieder der viele Müll auf. Aber nicht nur das, auch die schicken, mit Stacheldraht umzäunten Häuser am Ufer und die Bretterbuden dahinter. Die Dominikanische Republik ist für uns das Land der Gegensätze: saubere Strände und karibisches Klischee für Touristen und Müll hinter den Kulissen. Nicht zu übersehende Armut, Fischer in maroden Ruderkähnen und nebenan dicke Motoryachten mit tausenden von PS, dicken Subwoofern und Unterwasserbeleuchtung. Schicke, mit Stacheldraht eingezäunte Marinas umgeben von Bretterbuden, hochpolierte Einkaufszentren mit hochpolierten Luxusartikeln darin, davor bettelnde Kinder, dicke SUVs, schicke Sportwagen und von Draht zusammengehaltene Mofas sowie öffentliche Kleinbusse mit herausgebrochenen Türen.

Wir melden uns bei der Armada, die hier sehr freundlich ist, und versuchen, ein paar Kleinigkeiten wie frisches Obst und Gemüse einzukaufen. Es gibt nicht viel hier, hinter den wohlhabenden Häusern am Ufer erstreckt sich ein ärmliches Dorf. Die Natur und der Ort, vieles erinnert uns hier sehr an Gambia und den Senegal, die Sympathie jedoch springt nicht sofort über wie in Westafrika. An einem kleinen Straßenkiosk essen wir zwei „Tostadas“ (sehr lecker), was jedoch als frischer Saft verkauft wird, entpuppt sich als Zuckersirup mit Erdbeergeschmack, wie alles hier serviert im praktischen Wegwerfstyroporbecher…

Martin und Kira im Dinghy
Mit dem Dinghy auf dem Fluss Cumayasa

Wir erkunden den Fluss mit unserem Dinghy und finden eine wunderschöne Natur vor, schroffe Felsen wechseln sich mit hohen Mangroven ab, Bussarde und Geier sitzen in den Baumwipfeln und Pelikane und Fregattvögel sind auf Fischfang unterwegs. Entlang des Flusses sind die Überreste alter Stege und einer Marina zu sehen, die jedoch vom Hurrikan zerstört wurden. Wir sind hin- und hergerissen, es ist schön hier, gleichzeitig sind wir jedoch auch etwas enttäuscht vom Süden der Dominikanischen Republik.

Wieder einmal müssen wir zur Armada, um uns ein neues Despacio zu holen. Daran, wie viel wir hiervon schreiben merkt man schon, wie zeitaufwändig dieser Bürokratieüberschuss ist. Am Nachmittag vor unserer Abreise stehen wir im Büro der Armada. Wir sollen in einer Stunde wieder kommen, er habe nur noch ein Exemplar und müsse diesen Vordruck erst irgendwo kopieren lassen. Eine Stunde später hat sich nichts getan. „Ihr könnt euch hier hinsetzen und warten.“ Warten, das sind wir gewohnt – aufs Wetter, auf Offizielle, auf den Bus, eigentlich auf alles. Während Einer nach dem Anderen mit Gewehr und einer Hand voll Munition auf die Pritsche eines Pick Ups hüpft, muss der jüngste der Soldaten zurückbleiben und den nicht kopierten Vordruck von Hand abschreiben. Außerdem macht er noch Fotos von den Deckblättern (!!!) unserer Pässe. Eine weitere Stunde und noch eine vergehen und das erste von zwei Despacios ist fertig.
„Wann wollt ihr los?“
„Morgen früh“
„Dann bekommt ihr die Despacios erst morgen“
„Ernsthaft?“
Es ist nichts zu machen. Am nächsten Morgen kommt ein kleines Boot der Armada längs. Auf den groben Holzplanken des Kiels steht etwas Wasser, im Bug liegt ein Gewehr. Vorne sitzt der Vorgesetzte des gestern zurückgelassenen Soldaten in einem ärmellosen, etwas zu engen Unterhemd, sein Kollege sitzt am mit etwas zu viel Zweitaktöl gefütterten Außenborder. Er reicht uns das Despacio, macht noch einmal ein Foto von den Pässen, diesmal von den Innenseiten, und wünscht uns eine gute Überfahrt.

Santo Domingo
Santo Domingo

Eigentlich wären wir gerne nach Santo Domingo, der geschichtsträchtigen Hauptstadt der Dominikanischen Republik, gesegelt, dort gibt es jedoch leider keinen Liegeplatz für Boote mit mehr als 1,80 Meter Tiefgang. Also entscheiden wir uns mangels Alternativen, ein paar Tage in die Marina von Boca Chica zu gehen und von dort aus Santo Domingo zu besuchen sowie und zu verproviantieren, bevor es nach Cuba weiter geht.

Die Marina Zar Par liegt gut geschützt hinter einem Riff in einer eigentlich wunderschönen Lagune. Die Marina selbst ist jedoch der Tiefpunkt unserer Tour entlang der Südküste. Es ist unser erster Marinaaufenthalt seit sehr langer Zeit und schon nach kurzer Zeit wünschen wir uns zurück an den Anker, was hier jedoch nicht erlaubt ist. Hier liegen eng an eng die dicken Motoryachten derjenigen die, wie wir vermuten, ihr Geld auf nicht legale Weise wie Drogenschmuggel aus Venezuela gemacht haben. Die meiste Zeit verbringen die Eigner besagter Motoryachten jedoch damit, laute Bummbummbumm Musik zu hören, gerne auch um zwei Uhr nachts und dazu ihre tausend PS Dieselmaschinen laufen zu lassen. Dann werden mit ihren Begleiterinnen mit den übergroßen Brüsten in knappen Bikinis teure Getränke und Hühnchen aus Styroporbehältern verzehrt, die danach in Massen in besagter eigentlich sehr schönen Lagune treiben und die restliche Nacht wird mit einer Flasche Rum in der einen und dem Handy fürs Selfie in der anderen Hand an Begattungsrituale erinnernd getanzt.

Wasser bunkern in Boca Chicca
Wasser bunkern – das Leitungswasser sollte man hier besser nicht trinken

Leider ist Boca Chicca für uns die einzige Möglichkeit, in der Nähe von Santo Domingo mit unserem Boot zu bleiben. Für zwei Tage mieten wir uns ein Auto und besuchen die Hauptstadt, stocken unsere Lebensmittel auf, bunkern aus Mangel an Regenwasser in den letzten Monaten 800 Liter Trinkwasser aus Gallonen und machen dann das Boot bereit zur Weiterfahrt. Ironischerweise schüttet es am Tag unserer Abfahrt wie aus Eimern, das erste Mal seit Monaten, damit hätten wir unsere Tanks zehn mal füllen können. Egal. Wir wollen weiter. Boca Chica wird uns sicherlich in Erinnerung bleiben und wir sind froh, als wir endlich wieder ablegen. Wir haben uns selten so auf eine Überfahrt gefreut.

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–> u n s e r e K a f f e e k a s s e <–

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