Durch Gibraltar in den Atlantik und nach Marokko

Tada, es ist soweit. Unser kleines Boot, das bis vor einem guten Jahr noch ausschließlich am Bodensee gesegelt wurde, schwimmt jetzt im Atlantik. Im Moment sind wir zu dritt an Bord, am Samstag Abend kam meine Mama ganz kurzfristig und spontan zu Besuch, um mit uns ein paar Meilen zu segeln und gemeinsam Marokko knapp zwei Wochen lang zu erkunden.

In der Straße von Gibraltar, dem Nadelöhr zwischen Mittelmeer und atlantischem Ozean, weht der Wind entweder von Ost oder von West und das durch den Düseneffekt meist relativ stark. Andere Windrichtungen kommen hier so gut wie nie vor. Dazu kommen durch Tide und Pegelunterschied starke Strömungen, meist aus dem Atlantik ins Mittelmeer. Der Abfahrtszeitpunkt will also gut gewählt sein. Wir sind vor zwei Tagen durch die Straße gesegelt, von La Linea auf der spanischen Seite im Mittelmeer nach Tanger auf der marokkanischen Seite im Atlantik. Der Wind war mit 15 – 20 Knoten aus Ost vorhergesagt, also gute Segelbedingungen für unsere aracanga.

Die Straße von Gibraltar, von Tanger aus gesehen

Drei Stunden nach Hochwasser Gibraltar findet man auch gute, westsetzende Strömungen nahe der Ufer, die sogenannten Neerströme, die entgegen des Hauptstroms fließen. In unserem Fall hat der Neerstrom auf der afrikanischen Seite kurz vor Tanger bis zu vier Knoten betragen, so dass wir zeitweise mit über neun Knoten auf unser Ziel zugeschossen sind. Aus der Bucht von Gibraltar raus haben wir uns bis Tarifa, der südlichsten und vielleicht auch windigsten Stadt Europas, auf der nördlichen Seite gehalten. Von dort aus ging es dann quer über die Straße von Gibraltar durch das Verkehrstrennungsgebiet, eine Art Autobahn für die Großschifffahrt, rüber auf die afrikanische Seite, dann entlang des neuen Container-Tiefseehafens, der sich über viele Meilen entlang der Küste erstreckt, in die Bucht von Tanger und die neue Marina.

Der Yachthafen “Tanja Bay Marina” wurde erst vor wenigen Wochen eröffnet und liegt im Becken des alten Containerhafens, er bietet Platz für hunderte von Booten, belegt sind allerdings nur eine Handvoll Plätze, was sich in den nächsten Jahren wahrscheinlich ändern wird. Noch arbeiten hier ein vielfaches an Menschen verglichen mit den belegten Plätzen. Jeder Ponton wird Tag und Nacht bewacht, egal ob Boote daran liegen oder nicht, jeder Steg wird jeden Tag gereinigt und am Rezeptionssteg, wo die Zollabfertigung und Einreiseformalitäten erledigt werden, stehen die Marineros Schlange um die Leinen entgegen zu nehmen. Eine Nacht hier im Hafen kostet für unser kleines Boot umgerechnet 8 Euro, da kann man nicht meckern…

Tanger ist die Provinzhauptstadt mit etwa 750.000 Einwohnern und gehört zu den wichtigsten Handels- und Hafenstädten Marokkos. Sie ist der älteste, ununterbrochen besiedelte Ort Marokkos und immer noch eine Hochburg des Drogenhandels und Schmuggels. Tanger ist seit jeher von einem Mythos belegt – einst soll die Arche Noah nach der Sinnflut hier angelandet sein, lange Zeit hatte die Stadt den Status einer Freihandelszone und zog Spekulanten, Glücksritter, Waffen- und Drogenschieber, Prostitution, Künstler, Freigeister sowie den internationalen Jetset an. Die Stadt ist die Grenze zwischen dem europäischen Abendland und der arabischen Kultur und noch oder gerade heute ist das an jeder Straßenecke sichtbar. Medina und Kasbah, der alte Teil der Stadt, gehen fast nahtlos in die moderne Neustadt mit Hochhäusern, Bankenviertel Flaniermeile über, wie zwei Welten prallen die beiden Stadtteile aufeinander.

Für uns waren natürlich die Medina (die Altstadt) mit ihren Souks (Märkten) und die Kasbah (die Burg) auf dem höchsten Punkt der Stadt interessant. Auf den Märkten findet man in den engen Gassen so gut wie alles, was man braucht und nicht braucht: Frische Lebensmittel, Berge von Gewürzen, Töpferwaren, Klamotten von der Burka bis zur Reizwäsche, modernste und antiquierte Elektronik bis hin zu billigem und überteuertem Kitsch. Dazwischen gibt es kleine Essensbuden und Kioske, wo man für günstiges Geld leckere, einheimische Speisen wie Tajine oder Couscous in allen Variationen bekommt. Zu trinken gibt es traditionellerweise süßen, grünen Tee mit frischer Minze, den man an jeder Straßenecke bekommt. Für uns ist Marokko eine neue und aufregende Welt, wunderschön, faszinierend, aber auch anstrengend. Man kann sich kaum sattsehen an dem quirligen Markttreiben, darf aber auch nicht zu lange ausharren, sonst hat man, ob man möchte oder nicht, einen Teppichhändler, Drogenverkäufer oder selbst ernannten Stadtführer an seiner Seite. Die hiesige Kultur ist enorm freundlich, hilfsbereit und sehr geschäftstüchtig. Es gehört zur Kultur zu handeln und für Dienstleistungen zu zahlen, auch wenn man diese im ersten Moment gar nicht angefordert hat. Die belebte Altstadt in Verbindung mit dem Boot als Ruhepol sind eine ideale Mischung und wir freuen uns schon, Marokko weiter zu erkunden und kennenzulernen. Das Wetter sieht gut aus, daher werden wir wahrscheinlich heute Abend von Tanger ablegen und die ca. 130 Seemeilen nach Rabat, der Hauptstadt Marokkos, an der atlantischen Westküste segeln.

Viele liebe Grüße von Bord senden Riki und Martin und Mamacanga Lilli 🙂

 

 


Freiheit auf Zeit – Weltumsegler erzählen (Kristina Müller)

Jede Weltumsegelung ist eine Liebesgeschichte. Erzählt von Männern und Meeren, von Frauen und Freiheit. Und von der Verwirklichung lang gehegter Träume.
Vor diesen Geschichten sei gewarnt. Sie können akutes Fernweh auslösen und Reisefieber verursachen, bis hin zu dem drängenden Verlangen, jetzt, gleich und hier alles stehen und liegen zu lassen, auf ein Boot zu steigen und davon zu segeln…

Zwölf Weltumsegelungen – zwölf ganz unterschiedliche Geschichten – unter Anderem die Geschichte unserer Weltumsegelung mit der Ivalu von 2010 bis 2012 


 

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2 Kommentare

  1. Marokko gegen Asylzentren
    Berlin. Marokko und Ägypten wollen keines der von der EU angestrebten Sammelzentren für aus Seenot gerettete Flüchtlinge auf ihrem Boden errichten. »Marokko ist generell gegen alle Arten von Zentren. Das ist Bestandteil unserer Migrationspolitik und eine nationale souveräne Position«, sagte Außenminister Nasser Bourita laut Mittwochausgabe der Zeitung Welt. Zentren seien kontraproduktiv, meinte Bourita, auch Geldzahlungen könnten an dieser Haltung nichts ändern. (dpa/jW)

  2. Schön berichtet und tolle Bilder. Ich bin mit meinem Mann und unserem Sohn Anfang April an Afrika vorbei gesegelt. Wir haben einen Cat überführt. Leider hatten wir immer Zeitdruck.

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